Olaf Zimmermann: Ich freue mich sehr, dass wir über alte Computer sprechen. Sie gehören zu denjenigen, die ein wenig verrückt sind nach alten Computern und sich intensiv damit beschäftigt haben.
Wolfgang Kott: Alle, die sich für alte Computer interessieren, sind eigentlich verrückt. Es ist ein hochinteressantes Hobby, sich insbesondere mit alten Rechnern aus der DDR zu beschäftigen, die bis 1989/1990 produziert wurden. Das mache ich schon seit über 30 Jahren. In der DDR gab es keine Läden, in denen man einen Computer kaufte, ihn unter den Arm klemmte und mitnahm. Computer lernte ich in der DDR zunächst nur für den Arbeitsgebrauch kennen. Ich wurde dann aber neugierig und wollte so etwas auch selbst mal besitzen.
Lassen Sie uns von einem dieser Computer sprechen, und zwar dem Ju+Te-Computer, »Jugend und Technik«. Das war Mitte der 1980er Jahre ein Einplatinencomputer, der ein ungewöhnliches Innenleben hat, einen Chip, den UB 8830, den es im Westen so nicht gegeben hat.
Die meisten DDR-Rechner waren 8-Bit-Geräte. Deren CPU war der Nachbau des Z 80 von Zilog und wur-de U 880 genannt. Der war in fast allen Personalcomputern verbaut.
Auch im Jugend und Technik Rechner?
Die arbeiteten nicht mit einem U 880. Dort wurde eine Art »Waschmaschinenchip«, der UB8830, benutzt. Das war ein Ein-Chip-Mikrorechner, den es in verschiedenen Varianten gab. Damit hatte man einen 8-Bit-Kleinrechner, sofern man ihn zum Laufen brachte.
Man kann also sagen, dass die Not erfinderisch gemacht hat. Die Not, dass man an bestimmte Sachen im Osten nicht herankam. Das hat die Kreativität aber beflügelt.
Wer keine Beziehungen hatte, der brauchte gar nicht erst anzufangen, einen Rechner zu bauen. An die elektronischen Bauteile heranzukommen, war schon sehr kompliziert. Ich war kein Elektroniker. Also brauchte ich gute Freunde. Die haben mich dann mit der Nase auf diesen kleinen Rechner gestoßen. Den habe ich mir 1988 zusammengebaut. Bis ich den zum Laufen bekam, hat es bis nach 1990 gedauert. Aber es hat funktioniert. Und das kleine Computerchen existiert heute noch.
Sie sprechen von der Zeit 1989/1990, in der wir die großen gesellschaftlichen Umwälzungen hatten. Damals hätten Sie sich den West-Computern zuwenden können. Warum sind Sie bei den Ost-Computern geblieben?
Nach dem gesellschaftlichen Umbruch habe ich mich auch mit moderneren Computern befasst. Die waren aber sündhaft teuer. Mir ist dann ein Kleincomputer KC 85 zugeflogen. Der war sehr günstig,
Dieser KC 85 war schon ein richtiger 8-Bit Rechner, mit dem man auch spielen konnte. Der wurde nicht von Robotron, dem größten Computerhersteller der DDR, hergestellt, sondern kam aus Mühlhausen.
Das stimmt. Ich habe mit einem Kassettenrekorder kleine Spiele zur Unterhaltung darauf geladen. Der Monitor war unser Fernseher im Wohnzimmer. Weil mich der KC so fasziniert hat, bin ich auch in den KC-Computerclub eingetreten und habe mich im Robotron Technikforum eingeloggt.
Robotron war ein volkseigener Betrieb, der von 1969 bis 1990 das Markenzeichen der DDR für die Computerei gewesen ist.
Da waren viele Betriebe angeschlossen, die dort produziert haben. Es wurden Schreibmaschinen, Radios und Computer produziert, auch Computerperipherie-Teile. Das Robotron Technikforum soll heute an die damaligen Aktivitäten erinnern. Dort sammeln sich viele Spezialisten, der Erfahrungsaustausch läuft auf sehr hohem Niveau ab.
Wir führen heute eine Diskussion darüber, ob das, was in der DDR geleistet wurde, in der Bundesrepublik angemessen wertgeschätzt wird. Wie würden Sie das für den ganzen Bereich der Mikroelektronik einschätzen?
Die Computertechnik der DDR war keinesfalls schlecht. Sie hat ein paar Jahre hinter dem Weltniveau hergehinkt. Es musste vieles nachentwickelt werden. Aber das hat gerade das Besondere der DDR-Rechentechnik ausgemacht.
Der Zilog-Konzern hat z. B. die Z 80 CPU entwickelt, in der DDR wurde er nachgebaut als U 880. Nach der deutschen Wiedervereinigung haben die festgestellt, dass der DDR-Mikrochip besser war als das Original. Zilog hat anstandslos alle Bauteile nachlizensiert, die in der DDR hergestellt worden waren. Ich ziehe den Hut vor dem, was die Ingenieure damals geleistet haben. In unserem Forum sind sehr viele Mitglieder aus den alten Bundesländern begeistert von dieser alten Technik. Der Jugend und Technik Computer wurde anfangs belächelt, aber wir hatten ja »nüscht besseres«. Er wurde dann weiterentwickelt. Der Rechner ist mit dem Betriebssystem ES4.0 sogar farbgrafikfähig. Das hätte man diesem alten »Waschmaschinenchip« nicht zugetraut.
In der Wendezeit wurde dieser Rechner weiterentwickelt, den man sich für wenig Geld selbst zusammenbauen konnte, fast ein richtiger PC. Aber keiner hat sich dafür mehr interessiert. Mit der ersten D-Mark hat der Computerfreak das gekauft, was er vorher nicht gekriegt hat.
Einen C64, einen Atari oder einen Amiga?
Alles, was im Angebot war, wurde ausprobiert. Und so wurde der Jugend- und Technikcomputer in die Ecke gerückt. Im Jahr 2010 haben wir in einem kleinen Team versucht, eine Neuauflage der Platine für den JU+TE-Computer 6k zu starten. 2012 waren die ersten Leiterplatten fertig, und der Rechner hat funktioniert. Ich habe fünf Leute kennengelernt, die es fertiggebracht haben, einen Rechner aufzubauen. Meiner lief endlich 2015.
Wie lange haben Sie insgesamt gebraucht?
Drei Jahre. Ich habe ihn immer wieder weggelegt, weil etwas nicht funktionierte. Der Ehrgeiz hat mich dann aber gepackt. Und schließlich lief er. Ich war stolz wie Bolle, als ich das erste Bild auf meinem Monitor sah.
Was konnten Sie mit dem Computer anfangen?
Das Problem war: Es gab kaum Computerprogramme für diesen Rechner. 1989/1990 wurde eine Demokassette vertrieben. Da waren ein paar Programme drauf. Damit konnte man Hase und Wolf spielen, Mastermind, ein paar Kleinigkeiten, dann war Schluss. Da habe ich angefangen, eigene Software zu schreiben. Mittlerweile haben wir schon etliche kleine Spielchen und Programme erstellt.
Das war ein wichtiger Einblick in die Computergeschichte, aber auch in die deutsch-deutsche Geschichte. Vielen Dank!