Museen sind weitaus mehr als die landläufig mit dem Begriff »Museum« assoziierten Kunstmuseen. Die Mehrzahl der Museen, nämlich 2.975, sind Museen für Orts- und Regionalgeschichte bzw. europäische Ethnologie, sie werden gefolgt von den kulturgeschichtlichen Spezialmuseen, derer das Institut für Museumsforschung 1.029 ausweist. Danach kommen mit 883 Museen die naturwissenschaftlichen und technischen Museen und erst an vierter Stelle die Kunstmuseen, sie zählen 733. Historische und archäologische Museensind 526 an der Zahl. 302 Naturkundemuseen gibt es in Deutschland und 286 Schloss- und Burgmuseen. Insgesamt weist das Institut für Museumsforschung für das Jahr 2019 6.834 Museen aus. Allein diese Zahl belegt, dass es sehr viel mehr Museen gibt, als einem auf den ersten Blick vielleicht einfallen mögen, und dass die Museumslandschaft äußerst vielgestaltig und ausdifferenziert ist. 

Neben Museen mit einem großen hauptamtlichen Stab und einer ausdifferenzierten Mitarbeitendenstruktur gibt es auch jene, die nur eine dünne hauptamtliche Personaldecke haben und vor allem vom ehrenamtlichen Engagement leben. Ebenso unterschiedlich wie das Sammlungsgebiet oder die Personalstruktur sind die Rechtsformen. Viele unterschiedliche Rechtsformen sind bei den Museen anzutreffen: Stiftungen desbürgerlichen Rechts, Stiftungen des öffentlichen Rechts, Eigenbetriebe, Vereine oder auch unselbständige Einrichtungen, die in den Betrieb einer Kommune eingegliedert sind. Auch die Finanzierung unterscheidet sich erheblich. Die Bandbreite reicht von Häusern, die vor allem vom bürgerschaftlichen Engagement und dem finanziellen Einsatz ihrer Mitglieder leben, bis hin zu großen Häusern mit Millionenetat aus öffentlichen Mitteln. 

Sie alle eint in all ihrer Unterschiedlichkeit, dass der Kernbestand ihre Objekte, ihre Exponate sind. Sie sind es, die in einem Museum faszinieren. Das kann die Nofretete, die Himmelsscheibe von Nebra, eine Münzsammlung, eine Lokomotive, eine Sammlung Käfer, ein Stoff oder ein Kleidungsstück, eine besondere Spindel oder sonst etwas sein. Die Gegenstände sind es, die locken, die beeindrucken. Ihre Aura, ihre Besonderheit und ihre Präsentation lassen staunen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die angemessene Präsentation von Objekten Menschen begeistert und den Wunsch weckt, mehr zu erfahren, mehr zu wissen über die Dinge im Museum. Gewiss, viele Objekte müssen eingeordnet und erläutert werden. Nicht jedes Exponat erschließt sich von selbst. Ebenso ist es wichtig, Sammlungsgegenstände zu kontextualisieren. Dennoch darf der Text, die Erläuterung, das Exponat nicht überstrahlen oder gar vergessen lassen. Persönlich fasziniert hat mich diesen Sommer die Ausstellung von Benin-Bronzen im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln. Es war eine relativ kleine Ausstellung, aber so eindringlich. Die Kunstwerke sprachen für sich. Ihre Bedeutung, ihre Exzellenz, die hohe Kunstfertigkeit, mit der sie erstellt wurden, hat sich mir unmittelbar erschlossen. Ich fand diese Präsentation besonders gelungen und eindrücklich. Sie kam ohne große Erläuterungen aus. 

Museen sind aber mehr als Ausstellungshäuser. Museen, insbesondere die größeren, sind auch Forschungsorte. Im letzten Jahrzehnt hat die Provenienzforschung an Bedeutung gewonnen. Zeitlich zuerst die Erforschung der Provenienz von Werken und Objekten, die NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden. Noch längst ist dieses Kapitel der deutschen Geschichte nicht abgeschlossen und noch lange nicht wurden alle Bestände entsprechend durchforstet und ggf. den Erben der Verfolgten zurückgegeben bzw. eine gütliche Einigung mit ihnen gefunden. Hinzugetreten ist in den letzten Jahren die Erforschung von Objekten, die aus kolonialen Kontexten stammen – also im Rahmen von Forschungsreisen oder in Kolonien geraubt, getauscht oder aber auch käuflich aus dunklen Quellen erworben wurden. Die Provenienzforschung ist dabei keine Sache der Museen allein, sie ist eine gesellschaftliche Gesamtaufgabe. Die Erforschung der Provenienz von Sammlungsgut bedeutet ebenso die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Jener in früheren Jahrhunderten, aber auch jener in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit. Vieles wird aktuell aufgewühlt und soll am besten sofort und zeitgleich behandelt werden. Doch Museumsarbeit braucht auch Zeit. 

Ebenso wie sich aktuell die verschiedenen Bundesbehörden ihrer Vergangenheit und dem Nachwirken von NS-Strukturen in den verschiedenen Häusern stellen, gilt es ebenfalls bei so manchem Haus die eigene Geschichte, und das heißt nicht nur, die Sammlungsgeschichte zu hinterfragen. Viele haben sich diesbezüglich bereits auf den Weg gemacht. 

Zentral für ein Museum sind die Besucherinnen und Besucher. Was nützt die schönste Ausstellung, wenn niemand sie sehen will. Die Forschung zu Besucherinnen und Besuchern hat an Relevanz gewonnen und auch die Nicht-Besucher und Nicht-Besucherinnen werden in den Blick genommen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei, völlig zu Recht meiner Meinung nach, seit einiger Zeit auf Besucherinnen und Besucher mit familiärer Migrationsgeschichte gelegt. Dabei darf ein Museum aber nicht stehen bleiben. Museen sollten sich an die Breite der Bevölkerung richten, Menschen mit und ohne Einschränkungen, alte, junge und mittelalte, mit oder ohne familiäre Migrationsgeschichte, egal, welchen Bildungsabschluss jemand hat – für sie alle sollten Museen zugänglich sein. Damit dies noch besser gelingt, ist es bedeutsam, dass das Personal so divers wie die Gesellschaft in Deutschland ist. Die Breite und Vielfalt, die als Zielgruppe in den Blick genommen wird, sollte auch nach innen, in der Belegschaft, gelebt werden.  

Sehr viele Museen sind auf dem Weg, dies und anderes mehr zu realisieren. Den einen gelingt es sehr gut, andere brauchen vielleicht noch einen Stups, um die gewohnten Pfade zu verlassen und neue zu beschreiten. Insgesamt bin ich aber fest davon überzeugt, dass die Museen in Deutschland aufklären, entführen, faszinieren, staunen lassen. Museen als Kultur- und als Bildungsorte sind unverzichtbar. 

Ja, Museen faszinieren mich. Sie faszinieren mich nicht nur, wenn ich einen Besuch ordentlich plane, mich vorher über die Ausstellungen informiere und bestens präpariert ein Haus betrete. Ich gehöre auch zu einer anderen Spezies, nämlich jenen, die sich gerne treiben lassen, die einfach so, kurzentschlossen auf einen Sprung in ein Museum gehen.  

Mein Traum ist, dass wir in Deutschland eine günstige Museumskarte zum Besuch von allen Museen haben. Die niederländische Museumskarte könnte hier ein Vorbild sein. Für knapp 65 Euro können in den Niederlanden Erwachsene ein Jahr lang alle 450 Museen des Landes besuchen. Die niederländische Museumskarte ist besonders als Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk sehr beliebt. Wenn man die Museumskarte darüber hinaus optional auch als Familienkarte anbieten würde, könnte der Zugang noch einmal deutlich erweitert werden. Man sieht ein Museum, geht mit Kind und Kegel oder allein einfach hinein, selbst wenn man nur wenig Zeit hat. So oft man will, wann man will.  

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2022.