Museen sind kulturelle Orte des Wissens, des Lernens, der Erholung und der Unterhaltung. Doch gerade im Hinblick auf Letzteres stehen Museen im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Angeboten des Kultursektors – und auch des Freizeitmarktes. Der Wettstreit um Publikum lässt sich an einer fortschreitenden Professionalisierung im Museumssektor beobachten. Nicht zuletzt wird diese Professionalisierung von Museen auch in der seit August 2022 geltenden Neufassung der ICOM-Museumsdefinition gefordert, um den Museumsaufgaben des Forschens, Sammelns, Bewahrens, Vermittelns und Ausstellens nachkommen zu können. Museen begreifen sich zunehmend nicht mehr als »Tempel«, sondern als planvoll wirtschaftende Betriebe mit kulturellem Auftrag. Ihr Wirtschaften gilt somit nicht vornehmlich dem Erzielen von Profiten, sondern vielmehr der Bereitstellung von kulturellen Dienstleistungen – gegenüber ihrem Publikum und der Gesellschaft. Doch wie erreichen Museen ihr Publikum? Was macht Museen attraktiv und vor allem: Was macht einige Museen attraktiver als andere? 

Ein Weg, um sich Aufmerksamkeit und Wahrnehmung beim Publikum zu verschaffen, ist sicherlich der Aufbau einer Museumsmarke. Immer mehr Museen präsentieren sich bereits als Marke (»Brand«) – mit eigenem Logo, eigener Schrift, eigenem Auftreten etc. In Deutschland ist sicher das Städel Museum in Frankfurt ein Beispiel für gelungene Markenführung, international sind das Tate und das Guggenheim zu nennen – beide Museen haben sogar mehrere Zweigstellen. Warum sind uns diese Museumsmarken so präsent? Da sie dazu geeignet sind, Assoziationen in unseren Köpfen zu wecken, sich also »eingebrannt« haben – über den Namen, die Sammlungsinhalte, in den genannten Fällen sogar über die Architektur. Damit machen sich Marken von ihrer Konkurrenz unterscheidbar, sie bieten Orientierung und signalisieren Qualität und Vertrauenswürdigkeit. Starke Museumsmarken können ganz und gar zu Wahrzeichen werden und auf ihre Regionen- oder Stadtmarke »einzahlen« – denkt man an das architektonisch imposante Museum Marta Herford, welches sicherlich zu einem touristischen Anziehungspunkt für die mittelgroße Stadt Herford geworden ist. Dieses Konzept der »Marke in der Marke« ist aus dem Konsumgüterbereich durchaus bekannt: Shimano-Bremsen bei Fahrrädern, Intel-Chips in Computern. Auch im Museumsbereich lassen sich Beispiele für solche »Ingredient Brands« finden: die Mona Lisa im Louvre, der Louvre in Paris. 

Mit der Gestaltung eines optischen Auftritts allein ist es beim Markenaufbau jedoch nicht getan. Damit Markenname, Logo und andere »äußere« Markenelemente wie die Architektur ihre Wirkung entfalten können und beim Publikum ein positives Markenimage entsteht, muss zunächst die Markenidentität, das Selbstbild, die Persönlichkeit eines Hauses klar umrissen sein. Diese kommt von »innen« und wird durch die Direktion und Museumsmitarbeitende getragen und geprägt. Es sind hierbei strategische Fragen betroffen: Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Was wollen wir vermitteln und wie verhalten wir uns? 

In diesem Kontext wird neben der inhaltlichen Festlegung der Sammlungsschwerpunkte auch die Vermittlung von Werten immer wichtiger. Kulturellen Institutionen wie Museen kommt zunehmend die Rolle von »Change Agents« zu; hin zu einer nachhaltigen, diversen und inklusiven Gesellschaft. Sie bewahren nicht nur das kulturelle Erbe, sondern gestalten auch Wandlungsprozesse mit – durch ihr Verhalten sowie durch das Aufgreifen von Diskursen z. B. in Ausstellungen.  

Und auch hier zeigt sich wieder: Wichtig ist es, das Publikum zu kennen und zu erreichen, um Wandel zu gestalten. Dabei kann ein systematisches betriebenes Museumsmarketing helfen, welches Markenaufbau und -führung enthalten kann, aber ganzheitlicher zu verstehen ist. Museumsmarketing meint »Marktorientierung« und damit die besucherorientierte Führung eines Museums. Hierfür hilft ein systematischer Blick auf die Besucherinnen und Besucher mittels empirischer Methoden der Besucherforschung wie beispielsweise durch Befragungen. Dass Besucherforschung für Museen immer wichtiger wird, zeigt auch die Neugründung des »Netzwerks für Besucher:innenforschung e.V.« im Jahr 2021. 

Die konsequente Besucherorientierung kann Museen dazu verhelfen, ihr Präsentations- und Vermittlungsangebot für ihre Besucherinnen und Besucher bedürfnisgerecht und somit attraktiver auszurichten – und damit aus deren Sicht besser zu sein als konkurrierende Angebote. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass nur Ausstellungen gezeigt werden, die das Publikum sich wünscht, es geht vielmehr um die Präsentation und Vermittlung der kuratierten Inhalte. Das »Besser sein« kann sich dabei auf ganz verschiedene Aspekte beziehen, je nachdem, welche Zielgruppen als Publikum gewonnen werden sollen. Wichtig ist hierbei, dass die Angebote auch wirklich relevant für die Zielgruppen sind, von diesen wahrgenommen werden, einzigartig sind und somit nicht so leicht von anderen konkurrierenden Anbietern nachgeahmt werden können. Bei Museen können solche sogenannten Wettbewerbsvorteile durch das inhaltliche Angebot, z. B. Sammlungsschwerpunkt des Hauses, sowie durch die Gestaltung von besonderen Service- oder Vermittlungsangeboten erreicht werden, z. B. »Kunstpausen« für Arbeitende in der Nähe, Führungen für Eltern mit Babys in Elternzeit, MINT-Angebote für Kinder. 

Nicht jedes Museum verfügt über Meilensteine der Kunst- oder Architekturgeschichte mit einer Strahlkraft wie der der Mona Lisa. Die gute Nachricht: Das muss es auch nicht. Denn Museen können auch über die Art und Weise ihrer Präsentation sowie über die Orientierung an und den Umgang mit ihrem Publikum an Attraktivität gewinnen. 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2022.