Städtische Bibliotheken in ganz Europa haben sich in den letzten Jahren erfolgreich als »Dritte Orte« neu organisiert. Sie wurden zu einladenden öffentlichen Orten für alle, zum »home away from home«. Jenseits von Büchern bieten sie Lounges mit WLAN, Arbeitsplätze mit oder ohne PCs sowie Gruppenräume in einem nichtkommerziellen Rahmen, der von den Besuchenden selbstbestimmt und selbstverständlich genutzt wird. Auch Museen haben das Potenzial, sich zu »Dritten Orten« zu entwickeln. Denn ebenso wie Bibliotheken sind sie oftmals zentral gelegene öffentliche Räume, die sich einer vielfältigen Stadtgesellschaft verpflichtet fühlen.  

In den beiden vergangenen Jahren haben einige Museen offene und vor allem eintrittsfreie Räume in ihren Erdgeschossen eingerichtet – unter anderem in Hamburg der »Freiraum« im Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) und die »Säulenhalle« im Altonaer Museum, in Oldenburg der »Open Space« im Landesmuseum Natur und Mensch, und in Stuttgart baute das Landesmuseum Württemberg die historische Dürnitz zu einer »Kulturlounge« um. Diese Räume verbindet jenseits der jeweils hausspezifischen Ausgestaltung das Ziel, die Museen einfacher zugänglich und für mehr Menschen attraktiv zu machen. Darüber hinaus verstehen sich die »Säulenhalle« im Altonaer Museum und der »Freiraum« des MK&G als Diskussionsorte und Repräsentationsräume für bislang marginalisierte Gruppen und Narrative. Mit ihren offenen Bereichen wollen diese Häuser sich neuen Perspektiven, Ideen und Bedürfnissen der Stadtgesellschaften öffnen und zur Mitgestaltung einladen.  

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass mit den neuen Angeboten erfolgreich neue Gruppen angesprochen werden können. Sie weisen aber auch auf zwei wichtige Aspekte hin. Zum einen stellt sich die Frage der personellen Ressourcen, insbesondere wenn die offenen Museumsräume nicht nur Aufenthaltsorte, sondern auch neue Repräsentationsräume sein sollen. Dann braucht es Ansprechpersonen in den Räumen bzw. eine inhaltliche Betreuung. Ein zweiter Aspekt ist die Museumskasse. Obwohl die offenen Museumsräume eintrittsfrei sind, wird die Kasse am Eingang oft als Hürde wahrgenommen – insbesondere von denjenigen, die bisher noch nicht oder selten Museen besuchen. Die Selbstverständlichkeit, mit der die städtische Bücherei betreten wird, gibt es in Museen noch nicht. Um Museen erfolgreich zu »Dritten Orten« zu entwickeln, müsste diese Hürde abgebaut werden. Zum Beispiel indem die ständige Ausstellung nach dem Vorbild der britischen Nationalmuseen kostenlos zugänglich und nur für Sonderausstellungen Eintritt erhoben wird.  

Die Konzeption eines eintrittsfreien Raums im Erdgeschoss mit neuen Angeboten ist abhängig von architektonischen Gegebenheiten, der Zielsetzung und Sammlung eines Hauses, der Zusammensetzung des bisherigen Publikums und der Charakteristik des lokalen oder regionalen Einzugsbereichs. Es ist ein erster Schritt hin zum Museum als »Drittem Ort«, auf den weitere folgen können.  

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2022.