Wer kennt nicht das Sprichwort »Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert« oder die Redewendung, dass endlich »der Groschen gefallen ist«. Ein Auslöser für die 95 Thesen Martin Luthers war u. a. das Ablasswesen im 16. Jahrhundert, insbesondere der Ablasshandel durch Johann Tetzel, von dem der Spruch überliefert ist »Sobald der Gülden im Becken klingt im huy die Seel im Himmel springt«. Die Klingelbeutel, mit denen noch heute die Kollekte in evangelischen und katholischen Kirchen eingesammelt wird, hat seinen Namen zum einen von einer kleinen Glocke, die angenäht ist und anzeigt, in welcher Bankreihe sich der Beutel befindet, und zum anderen vom Klingeln der Münzen, die in den Beutel geworfen werden. Weiter sprechen wir vom »Notgroschen«, also der sogenannten eisernen Reserve von privaten Haushalten. Im Märchen »Sterntaler« aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm wird das bitterarme Mädchen, das trotz seiner eigenen Armut aus Mitleid seine Habseligkeiten verschenkt, vom Nachthimmel mit Silbertalern und einem feinen Leinengewand zum Aufsammeln der Taler beschenkt. Geld, und hier besonders Münzen, symbolisieren in der Kunst Reichtum. Der soziale Status wird oftmals durch Münzen angezeigt.
Münzen sind aber auch ein normales Zahlungsmittel. Fast jeder trägt in seiner Tasche zumindest ein paar Cent oder Euro, und viele, so auch ich, sind an der Supermarktkasse gereizt, wenn jemand auf den Cent genau das Kleingeld abzählt und nicht per Karte bezahlt. Münzen sind ebenso ein beliebtes Urlaubssouvenir. Wer reist, bemerkt, wie einfallsreich Münzenprägungen in aller Welt sind, und welche Unterschiede bestehen. Mich fasziniert immer wieder, wie verschieden Münzen gestaltet sind, welche Größe, welches Gewicht und welche Anmutung sie haben. Ich finde viele Münzen einfach schön, ihre künstlerische Kraft beeindruckt mich. In den Fotografien zu diesem Schwerpunkt habe ich versucht, meine Sicht auf sie festzuhalten.
In der Kulturwissenschaft, insbesondere in der Geschichtswissenschaft, spielen Münzen eine große Rolle. Münzen geben Auskunft über das Leben vergangener Zeiten. Sie zeugen wie der archäologisch wertvolle Müll vom Leben, von Handelsbeziehungen, von wirtschaftlichen Krisen und Aufbruchszeiten, von Migration, von Herrschaftsgebaren und Herrschaftsverehrung. Insbesondere bei der Erforschung jener historischen Epochen, zu denen es wenige schriftliche Zeugnisse gibt, sind Münzen wertvolle, unverzichtbare Forschungsquellen. Dies trifft in besonderem Maße auf die Antike zu.
Die Numismatik, die Wissenschaft zur Erforschung von Münzen, erstreckt sich aber nicht nur auf Münzen im Sinne von Hartgeld. Zur Numismatik gehören ebenso Papiergeld und Medaillen. Die Numismatik zählt zu den sogenannten historischen Hilfswissenschaften und reiht sich damit in die anderen Hilfswissenschaften wie Aktenkunde, Archivkunde, Diplomatik, Einbandforschung, Epigraphik (Inschriften auf verschiedenen Materialien), Filigranologie (Wasserzeichenkunde), Genealogie, Heraldik (Wappenkunde), Historische Chronologie, Historische Fachinformatik, Historische Linguistik, Historische Metrologie (Gewichtskunde), Ikonografie, Kodikologie (Handschriftenkunde), Paläografie (Wissenschaft von der Entwicklung der Schrift), Realienkunde (Insignienkunde), Visual History (Historische Bildkunde) und Sphragistik (Siegelkunde) ein. In der genauen Erforschung von Objekten sowie dem Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Objekten liefern sie der Geschichtswissenschaft grundlegende Informationen. Die historischen Hilfswissenschaften werden auch als »kleine Fächer« bezeichnet, da nur sehr wenige Lehrstühle mit auf den jeweiligen Fachgegenstand spezialisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgehalten werden.
Münzen sind aber nicht nur für die Wissenschaft relevant. Sie sind beliebte Sammlungsstücke. Es besteht eine rege Sammlerszene, die teils sehr spezialisiert ist.
Münzkabinette in Museen sind wahre Schatzkammern. Nicht nur wegen des materiellen Werts der ausgestellten Münzen, sondern weil sie anschaulich über die Entstehung und Schwerpunkte von Sammlungen informieren. Münzkabinette deutscher Museen sind daher auch ein lebendiges Zeugnis des Föderalismus und geben Auskunft über die Geschichte und Höhepunkte bestimmter Regionen.
Die Zeit der Münzen neigt sich dem Ende zu. Es ist zwar praktisch, aber dennoch ein kultureller Verlust, dass in manchen Ländern die Zahlung mit Bargeld kaum mehr möglich ist. Und selbst in dem bargeldverliebten Deutschland wird früher oder später das Münzgeld verschwinden.
Dass Münzen nicht nur ein Thema der Geschichtswissenschaft oder unseres aktuellen Zahlungsverhaltens an der Supermarktkasse sind, sondern eine sehr aktuelle Bedeutung haben und ein lebendiges Zeugnis der Demokratie sind, darauf hat mich Olaf Gehrke, Referatsleiter bei der Beauftragten für Kultur und Medien, immer wieder aufmerksam gemacht. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen u. a. Münzen und Medaillen, und er hat mir gezeigt, wie aktuell die Auswahl von Münzmotiven ist und welche künstlerische Kraft bei der Münzgestaltung verlangt wird. Bernhard Weisser, Direktor des Münzkabinetts der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat mir Einblick in die Schönheiten dieser bedeutenden Sammlung gewährt und mich auf besondere Münzen hingewiesen. Bei der Planung dieses Schwerpunkts waren sowohl Bernhard Weisser als auch Olaf Gehrke wichtige Ratgeber. Herzlichen Dank dafür!
Ich wünsche den Leserinnen und Lesern viel Spaß beim Eintauchen in diesen Schwerpunkt zu einem Gegenstand, den jeder tagtäglich in der Hand hält und der doch weit mehr als Geld ist.