Seit über 30 Jahren sammle ich historische Computer – also seit einer Zeit, in der der Begriff »Retro-Computing« kaum bekannt war. Was mich damals motivierte, war der Wunsch, jene Geräte zurückzuholen, die meinen eigenen Werdegang geprägt hatten. Die Computer, an denen ich meine ersten Programme schrieb, Fehler machte, Erfolge erlebte – sie sollten nicht verschwinden, sondern weiterleben, zeigen, wie alles begann.
Heute leite ich das Oldenburger Computer-Museum. Unsere Mission ist die Vermittlung der Computergeschichte der Jahre 1970 bis 1990. Also von den ersten Computern für den Privatgebrauch bis zum allgegenwärtigen MS-Windows. Dabei geht es uns nicht nur um nostalgisches Erinnern, sondern um Bildung, Aufklärung, Medienkompetenz. Wir glauben, dass ein besseres Verständnis für heutige Technik auch durch das Begreifen ihrer Anfänge entsteht. Unsere Geräte dürfen angefasst, ausprobiert und hinterfragt werden.
Sammeln ist ein zutiefst menschliches Verhalten. Menschen bewahren Gegenstände, die mit Erinnerungen, Orten oder Lebensphasen verbunden sind. Alte Computer haben dabei einen besonderen Reiz: Wenn sie funktionieren, sind sie mehr als Ausstellungsstücke – sie sind lehrreich, unterhaltsam und bieten Raum für Kreativität. Es ist faszinierend zu sehen, wie mit einfachsten Mitteln komplexe Aufgaben gelöst wurden.
In der Szene begegnet man unterschiedlichen Sammlertypen. Einige widmen sich dem technischen Erhalt der Hardware, andere nutzen die Geräte aktiv – etwa zum Coden oder Komponieren – und wieder andere vermitteln ihr Wissen in Workshops, Museen oder online. Was sie alle eint, ist die Faszination für das Zusammenspiel von Mechanik, Elektronik und Logik, das in diesen Geräten offen sichtbar wird.
Die Retro-Computer-Szene ist überraschend lebendig und gut vernetzt. Es gibt Foren, Tauschbörsen, lokale Stammtische und internationale Treffen. Die Interessen reichen vom Programmieren auf Original-Hardware bis zum kreativen Einsatz in moderner Umgebung. Manche verbinden die alten Rechner mit dem Internet, andere bauen fehlende Bauteile im 3D-Druck nach.
Besonders begehrt sind seltene Geräte – frühe Modelle, exotische Systeme oder Markenklassiker. Ein Gerät aus einer limitierten Serie, ein frühes Apple-Modell oder ein Computer, der nur in bestimmten Ländern verkauft wurde, kann schnell zum Objekt der Begierde werden. Auch der Erhaltungszustand spielt eine Rolle, ebenso wie Zubehör und Originalverpackung.
Was uns im Museum besonders freut, sind Spenden mit Geschichte. Kürzlich erhielten wir die originale Entwicklungsumgebung von Horst Völz, einem Pionier der DDR-Computertechnik. Solche Objekte sind nicht nur technisch spannend, sondern erzählen auch von Forschung, Gesellschaft und politischem Kontext.
Ein Museum ist auch ein Ort der Emotionen. Viele Besucherinnen und Besucher begegnen bei uns »ihrem« ersten Computer wieder. Da wird gestaunt, geschmunzelt und manchmal sogar ein wenig geweint. Typische Fragen sind: »Und was konnte man mit so einem Ding eigentlich machen?« oder: »Wie haben wir das bloß ausgehalten – ohne Internet?« Antworten liefern wir gerne – und meist mit einem Augenzwinkern.
Computer zu bewahren heißt, Kulturgut zu bewahren. Diese Geräte stehen für eine der prägendsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Sie ermöglichen Kommunikation, Wissen, Kreativität, Teilhabe. Technikverständnis ist heute eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Mündigkeit. Wer nicht nachvollziehen kann, wie Algorithmen arbeiten, wie KI Inhalte generiert oder wie Fake News sich verbreiten, bleibt leichter manipulierbar. Medien- und Technikkompetenz sind daher untrennbar mit demokratischer Teilhabe verbunden.
Die Technikgeschichte, wie wir sie zeigen, offenbart: Der Zugang zur digitalen Welt ist jung. Erst in den letzten 50 Jahren haben wir die Grundlagen unserer heutigen Informationsgesellschaft geschaffen. Diese Entwicklung zu dokumentieren hilft, den Fortschritt zu verstehen – und zeigt zugleich, wie viel wir in kurzer Zeit erreicht haben. Wer in die Vergangenheit schaut, sieht auch die Zukunft ein Stück klarer.