Christine Brieger, Leiterin des Projektbüros »Museum macht stark« beim Deutschen Museumbund, Elke Kollar, Vorsitzende des Bundesverbands Museumspädagogik, und Matthias Hamann, Mitglied im Vorstand des Bundesverbands Museumspädagogik, sind Experten für Bildung und Vermittlung im Museum. Politik & Kultur fragt nach, was Museen als Bildungsorte zu bieten haben – und wie sie dieser wichtigen Aufgabe nachkommen.
Welche Bedeutung kommt Museen als Bildungsorten zu? Wie erfüllen sie diese?
Elke Kollar: Aus meiner Sicht sind Museen einzigartige Orte, die Begegnungen mit Objekten, Geschichte(n) und Menschen ermöglichen. Sie können uns ein Leben lang begleiten, uns unterhalten und gleichzeitig anregende Impulse geben. Wir können in Museen lernen und uns bilden, ohne dass dabei Spaß, Kreativität und Freude zu kurz kommen. In einem solch offenen Verständnis vom Bildungsort Museum sehe ich ein großes Potenzial– und das ist bei Weitem nicht ausgeschöpft.
Matthias Hamann: Genau. Da ist noch Luft nach oben. Daher würde ich den Begriff Bildungsort durchaus erweitern. Bildungs- und Erlebnisort trifft es besser, zumal dann auch die szenografischen Aspekte einfließen. Es ist ja nicht nur das Objekt, sondern der Gesamteindruck, der relevant ist. Museen ermöglichen einerseits ein Eintauchen in Wissens- und Erfahrungswelten, andererseits bieten sie die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern.
Christine Brieger: Museen ermöglichen eine Vielzahl positiver Bildungserfahrungen unabhängig von Schule und Familie. Es ist ein besonderes Anliegen, allen Heranwachsenden gute und gerechte Bildungschancen zu ermöglichen. Diese Bildungs- und Aushandlungsprozesse benötigen Orte, die Multiperspektivität und auch Ergebnisoffenheit bieten. Museen sind in diesem Sinne wichtige Räume im Bildungsgefüge.
Wie werden insbesondere Schulen und Museen miteinander vernetzt? Welche Best-Practice-Beispiele gibt es?
Matthias Hamann: Museen können das Wissen und die Themen, die im Unterricht eine Rolle spielen, noch mal ganz anders vermitteln, als dies im Klassenraum möglich ist. Die Vernetzung zwischen den Institutionen kann vielschichtig sein. Voraussetzung ist aber immer eine gute und nachhaltige Kommunikation mit den Lehrkräften. Gerade die vielfach in den schulischen Curricula verlangte Kompetenzorientierung lässt sich gemeinsam in und mit Museen sehr gut umsetzen.
Christine Brieger: Dank der Förderung von »Kultur macht stark« wurden in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 15.000 Bündnisse mit ihren Vorhaben sehr erfolgreich gefördert, ein großer Teil davon zwischen schulischen und außerschulischen Akteuren. Das Zusammenspiel von Schule und Museum ermöglicht allen Beteiligten einen Perspektivwechsel. Voraussetzung für ein gelingendes Zusammenspiel ist eine wertschätzende Kooperationskultur und die Sensibilität für verschiedene Fachkulturen. In den kommenden fünf Jahren werden diese Kooperations- und Vernetzungsaktivitäten weiter gestärkt und intensiviert. Durch den ungewöhnlich langen Förderhorizont von »Kultur macht stark« ist eine tiefe Verankerung des Kooperationsgedankens in der Landschaft der kulturellen Bildung deutlich zu spüren. Das empfinde ich als eine sehr positive Entwicklung.
Elke Kollar: Museen müssen – auch im kultur- und bildungspolitischen Verständnis – als außerschulischer Partner z. B. im Bereich des Ganztags gestärkt werden. Denn das (Bildungs-)Erlebnis wird dann besonders intensiv, wenn Programme und Formate übergreifend geplant und durchgeführt werden. Damit meine ich z. B., dass Vor- und Nachbereitung eines Museumsbesuchs in der Schule – auch digital – mitgedacht werden oder Museen im Sinne eines Outreach an die Schulen gehen.
Welches Vermittlungsverständnis resultiert daraus? Inwieweit erfolgt so eine Förderung der Demokratie?
Christine Brieger: Wir erreichen in unseren Angeboten Teilnehmende mit unterschiedlichen Sozialisationserfahrungen und schaffen Partizipationsmöglichkeiten, indem wir Projekte nicht für Teilnehmende, sondern mit ihnen entwickeln und gestalten. Denn die aktive Beteiligung des Einzelnen ist für die Entwicklung der demokratischen Gesellschaft unerlässlich. Museen können hier zusätzlich zu formalen Bildungsstrukturen einen wichtigen Beitrag leisten.
Elke Kollar: Aus meiner Sicht ist es äußerst gewinnbringend, die Museumsarbeit selbst in der Bildungsarbeit in den Blick zu nehmen. Dies ist nicht nur spannend, wenn es um Restaurierung oder Ausstellungsbau geht, sondern öffnet z. B. Fragen wie: Wer erinnert woran? Wer ist repräsentiert, wer nicht? etc. Und damit sind wir mittendrin in hochaktuellen Fragen: Wie wollen wir leben? Wie nachhaltig gestalten wir unser Leben? Was können wir heute für die Zukunft tun?
Matthias Hamann: Genau mit diesen Fragen zeigt sich, dass Museen relevante Institutionen sind. Sie können viele Perspektiven sichtbar und erlebbar werden lassen und so zur Mitsprache einladen, aber auch Empathie befördern und kritisches Denken anregen. Und das ist es, was eine starke Demokratie braucht.