Deutschland zählt neben Südkorea und den USA zu den Ländern mit den meisten Privatmuseen. Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden ist eines davon. Politik & Kultur fragt beim Museumsdirektor Henning Schaper nach, wie sich die Arbeit eines Privatmuseums gestaltet und welche Bedeutung diesem zukommt.  

Welche Rolle und Bedeutung kommen Privatmuseen wie dem Museum Frieder Burda in der deutschen Museumslandschaft zu? 

Privatmuseen haben per se weder einfachere noch schwerere Start- oder Rahmenbedingungen. Sie besitzen jedoch den Vorteil – losgelöst von staatlichen kulturpolitischen Debatten und Diskussionen –, ihr Profil durch die Einzigartigkeit persönlich geprägter Sammlungen und vor allem durch ihr Ausstellungsprogramm selbst zu bestimmen, und dabei durchaus auch individuellen Interessen nachzugehen. Als Kunstmuseum in privater Trägerschaft ist sich das Museum Frieder Burda durchaus seiner gesellschaftlichen Rolle bewusst und wird auch zukünftig den Dialog mit den Museumsbesuchern durch Ausstellungen und andere Formate intensivieren.  

Dabei möchten wir als privates Haus unsere Chancen nutzen, wahrgenommene Veränderungen und zeitgemäße Erwartungshaltungen im Museumsbetrieb schnell zu analysieren und im operativen Betrieb rasch umzusetzen. Privatmuseen haben die Gelegenheit, ihre Geschwindigkeitsvorteile und das Nichtvorhandensein von bürokratischen Hemmnissen in der strategischen, aber auch operativen Arbeit durch unmittelbar sichtbares Handeln unter Beweis zu stellen. Im Idealfall schließen Privatmuseen in Deutschland Lücken im kulturellen Angebot und agieren mutig bei der permanenten Auseinandersetzung mit ihren Besuchern und deren Erwartungen.  

Ein Privatmuseum muss zudem keinen wissenschaftlichen Forschungsauftrag erfüllen und sollte seine Ressourcen daher zielgerichtet auf die Kreierung eines uniquen Profils, verbunden mit dem Bestreben nach Generierung neuen Publikums wie einer intensiven Publikumsbindung, ausrichten. So haben wir als Privatmuseum die Möglichkeit, den sehr persönlichen Willen unseres Stifters Frieder Burda als zentralen Ausgangspunkt unseres Leitbildes zu verwenden, der da lautet: Ich möchte den Menschen mit der Kunst eine Freude machen, ich möchte meine Liebe zur Kunst mit anderen Menschen teilen. Dies bedeutet keineswegs die Fokussierung auf ein populistisches Ausstellungsprogramm. Es soll vielmehr zum Ausdruck gebracht werden, dass die Besucherinnen und Besucher und ihre Perspektive bei all den Angeboten des Museums stets ein wesentliches Element bilden sollen. 

Sicherlich arbeiten private und öffentliche Museen in mancherlei Hinsicht unter unterschiedlichen Parametern. Allein die Differenzierung zwischen privater oder öffentlich-rechtlicher Trägerschaft ist jedoch kein hinreichendes Kriterium für Qualität oder gar eine mögliche erfolgreiche Positionierung und Profilierung eines Kunstmuseums in der deutschen Museumslandschaft. Im Rahmen ihrer Arbeit tun auch die Privatmuseen gut daran, sich an der gängigen Definition und Aufgabenbeschreibung für ein öffentliches Kunstmuseum zu orientieren: ein Museum als lebendigen Ort der Kunstvermittlung zu gestalten. Und ich darf hinzufügen: Ein Kunstmuseum, unabhängig von seiner Trägerschaft, sollte immer ein Ort sein, an dem versucht wird, aktuelle gesellschaftliche und politische Themen anhand von künstlerischen Positionen und Ausstellungen sichtbar zu machen, damit den Dialog zwischen Menschen zu initiieren und ihnen neue Impulse des Nachdenkens zu geben. 

Welche Vorteile bieten eigens gegründete Museen den privaten Sammlerinnen und Sammlern? Ist es einfacher, praktischer, profitabler, als Sammler ein Privatmuseum aufzubauen, statt die eigene Sammlung in ein öffentliches Museum zu geben? 

Wir alle wissen, dass es deutlich schwieriger ist, auf der Basis einer Sammlung ein eigenes Privatmuseum aufzubauen. Es erfordert nicht nur ein erhebliches finanzielles Engagement, es verlangt auch das Bekenntnis, buchstäblich eine Kulturinstitution aufzubauen, dauerhaft zu betreiben, an die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft anzupassen und darüber hinaus – und das darf man nie vergessen – nachhaltig die finanziellen Mittel für den Betrieb dieses Museums aufbringen zu wollen. Im Gegenzug hat der Privatsammler oder die Privatsammlerin die uneingeschränkte Kontrolle über die gesamte strategische Ausrichtung und den operativen Betrieb des Hauses und kann das Leitbild seines Museums, basierend auf seiner (Sammel-)Leidenschaft, erstellen, anpassen und ggf. modifizieren. 

Eines muss dabei klar sein: Die Entscheidung für den Aufbau eines Privatmuseums ist eine langfristige Entscheidung und hat zum Ziel, der Gesellschaft und der Stadt oder der Region, in dem das Museum aufgebaut wird, ein lebenslanges Geschenk zu machen. Denn: Kein öffentliches Museum, dem eine Sammlung anvertraut wird, kann und wird langfristig so aktiv dieses Geschenk in die künftige Ausstellungsprogrammatik integrieren können wie der Sammler, der sein eigenes Museum baut und betreibt. Er wird selbstbestimmt entscheiden können und müssen, ob und wie er die Sammlung in wechselnden Ausstellungskontexten präsentiert.  

Welche Rolle spielt der Sammler für die Arbeit im Privatmuseum? Wie gestaltete sich am Museum Frieder Burda zu Lebzeiten des Stifters das Verhältnis zwischen Sammler und Museumsdirektion, wie hat sich dies nach dem Tod Frieder Burdas entwickelt? 

Diese Frage kann natürlich nur sehr persönlich beantwortet werden, ich selbst kann sie auch nur für die Zeit ab 2016 beantworten, nachdem mich Frieder Burda bat, sein Haus zukünftig zu leiten. Das Museum Frieder Burda ist die Wirklichkeit gewordene Idee von Frieder Burda, seiner entstandenen Sammlung ein dauerhaftes angemessenes Domizil zu geben: Die weiße Villa im Park an der Lichtentaler Allee in Baden-Baden ist sein höchstpersönliches Statement und Vermächtnis für die Nachwelt. So hatte Frieder Burda bis zu seinem Tod entscheidenden und prägenden Einfluss auf die Entstehung, den Bau und Betrieb einschließlich der Weiterentwicklung des Museums mit seiner inhaltlichen Ausrichtung. Er war bis zu seinem Tod interessiert an allen wichtigen Vorgängen in und um das Museum herum, und ich durfte zwei Jahre mit ihm intensiv zusammenarbeiten, um von ihm zu hören, förmlich aufzusaugen, welche Rolle er dem Museum heute und in der Zukunft geben wollte. Dass dies neben dem persönlichen Moment auch in eine institutionelle Form gegossen wurde, war dabei von Anfang an sein Anliegen – die von ihm gegründete Stiftung erlaubt uns heute ein sicheres wie professionelles Management seines Lebenswerkes. Es ist unsere Aufgabe, sein Vermächtnis in der Zukunft weiterzuführen, seine Ideen und sein Gedankengut zu bewahren, aber auch den aktuellen Entwicklungen in der Museumswelt anzupassen. 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2022.