Was verbinden Sie mit dem Begriff Museum? Was war Ihre letzte Museumserfahrung? Ob ein Museumsbesuch vor Ort oder die Teilnahme an einem digitalen Angebot, die Zugänge zum Museum sind heute vielfältiger denn je. Mit knapp 7.000 Museen, großen und kleineren Häusern auf dem Land und in der Stadt, privaten Institutionen oder Einrichtungen des Bundes, der Länder oder Kommunen, verfügen wir in Deutschland über eine sehr diverse Museumslandschaft. Sie widmet sich Themen wie Kunst, Kultur, Geschichte, Naturkunde und Technik und hält damit nahezu für jeden etwas bereit.

So unterschiedlich die Museen sind, vereinen sie sich doch gemeinsam unter dem Oberbegriff »Museum«. Doch was definiert eigentlich ein Museum? Was sind die Eckpfeiler dieser Institutionen? Der Museumsbegriff ist in Deutschland nicht geschützt, Auftrag und Aufgaben der Museen sind nicht gesetzlich verankert. Was macht also ein Museum aus? Was sind seine Aufgaben? Laut aktueller Definition des Internationalen Museumsrats ICOM ist ein Museum eine dauerhafte Einrichtung im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe sammelt, bewahrt, erforscht, ausstellt und interpretiert. Es ist öffentlich zugänglich und integrativ. Es fördert Vielfalt und Nachhaltigkeit. Ein Museum arbeitet und kommuniziert ethisch, professionell und partizipativ. Es bietet vielfältige Erfahrungen für Bildung, Vergnügen, Reflexion und Wissensaustausch.

Ein Museum ist also ein Archiv. aber nicht nur. Ein Museum ist eine wichtige Bildungsinstitution, aber nicht nur. Ein Ort für die Freizeit ist ein Museum sicherlich, aber auch nicht nur. Im Grunde genommen, ist ein Museum ein Balanceakt zwischen unterschiedlichen Funktionen. Das Sammeln und das Bewahren sind Bewegungen nach innen und das Ausstellen und das Vermitteln öffnen das Museum weit nach außen. Seitdem Museen existieren, sorgen ihre Träger, ihre Leitungen und alle Mitarbeitenden dafür, ein Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Aufgaben herzustellen.

Museen sammeln für nächste Generationen und denken daher langfristig. Sie sollen aber nicht nur in einer langen historischen Perspektive relevant sein, sie müssen hier und jetzt für die Menschen einen Mehrwert bieten. Dafür müssen sie ihre langfristige Relevanz pflegen und gleichzeitig kurzfristig agieren und kulturelle Leistungen erbringen, die heute Sinn ergeben und einen direkten Bezug zu unserer Lebenswirklichkeit haben. Dafür müssen sie die Menschen, die sie besuchen und sich in irgendeiner Form für sie engagieren, besser kennen und ihnen zuhören. Ein Museum ist also mehr als seine Sammlung oder ein Raum für Ausstellungen. Museen sind wichtige Orte des Austausches und der Begegnung, sie sind Orte für Debatten und Schnittstellen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Eine weitere Dauerherausforderung in der Museumslandschaft ist die Diskrepanz zwischen kleineren und größeren Institutionen. Ob die Schere in den Möglichkeiten und in der öffentlichen Wahrnehmung wächst, vor allem im Kontext der digitalen Transformation, ist eine offene Frage. Sicher ist, dass der Deutsche Museumsbund, zusammen mit den weiteren Museumsverbänden, kontinuierlich an der Zusammenarbeit zwischen Institutionen unterschiedlicher Größe und am relativen Ausgleich im diversen und heterogenen Museumssektor arbeitet.

Auf dem Land fungieren Museen als Ankerpunkte in ihrer Region. Sie fördern nicht nur bürgerschaftliches Engagement, sie sind intrinsisch dessen Ausdruck. In den Städten steht zudem die soziale Dimension der Museen im Fokus. Sie verbinden nicht nur unterschiedliche Communities, sie fördern auch zwischenmenschliche Kontakte zwischen Individuen. Kulturerbe – und das gilt für alle Museen – kann als Katalysator wirken, um die Umwelt, Beziehungen sowie die eigene Existenz unter einer neuen Perspektive zu betrachten.

In einer Zeit, die von Unsicherheit, Veränderungen, Krisen, Polarisierungen und Einsamkeit geprägt wird, glaube ich, dass die aktive Rolle der Museen im sozialen Bereich an Bedeutung zunimmt. Wir sammeln, bewahren, erforschen, stellen aus und interpretieren mit einem Zweck: im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung.

Aktuell sind Museen direkt und indirekt durch vielfältige Krisen und Veränderungen betroffen: Auf ökonomischen, demografischen, militärischen, gesundheitlichen, klimatischen und demokratischen Ebenen, Europa und die Welt stehen vor großen Herausforderungen. Spätestens seit der Coronapandemie haben die Museen bewiesen, wie kreativ und innovativ sie mit Herausforderungen umgehen können. Krisenfest und widerstandsfähig zu sein, bleibt auch weiterhin das Gebot der Stunde.

Als geschützte Räume können Museen Besuchenden und Nutzenden während Krisen, Unsicherheiten und schnellen Veränderungen einen wichtigen Beitrag leisten, um Menschen zu unterstützen, diese Herausforderungen zu meistern. Durch Kontextualisierungen dank historischer Beiträge und auch mit emotionalen Inszenierungen tragen sie dazu bei, Krisensituationen besser zu verstehen. Museen bieten zudem Möglichkeiten zum Perspektivenwechsel, künstlerische Produktionen und auch gesundheitsfördernde Angebote, die sie zu Zufluchtsorten machen. Museen sind zudem Unterhaltungsorte, die Menschen zusammenbringen, soziale Wärme spenden und schwierige Zeiten einfach erträglicher machen. Damit haben Museen ein sehr hohes Potenzial, hier und jetzt relevant für ihr Publikum und die Gesellschaft im Allgemeinen zu sein.

Auch langfristig können Museen ihre Relevanz stärken, insbesondere was das Thema Nachhaltigkeit betrifft.Seit Jahrhunderten geben Museen Kulturerbe und das damit verbundene Wissen von einer Generation an die nächste weiter. Demzufolge galten sie schon immer als nachhaltige Institutionen. Heute wissen wir, dass sich nachhaltiges Handeln nicht selbstverständlich aus den Grundaufgaben des Museums ergibt. Mit der notwendigen, immer höheren Sensibilität gegenüber Nachhaltigkeitsfragen entdecken wir in vielen Bereichen des Museumsbetriebs einen gewaltigen Handlungsbedarf, insbesondere in ökologischer Hinsicht und in Sicherheitsfragen.

Sicher ist, Museen brauchen Innovation innerhalb der Institutionen mit Wirkung nach außen. Mit neuen Herausforderungen wächst die Notwendigkeit, alte Rezepte, die nicht mehr funktionieren, durch neue zu ersetzen. Das bedeutet unter anderem, neue Governance- und Managementformen auszutesten, in denen Hierarchien und Verantwortung sinnvoller verteilt werden. Die Nachwuchsförderung und die Personalentwicklung gehören dazu. Es bedeutet auch transparent zu sein, darüber, was Museen sammeln und was sie über die Provenienz ihrer Sammlungsobjekte wissen. Dabei sind Netzwerkarbeit und Partizipation unerlässlich, da Wissen und Expertise nicht nur im Museum vorhanden sind.

Ich bin keine Zukunftsforscherin. Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass Museen, die gesellschaftlichen Veränderungen berücksichtigen und ihre Relevanz und Zukunftsfähigkeit steigern können, wenn sie darauf achten, sozial, offen, divers, agil, innovativ, partizipativ, sicher und nachhaltig zu sein. Es handelt sich nicht um Zusatzaufgaben, es geht vor allem um das »Warum« und das »Wie«. Das »Was« kennen wir und machen es bereits gut und professionell. Nun müssen die Fragen, warum machen wir etwas oder warum machen wir es nicht, in den Fokus rücken. Und wenn wir diese geklärt haben, widmen wir uns dem Wie. Beide Fragen lassen sich nicht allein von der Museumsleitung beantworten, wir brauchen die Expertise und Kreativität des ganzen Teams, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, Vertrauen und Offenheit. Und es geht noch weiter, wir brauchen die Unterstützung von außen, von den Communities in unserer Nachbarschaft ebenso wie internationale Perspektiven, den Austausch mit anderen Kulturakteuren und mit der Kreativwirtschaft. Ein Museum ist eine Gemeinschaftsaufgabe.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2022.