Unsere Gegenwart zeichnet sich durch eine hohe Innovationsgeschwindigkeit und einen raschen technologischen Wandel aus. Dies gilt besonders in allen gesellschaftlichen Bereichen, in denen Menschen miteinander kommunizieren. Im Umkehrschluss gehören in immer schnellerer Folge eben noch alltägliche Teile unserer Kommunikationskultur und die zugehörigen Mediengeräte der Sphäre des Historischen und Vergangenen an. Dies wirft die Frage auf, inwieweit sich auch die historischen Wissenschaftsdisziplinen mit diesem Wandel beschäftigen müssen. Zur Klärung dieser Frage ist es wichtig, neben der enormen Kurzlebigkeit der Nutzungszeiträume von Kommunikationsmitteln auch deren enorme Vergänglichkeit und Flüchtigkeit zu diskutieren. Müssen die historischen Wissenschaften vorausschauend den stetigen Verlust an Quellen für künftige historische Forschung im Auge behalten? Müssen Museen schneller als bisher die heutigen Alltagsgegenstände sammeln? Was passiert bei einer archäologischen Ausgrabung, wenn dort Telefone und Laptops in der Erde gefunden werden? Sind das Quellen, die dokumentiert und archiviert werden müssen? In den letzten Jahren gibt es in der Archäologie Bestrebungen, zeitgeschichtliche Fragestellungen im Rahmen einer Archäologie der Moderne zu erforschen. Intensive Diskussionen kreisen an dieser Stelle nicht nur um die Frage, welcher zusätzliche Erkenntnisgewinn bei einer Erforschung durch die Archäologie zu erwarten sei, sondern auch um jene, ob die ohnehin schon knappen Ressourcen an Geld und Personal in der Denkmalpflege, den Museen und an den Universitäten ausreichen würden, um diese Fragestellungen zusätzlich zu bearbeiten. Die Gesetzgebung in Deutschland, die Denkmalpflege, Denkmalschutz usw. regelt, kennt in Bezug auf die Zeitstellung der untersuchten Objekte indes keine Einschränkungen der Zuständigkeit. Eine Untersuchung und Bewahrung findet immer dann statt, wenn ein besonderer Erkenntnisgewinn, eine besondere historische Bedeutung oder ein hohes gesellschaftliches Interesse vorliegen. Mit anderen Worten: Auch ein Elektrizitätswerk aus der Elektrifizierung Berlins, eine Fabrik als Teil der Industrialisierung oder eben ein Computer können Teil des Denkmalpflegeauftrags sein. Beim Bau einer U-Bahnlinie in Amsterdam wurden bereits zahlreiche Alltagsgegenstände, die man als historischen Teil moderner Kommunikation auffassen kann, geborgen und werden zusammen mit den üblichen archäologischen Fundkategorien wie Keramik vor Ort ausgestellt. Telefonkarten liegen dort neben Telefonhörern in den Vitrinen.

Die Frage nach einem Umgang mit diesen Objekten und der Finanzierung ihrer Untersuchung durch Archäologen stellt sich also nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret. Wirklich entscheidend für die Frage, ob die Archäologie sich in den kommenden Jahren diesen technischen Artefakten zuwenden wird, wird die Frage nach dem zusätzlichen Erkenntnisgewinn sein. Derzeit bearbeiten vor allem die Wissenschaftsdisziplinen Informatik und Medienwissenschaften die Geschichte der Computer und ihrer Nutzung. Hinzu treten zeitgeschichtliche Betrachtungen zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Auswirkungen. Jede wissenschaftliche Disziplin hat ihren eigenen Blick und ihre eigenen Fragestellungen. Die Archäologie thematisiert die materielle Kultur des Menschen als dinglichen Niederschlag menschlicher Gesellschaften, aber auch als Teil eines komplexen Netzwerks aus Handlungen, handelnden Personen, Werkzeugen, Symbolen und Vorstellungswelten. Die untersuchten Objekte werden gewöhnlich vor allem in Beziehung zu Zeit und Raum gesetzt, um das Material einerseits zu ordnen und andererseits einer Interpretation zugänglich zu machen. Aus dieser Vorgehensweise haben sich ein spezieller archäologischer Blick und eine typische Art des Befragens der Objekte ergeben. Im Austausch mit den Medienwissenschaften liegt dann in Bezug auf Computer ein besonders interessantes Feld. Die Medienwissenschaften haben im Rahmen der sogenannten Medienarchäologie bereits bewusst einige methodische Ansätze der Archäologie in ihr Repertoire aufgenommen. Sie bilden aber nur einen Ausschnitt der genutzten Zugänge, die als sehr variabel, offen und vielfältig charakterisiert werden können. Computer sind aus Sicht einer Archäologie der Moderne technische Artefakte, also von Menschen hergestellte Objekte mit besonderen Eigenschaften, die sich von andern Objektgruppen durch ihre Schaltkreise, Speichermedien usw. unterscheiden. Die Medienarchäologie beschäftigt sich damit, diese Besonderheiten zu untersuchen.

Die Eigenschaften der Hardware, die zugehörige Software, die Ein- und Ausgabe über z. B. Tastatur und Monitor als Schnittstelle zum Menschen samt ihrer Interaktion werden ebenso untersucht wie die Auswirkungen ihrer Verfasstheit auf die mit ihnen betriebene Kommunikation, die Nutzenden und die Gesellschaft. Dieses Expertenwissen weiter mit der Archäologie in einen Dialog zu bringen, eine Einordung in die gesamte materielle Kultur der letzten Jahrzehnte zu leisten und Auswirkungen auf die alltägliche Lebenswelt von Menschen zu untersuchen, erscheint außerordentlich lohnend. Die Orte von Herstellung und Nutzung der Computer systematisch zu untersuchen, könnte ein zentrales Forschungsfeld für die Archäologie der Moderne werden. Warum das so ist, lässt sich schnell an einem Vergleichsbeispiel illustrieren. Der Einzug von Fernsehern hat erkennbar die Anordnung von Möbeln in den Wohnzimmern und viele Alltagsroutinen von Menschen verändert. Eine systematische Erforschung von Einheiten von Computern und umgebenden Gegenständen, von Nutzungsensembles und Sinnzusammenhängen ist eine Aufgabe, die eine Archäologie der Moderne in den kommenden Jahren im engen Austausch mit den Medienwissenschaften beschäftigen sollte.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2025.