Forschungs- und Lehrsammlungen prägen das Selbstverständnis von Universitäten über alle Wissensfelder hinweg: von A wie Architekturmodelle bis Z wie Zoologische Präparate sind bundesweit etwa 1.500 universitäre Sammlungen bekannt. Sie werden an wissenschaftlichen Instituten oder Bibliotheken betreut, teils auch von Kustodien kuratiert, in Forschungsclustern zusammengefasst und von Universitätsmuseen präsentiert.
Akademische Sammlungen sind ein faszinierender Teil der Wissenschaftsgeschichte. Über Jahrhunderte hinweg gelangten Gelehrtensammlungen, fürstliche Stiftungen, archäologische Funde und Säkularisationsgut an Universitäten, wo wachsende Bestände an Dokumenten, Artefakten und Proben gelagert, geordnet, restauriert und verzeichnet – vor allem aber erforscht und in der Lehre genutzt wurden.
In dieser breiten und bunten Landschaft universitärer Sammlungen glänzt – im wahrsten Sinne des Wortes – ein ganz besonderer Bestand: die akademischen Münzsammlungen. Bundesweit gibt es über 50 numismatische, also münzkundliche bzw. geldgeschichtliche Sammlungen: ein bemerkenswerter akademischer »Schatz« von etwa 350.000 Einheiten historischer Geldformen (Münzen, Medaillen, Geldscheine) und verwandter Objekte (Barren, Siegel, Marken u. a.). Zur Ausstattung der Sammlungsbereiche gehören auch Karteien, Diatheken und Münzrepliken sowie Sonderbestände an Akten und Forschungsliteratur.
Die meisten universitären Münzsammlungen finden sich an altertumswissenschaftlichen Instituten – vor allem der griechisch-römischen Geschichte und klassischen Archäologie; manche ihrer Münzen sind über zweieinhalbtausend Jahre alt. Zwei große orientalistische Forschungssammlungen in Tübingen und Jena machen etwa ein Drittel des Gesamtbestandes aus. In manchen Fällen sind es nur einige hundert, aber nicht weniger spannende Objekte, wie beispielsweise an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald die Münzen aus dem wissenschaftlichen Nachlass des Palästinaforschers Gustaf Dalman (1855-1941).
Während Denkmalämter regionale Fundmünzen archivieren und Kunstmuseen repräsentative Medaillen ausstellen, werden an Universitäten die Münzsammlungen vor allem von Wissenschaftlern und Studierenden genutzt. An den einzelnen Standorten hängt vieles von den individuellen Forschungsinteressen des Personals ab: Zeitweise bleiben die Münzschränke ganz unbeachtet, dann wieder werden sie mit großer Neugier durchkämmt. Dabei zeigt sich immer wieder aufs Neue, wie aussagekräftig Münzen als Geschichtszeugnisse sind. Materialanalysen geben Aufschluss über technologischen Wandel in der Rohstoffgewinnung und Metallverarbeitung. Über quantitative und qualitative Zugänge werden Wirtschaftskreisläufe erforscht oder die programmatische Gestaltung der Münzen mit Herrscherporträts und Wertbegriffen interpretiert.
Daran knüpfen vielfach Lehrveranstaltungen an. In Praxisseminaren, für Ausstellungsprojekte und im Rahmen von Hausarbeiten können Studierende innovative Zugänge, Methoden und Fragestellungen ausprobieren. Im Umgang mit den historischen Originalzeugnissen schulen sie ihre fachlichen und überfachlichen Kompetenzen. Manchmal ergeben sich daraus sogar Fragestellungen für Doktorarbeiten.
Die Digitalisierung hat den lebhaften Wissenschaftsbetrieb universitärer Münzsammlungen um eine neue aufregende Facette erweitert. Die anfänglichen Versuche mancher Einrichtungen, ihre Bestände mit individuellen Softwarelösungen zu dokumentieren und virtuell zugänglich zu machen, sind im letzten Jahrzehnt einem gemeinsamen Vorgehen gewichen. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass einzelne Institute selten personell und finanziell in der Lage sind, Datenbanklösungen mit Webzugriff eigenständig zu entwickeln und langfristig zu betreiben. Entscheidend ist aber auch die Erkenntnis, dass die Digitalisierung erst durch sehr große und einheitlich strukturierte Datenmengen eine qualitativ neue Forschungsgrundlage schafft: Nur dann lassen statistische Auswertungen, Big-Data-Analysen und der Einsatz Künstlicher Intelligenz neue Erkenntnisse in einer Breite und Tiefe zu, wie sie ohne digitale Hilfsmittel nicht zu gewinnen wären.
Die universitären Münzsammlungen waren von Beginn an mit dabei, als sich forschungsorientierte numismatische Digitalisierungsverbünde gebildet haben: Im »Netzwerk universitärer Münzsammlungen« (NUMiD) haben inzwischen etwa 40 Universitäten zusammengefunden, die mit dem Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin und weiteren Partnern auf wissenschaftlicher und infrastruktureller Ebene eng zusammenarbeiten. In diesem Verbund unterstützen sich die Sammlungen gegenseitig in Forschung, Lehre und Digitalisierung. Die Partnerschaft mit dem Berliner Münzkabinett und eine Anschubfinanzierung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung haben es ermöglicht, die Mitglieder des Netzwerks mit jeweils eigenen Instanzen eines gemeinsamen Datenbanksystems auszustatten und ein Verbundportal einzurichten.
Der universitäre Digitalisierungsverbund nutzt die vom Berliner Münzkabinett standardisierten Vokabulare (zu Personen, Geografika und Spezialsystematiken) und kann damit eine einheitlich hohe wissenschaftliche Qualität der Digitalisate erzielen. Über Projektförderungen wurde das Datenbanksystem mehrfach weiterentwickelt und speziell an die Bedürfnisse der Universitäten angepasst: In einem »eMuseum« lassen sich studentische Ausstellungsprojekte verwirklichen, und Studierende können auf kontrollierte Weise direkt an der Digitalisierung von Sammlungsobjekten mitwirken.
Dass die Ergebnisse solcher Lehrprojekte veröffentlicht und nachgenutzt werden, motiviert die Studierenden, vermittelt ihnen die Chancen der Digitalisierung und sensibilisiert sie für die Anforderungen guter wissenschaftlicher Praxis. Auf diese Weise wurden inzwischen über das Verbundportal numid.online etwa 45.000 Objekte virtuell zugänglich gemacht.
Dieser wachsende Datenschatz zeugt nicht nur von zweieinhalb Jahrtausenden monetarisierter menschlicher Kultur, sondern auch von den vielfältigen Potenzialen, die sich im Zeitalter der Digitalisierung aus den universitären Sammlungen heraus für Forschung und Lehre ergeben.