Es wird wieder gepokt und gepeekt in der Welt. Eine kleine Welle läuft durch das Land, Menschen wollen verstehen, wie was ist, wie was geht, wie was funktioniert. Sie wollen nicht mit Blackboxes hantieren, sich irgendwelchen Technikkonzernen auf Gedeih und Verderb ausliefern. Ich gehöre auch zu diesen Retrofans, die versuchen, alten, vermeintlichen Elektronikschrott wieder zu neuem Leben zu erwecken. Und ich liebe es zu programmieren, Pascal, Python, Assembler, aber am liebsten Basic. POKE und PEEK, sind alte BASIC-Befehle, mit denen man auf Speicheradressen direkt im Computer zugreifen kann, sie lassen aus den alten Computern neue Kunstwerke, Demos, entstehen. Was liegt da näher als meine Leidenschaften für Kunst und Kultur, mit meiner Leidenschaft für alte Computer und Pixel und Bytes zu verbinden?

POKE und PEEK erlauben den direkten Eingriff in den Arbeitsspeicher eines Rechners. PEEK liefert den Wert an einer gegebenen Speicheradresse, POKE schreibt einen Byte-Wert an diese Adresse. So lassen sich Bildschirmfarben ändern, Soundregister ansteuern oder Programme modifizieren, ohne hochsprachige Routinen – ein direkter Draht zum Herzstück der Maschine. Unmittelbar, ohne Filter, alles ist erlaubt, niemand schützt einen vor Fehlern – wunderbar.

8-Bit-Computer und Computerspiele prägten die Heimcomputer-Ära der 1980er. Ein 8-Bit-Computer ist ein System, dessen Mikroprozessor Daten in Einheiten von 8 Bit gleichzeitig verarbeiten kann und das häufig über einen 16-Bit-Adressbus verfügt, womit es bis zu 64 Kilobyte Arbeitsspeicher (RAM) ansprechen kann. Ein 8-Bit-Rechner mit seinen 64 Kilobyte RAM verfügte über gerade einmal etwas mehr als 65.000 Byte Arbeitsspeicher, während ein heutiger PC typischerweise über 8 Gigabyte (mehr als 8.500.000.000 Byte) oder mehr verfügt. Ein moderner Computer kann also über 130.000-mal mehr Daten gleichzeitig im Arbeitsspeicher bereithalten als früher die 8-Bit-Rechner, wie der Commodore 64 (C64), der ZX Spectrum oder der Atari 800.

Deshalb setzten diese alten Rechner auf einfache Grafik- und Soundchip-Architekturen. Mit wenigen Pixeln und am Anfang mit nur acht Farbtönen wurden einmalige Bildwelten erschaffen. Die Begrenzung auf wenige Pixel und Farben und eine einfache, aber ungewöhnliche Musik schuf einen neuen Kunststil. Rastergrafik und Tile-Systeme, bei denen ein größeres Bild aus kleinen, wiederverwendbaren Grafikblöcken zusammengesetzt wird, und meine absoluten Lieblingselemente, die beweglichen, unabhängig vom Hintergrund darstellbaren Grafikobjekte, die sogenannten Sprites, bilden das Fundament dieser kleinen kulturellen Revolution. Sie waren Teil der Alltagskultur einer ganzen Generation.

Die Renaissance der fast schon in Vergessenheit geratenen 8-Bit-Computer begann bereits Anfang der 2000er Jahre, sogenannte Emulatoren erleichterten den Zugang in die 8-Bit-Welt auch auf Windows- und Apple-Rechnern. Parallel entstanden Neuauflagen und Nachbauten klassischer Platinen – angefangen bei C64-Klonen. Diese Neuauflage hat nicht nur Nostalgiker erreicht, sondern auch eine jüngere Generation, die den Charme minimaler Rechenleistung und unmittelbarer Steuerung schätzt.

In modernen Anwendungen wird dieser Look bewusst als nostalgische Grafiksprache eingesetzt. Auf 8-Bit-Rechnern werden Programmcode und Daten so optimiert, dass sie in wenigen Kilobyte komplexe Animationen und Soundtracks in Echtzeit erzeugen. Ziel sind immer kleinere Programme mit einer immer höheren visuellen und auditiven Qualität.

Der Code wird Kunst: Die Demoszene verbindet algorithmische Komposition mit visueller Gestaltung. Berühmte Demos sind zum Beispiel Cocktail To Go (Bonzai), The Demo Coder (Fairlight), Plastic Fantastic (Censor Design), The Shores of Reflection (SHAPE) und Deus Ex Machina (Crest & Oxyron), um nur einige wenige aus dem C64-Universum zu nennen. Natürlich lassen sich die Demo-Künstler nicht auf 8-Bit und schon gar nicht auf nur ein System einschränken.

Seit Kurzem experimentieren einige Gruppen mit KI-generierten Grafikelementen und Musik. Diskussionen drehen sich um Authentizität, Fairness und die Frage, ob KI-Hilfsmittel den Kunstwert mindern oder neue kreative Freiräume schaffen.

Die Ästhetik der Demoszene basiert auf technischen Limitierungen: Chroma-Flimmern, Rasterbalken, Sprite-Overlaying und sichtbare Artefakte sind nicht nur akzeptiert, sondern als Teil des künstlerischen Ausdrucks gefeiert.

Das künstlerische Selbstverständnis der Demoszene fußt auf Community, Non-Profit-Orientierung und technisch-künstlerischer Höchstleistung. Teilnehmende arbeiten ehrenamtlich, tauschen Wissen und Quellcode und pflegen eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung. Das war auch mit ausschlaggebend dafür, dass die Demoszene im März 2021 in das »Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes« der Deutschen UNESCO-Kommission aufgenommen wurde.

Doch diese Kunst könnte sich nicht entwickeln, wenn die alten Computer verschwinden würden. Die Retrocomputer-Bastler sind die Bewahrer und Wiederbeleber historischer Hardware. Sie kennen die Funktionsweise und den Aufbau der alten Geräte genau. Sie legen Wert auf Austausch, indem sie defekte Platinen reparieren, Ersatzteile nachbauen und Schaltpläne teilen und Interessierten zur Verfügung stellen. Ihr Ansatz ist geprägt von Do-It-Yourself-Ethik, Nachhaltigkeit und dem Bewusstsein, dass technische Artefakte Teil kultureller Identität sind und als Zeugnisse vergangener Innovationsphasen erhalten bleiben sollten. Gleichzeitig pflegen sie Gemeinschaft und Wissenstransfer über Tauschbörsen, Foren und Treffen, wodurch Retrocomputing zu einem lebendigen kulturellen Austausch wird.

Der Schwerpunkt der Sommerdoppelausgabe von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, ist dem breite Thema POKES und PEEKS gewidmet: der Retro-Szene, die alte Hardware bewahrt, erkundet und repariert und der Demo-Szene, die beeindruckende Kunstwerke auf Uraltrechnern programmiert. Sie alle sind Vorkämpfer für eine Emanzipation von den Konsumgütern um uns herum. Sie erhalten einmalige industrie-kulturelle Güter und einige schaffen mit ihnen ungewöhnliche Kunstwerke. Was will man mehr?

Ich danke meinen Freunden vom Verein zum Erhalt klassischer Computer e. V., namentlich Georg Basse, und meinen Freunden vom Computerkunst e. V., namentlich Philipp Eckert, für die intensive Unterstützung und Beratung bei diesem Schwerpunkt.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2025.