Das Ende der Münze als Zahlungsmittel schien nahe. Anzeigen in allen großen Zeitungen und Fachzeitschriften forderten von der deutschen Bevölkerung: »Vermeidet die Zahlungen mit Bargeld!« Es ging um eine grundsätzliche Veränderung des Zahlungsverhaltens der Bevölkerung.: »Veredelt die Zahlungssitten!« Der Weg zu diesem Ziel war offensichtlich: »Schränkt den Bargeldverkehr ein!« Stattdessen pries man die »Überweisung von Bank zu Bank« an. »Jeder, der noch kein Bankkonto hat, sollte sich sofort ein solches einrichten.« Aber auch Verrechnungs- und Barschecks sollten dem Münzgeld vorgezogen werden. Diese neue Kultur des Zahlungsverkehrs wollte man jedoch nicht nur über Anzeigen verbreiten, sondern auch über das persönliche Umfeld: »Sorge jeder in seinem Bekannten- und Freundeskreis für Verbreitung des bargeldlosen Verkehrs!«

Diese Formulierungen klingen seltsam bekannt, wenn man an aktuelle Debatten über ein vermeintliches Ende des Bargelds denkt, und zugleich etwas antiquiert. Letzteres verwundert nicht, denn sie sind Zeitungsannoncen der Reichsbank aus dem Jahr 1916 entnommen. Damals wurde zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs die heute noch bekannte Aktion »Gold gab ich für Eisen« durchgeführt. Hinzu kamen die beschriebenen Bemühungen, den Münzumlauf zu begrenzen, die inzwischen in Vergessenheit geraten sind. Entsprechende Anzeigen sollten 1916 die gesamte Bevölkerung ansprechen, weshalb sie unter anderem in der weitverbreiteten »Illustrirten Zeitung« ebenso wie im »Münchener Stadtanzeiger« erschienen.

Ziel dieser umfangreichen Bemühungen der Reichsbank war die Einziehung der Gold- und Silbermünzen, deren Edelmetall als international anerkanntes Zahlungsmittel verwendet werden sollte. Außerdem sollten auch kupferne Münzen eingezogen werden. Kupfer bzw. Bronze benötigte man in großen Mengen in der Munitionsfertigung für Hülsen, Zünder und Torpedorohre. Die Kupferversorgung des Deutschen Reiches erfolgte zuvor vornehmlich durch Länder, die im Ersten Weltkrieg zu Kriegsgegnern geworden und damit als Lieferanten ausgefallen waren. Die im Inland vorhandenen Kupferbestände mussten deshalb weitmöglichst für Kriegszwecke verfügbar gemacht werden.

Die Kleinmünzen ersetzte man zu diesem Zweck bereits seit 1915 durch Münzen aus Eisen, Zink und Aluminium. Trotz umfangreicher Prägetätigkeit, auch mit Unterstützung privater Hersteller im Auftrag der staatlichen Prägestätten, konnte das Kleingeld nicht innerhalb kurzer Zeit ersetzt werden. Zahlreiche Betriebe, Städte, Gemeinden und Länder gaben deshalb Notgeld aus.

Durch das massenhafte Einschmelzen der Münzen des Deutschen Reiches gerieten die staatlichen Zahlungsmittel in den »Weltenbrand«, wie Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg den Ersten Weltkrieg nannte. Im Feuer der Schmelzöfen verschwanden massenhaft die kleinen Träger von Staatssymbolik und Herrscherköpfen. »Dass die Fürsten ihre Köpfe behalten wollen«, hatte dagegen der aus Mainz gebürtige Bankier und Politiker Ludwig Bamberger bereits 1871 bei den Verhandlungen über das Aussehen der damals eingeführten Mark-Münzen humorvoll betont. 45 Jahre später verschwanden diese Köpfe nun im Schmelztiegel, womit gewissermaßen symbolisch die zwei Jahre später erfolgte Abdankung Kaiser Wilhelms II. und der regierenden Fürstenhäuser in Deutschland vorweggenommen wurde. Das Einschmelzen der Münzen antizipierte darüber hinaus bereits sinnbildlich den Zusammenbruch der Staatsordnung mit dem Sturz der Monarchie, die auf den Münzen durch das Reichswappen verkörpert wurde.

Als nach dem Untergang des Kaiserreichs von der Weimarer Republik im Jahr 1919 die ersten Münzen im Wert von 50 Pfennig ausgegeben wurden, stand das neue Reichswappen noch nicht fest. Daran lässt sich aus heutiger Sicht erkennen, dass zwar ein deutscher Staat untergegangen war, die Münzprägung jedoch nicht. Erst das katastrophale Totalversagen der Notenbank in der Hyperinflation führte beinahe zu einem Ende der Münzen als Zahlungsmittel. Im Jahr 1923 sollten die aufgrund der hohen Inflation nominell wertlosen Münzen nur noch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Münzstätten geprägt werden.

Diese historischen Beispiele zeigen, dass Münzgeld bereits Zeiten extremer Krisen überstanden hat, in denen sein Ende als Zahlungsmittel nahe schien. Doch mit der Überwindung solcher Krisen und der wirtschaftlichen Stabilisierung kehrten Münzen wieder in den Zahlungsverkehr zurück. Heute steht der Euro als stabile und vertrauensvolle Währung für die Einheit Europas. Und wenngleich die Bargeldnutzung in Deutschland in den vergangenen Jahren zurückging, gibt es keine Anzeichen oder Bestrebungen für ein baldiges Verschwinden des Bargeldes oder der Münzen als Zahlungsmittel. Gemäß der Bundesbankstudie »Zahlungsverhalten in Deutschland« enthielten im Jahr 2023 85 Prozent der Portemonnaies Euro-Münzen – im Durchschnitt zwölf Stück mit einem Gesamtwert von fünf Euro.

Besonders häufig sind darunter 1- und 2-Cent Münzen vertreten, die zur betragsgenauen Wechselgeldherausgabe genutzt werden. Durchschnittlich hat jede Person rund zwei Stück dieser Kleinmünzen bei sich. Sie gehen jedoch oft nach wenigen Bezahlvorgängen verloren und verschwinden aus dem aktiven Münzumlauf. Eine Regel für die Rundung bei Zahlungen an der Ladenkasse könnte den Bedarf an 1- und 2-Cent-Münzen gen Null führen. Im Eurobarometer der Europäischen Kommission aus dem Dezember 2024 befürworten 53 Prozent der Bevölkerung in Deutschland eine solche Anpassung, 43 Prozent der Deutschen wollen diese Kleinmünzen behalten. Insbesondere größere Münzen sind jedoch ein fester Bestandteil des deutschen Zahlungsalltags.

Die Bedeutung der Münzen reicht auch heute über das rein Ökonomische hinaus: Ähnlich wie die Münzen des deutschen Kaiserreichs tragen die Euro-Münzen wieder auf einer Seite eine symbolische Darstellung des ausgebenden Staates, während die andere der gemeinsamen europäischen Währung vorbehalten ist. Die Euro-Münzen repräsentieren somit ökonomische und zugleich symbolische und identitätsstiftende Werte, nun diejenigen der europäischen Einheit und Vielfältigkeit.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2025.