Ob sich das Sammeln denn überhaupt lohne, das werden Sammler öfters gefragt und fragen sich Sammler hin und wieder selbst. Der Hintergrund der Frage braucht selten erklärt zu werden, es geht fast immer darum, ob sich das Sammeln finanziell lohne. Immer wieder kann man dann beobachten, wie der gefragte Sammler glaubt, sein Tun rechtfertigen zu müssen. Einmal aber wurde ich Zeuge, wie ein Münzensammler eine größere Runde mit seiner Antwort vom lauten Fragen zum stillen Nachdenken brachte – und das ging so:
»Wenn ich mir im Kino einen Film anschauen will, kaufe ich mir eine Eintrittskarte, gehe ins Kino, habe einen schönen Abend und freue mich. Danach ist die Eintrittskarte wertlos und ich werfe sie weg. Trotzdem fragt mich niemand, warum ich Geld ausgebe und eine Kinokarte kaufe, mit der ich nur ein einziges Mal einen Film anschauen kann. Allen ist klar, dass ich noch einmal Geld ausgeben und noch einmal eine Eintrittskarte kaufen muss, wenn ich den Film ein zweites Mal sehen will. Wenn ich dagegen Geld ausgebe und eine schöne oder interessante Münze kaufe, dann kann ich diese Münze so oft anschauen und an ihr Freude haben, wie ich will, und zwar ohne dass ich noch einmal etwas dafür bezahlen müsste. Ich kann auch ohne weitere Kosten anderen Menschen eine Freude machen, indem ich ihnen das Stück zeige. Mit einem einmaligen Kauf habe ich mir eine zeitlich unbegrenzte, immer wiederholbare Freude gemacht. Aber das Beste kommt erst noch: Wenn ich wirklich mal an dieser Münze genug haben sollte, dann kann ich sie verkaufen. Sie ist ja nicht wie die Kinokarte nach (einmaligem) Anschauen wertlos geworden. Es kann gut sein, dass ich sogar mehr dafür bekomme als ich bezahlt habe – aber ich werde auf jeden Fall etwas dafür zurückbekommen. Also unterm Strich: Als Münzensammler gewinne ich doppelt (ja sogar noch mehr), weil ich mein Objekt der Freude beliebig lange genießen oder jederzeit in Geld umtauschen kann, um mir damit wieder andere Freuden zu gönnen.«
Nachdem sich diese Geschichte in der Runde gesetzt hatte, gab es natürlich viele »Aber«: Aber da ist das Auf und Ab der Edelmetallpreise. Aber da ist die wechselnde Nachfrage. Aber da ist die Einlieferungsdauer bei Auktionen. Aber da ist die Suche nach einem Interessenten. Aber da ist …
Schön, alles das mag irgendwo stimmen. Richtig bleibt jedoch zweierlei:
- Eine Münze verliert nicht ihren Wert wie eine Kinokarte.
- Alle »Aber« sind beherrschbar und relativierbar, wenn man nicht als kontaktloser Einzelgänger durch die Welt (des Sammelns) geht.
Sammler gelten oft als einsame Wölfe, aber das stimmt selten. Es gibt kaum einen Sammler, der nicht seine Schätze gerne zeigt und der sich nicht gerne mit Gleichgesinnten austauscht. Richtig ist, dass sich die Sammlerschaft in ihrer Soziologie im Laufe der Zeit verändert wie die Gesellschaft insgesamt und auch die Motivation für eine Münzsammlung Veränderungen unterliegt. Als im 19. Jahrhundert das Münzensammeln im wahrsten Sinn des Wortes gesellschaftsfähig wurde – 1836 wurde in London die erste numismatische Gesellschaft gegründet, 1843 folgte Berlin, 1845 Brüssel – sammelte »man« historische, möglichst antike Münzen. Die Mitgliederlisten dieser Gesellschaften lesen sich wie ein Who’s Who der höheren Stände. Spätestens in den 1960er Jahren erlebte das Münzensammeln einen fast schon boomartigen Zuwachs in breitere Bevölkerungskreise, es wurde richtiggehend demokratisiert. Nun sammelte »man« auch aktuelle Prägungen und beachtete den Aspekt der Wertanlage, beliebt wurden moderne Gedenkmünzen, möglichst aus Edelmetall. Der Krügerrand als die schon sprichwörtliche Anlegermünze ist ein Kind dieser Zeit. Die Einführung des Euro als Bargeld bewirkte einen neuerlichen Sammelschub, findet man doch nun insbesondere mit den 2-Euro-Münzen aus vielen Ländern interessante Bilder und Informationen im täglichen Wechselgeld.
Die Sammler historischer Münzen (sie bezeichneten sich gerne als die »echten« Sammler) urteilten über die schnell wachsende Zahl von Gedenkmünzen, das sei »Schrott«. Und die stolzen Besitzer der zunehmend aufwendiger gestalteten und geprägten Gedenk- und Anlagemünzen urteilten beim Anblick der älteren Münzen, auf denen manchmal nicht viel zu sehen ist, das sei »Schrott«.
Aber keine Abgrenzung der numismatischen Sammelgebiete kann das Ziel sein, sondern die sinnvolle Verschmelzung. Historische Münzen schaffen den Verständnishintergrund für die heutigen Gedenkmünzen, die heutigen Gedenkmünzen werden in der Zukunft historische Münzen sein. Egal, wohin man seinen Schwerpunkt legt, man sollte auch über die anderen Bereiche Kenntnisse haben, um die Zusammenhänge mit dem eigenen Schwerpunkt nutzen zu können. Natürlich: Wer sich einfach ins Getümmel stürzt, wird Lehrgeld zahlen, aber das muss nicht sein:
Abgesehen davon, dass das Internet mit seinen vielfältigen Informationsmöglichkeiten und Foren junge Münzensammler immer mehr anspricht, zeigen doch bestimmte Kontaktformen einen bleibenden Wert: Münzbörsen und -messen schaffen den unmittelbaren Kontakt mit den Händlern, das ist eine kaum zu überschätzende Informationsmöglichkeit; Münzvereine und -gesellschaften geben wertvolle Anregungen und Hilfestellungen und unterstützen durch Vorträge und Publikationen, sie gibt es leider nicht überall; numismatische Fachzeitschriften bieten eine kontinuierliche Informations- und Wissensgrundlage, sie gibt es überall.
Am Ende steht: Münzsammler leisten durch ihr Tun einen immensen gesellschaftlichen Beitrag, sie sammeln – erforschen – bewahren kulturelle Werte letztlich für die ganze Gesellschaft.