»Veduten, evozieren, Retrospektive, Eskapismus, Œuvre, konviviale Arbeitsprozesse …« – Museen, Theater und andere Kultureinrichtungen nutzen eine Sprache, die einiges an Vorwissen voraussetzt. Sie geben sich damit elitär. Dabei sind es meist staatlich geförderte Orte, die allen Menschen offenstehen sollen. Sprache ist eine Barriere, die viele Menschen ausschließt. Beispielsweise Personen, die eine Behinderung haben, die Deutsch lernen oder nicht gut lesen können. Oft reicht es schon, nicht studiert zu haben oder Laie zu sein, um Texte von Kultureinrichtungen nicht zu verstehen.  

Aber es tut sich etwas. Museen, Theater und Spielstätten bemühen sich um Vielfalt, um bauliche und auch sprachliche Barrierefreiheit. Dazu nutzen sie auch Fördergelder. Es gibt inzwischen immer mehr Internetseiten, Ausstellungstexte und sogar erste Theaterstücke in besonders verständlicher Sprache. 

 

Leichte und Einfache Sprache 

Die Begriffe Leichte Sprache und Einfache Sprache werden häufig gleichgesetzt oder verwechselt. Beide Konzepte unterscheiden sich jedoch, z. B. im Sprachniveau und in den Zielgruppen.  

Leichte Sprache wurde für und gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten (geistiger Behinderung) entwickelt. Die Texte sind auf einem sehr einfachen Sprachniveau und daher recht inklusiv. Bei einer Textübertragung in Leichte Sprache müssen wir Hintergrundwissen ergänzen. Dabei handelt es sich z. B. um Erklärungen zu Kunstepochen oder historischen Abläufen. Es ist also streng genommen keine »Übersetzung« in Leichte Sprache, sondern eher eine Neu-Redaktion. Die Texte sollen auch für Menschen mit einer kognitiven Einschränkung verständlich sein. 

Es gibt etwa 40 Regeln für Leichte Sprache. Dazu gehören kurze, einfach strukturierte Sätze, der Verzicht auf Fachwörter und das Bebildern aller Texte. Aber die wichtigste Regel ist, dass alle Texte von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Verständlichkeit geprüft werden. Sie korrigieren als Expertinnen und Experten in eigener Sache den Inhalt und die Gestaltung der Medien, bevor sie veröffentlicht werden. Diese inklusive Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderung zeichnet das Konzept der Leichten Sprache aus. Bedroht wird dieses Verfahren durch aktuell aufkommende automatisierte, KI-basierte Übertragungen in Leichte Sprache, bei denen diese Zielgruppenprüfung fehlt. Leichte Sprache ist Teil der Barrierefreiheit. Zahlreiche Gesetze und Verordnungen schreiben (digitale) Barrierefreiheit vor. Dadurch hat sich Leichte Sprache sehr verbreitet. 

Einfache Sprache ist ein zweites Konzept für mehr Verständlichkeit. Sie richtet sich an Nichtmuttersprachler und an Menschen mit Leseschwierigkeiten. Das Sprachniveau entspricht einer klaren, verständlichen Alltagssprache. Einfache Sprache ist weniger stark geregelt. Sie bietet einen größeren kreativen Spielraum und ist unauffälliger als Leichte Sprache. Dennoch gibt es Schnittmengen zwischen beiden Konzepten. Die Regeln ähneln sich. 

 

Millionen Menschen als Zielgruppe 

Sehr viele Menschen profitieren von einer verständlichen Sprache. Über sechs Millionen Erwachsene in Deutschland haben gemäß der Leo-Studie 2018 der Universität Hamburg Probleme beim Lesen und Schreiben. Die aktuellen PISA-Ergebnisse zeigen, dass etwa ein Viertel der Schülerinnen und Schüler nicht richtig lesen kann. Lesen ist wichtig für gesellschaftliche Teilhabe. Wie soll man sonst Mathetextaufgaben lösen, Anträge stellen oder einen Job finden? Können wir uns leisten, so viele Menschen durch komplizierte Texte auszuschließen? In der Praxis ist es zudem so, dass viele Angebote in Einfacher Sprache auch von Menschen bevorzugt werden, die eigentlich nicht darauf angewiesen sind. Denn wir sind alltäglich mit »Amtssprache«, »Juristendeutsch« oder einer wissenschaftlich geprägten Sprache konfrontiert. Uns begegnen Texte, die unnötig kompliziert sind. Der Grund ist, dass Komplexität gern mit Kompetenz gleichgesetzt wird. Hier können Einfache und Leichte Sprache Zugänge schaffen, nutzer- und bürgerfreundlicher sein. Sie ermächtigen Menschen, sich selbst zu informieren, und verhindern Nachfragen, die Zeit und Geld kosten. 

 

Die Perspektive wechseln 

Je nach Kultureinrichtung stoßen wir auf unterschiedliche sprachliche Hindernisse. In Museen sind die Texte sehr lang und orientieren sich an einer wissenschaftlichen Sprache. Auf Internetseiten findet man nicht immer gleich, was man in den Ausstellungen sehen kann. Im Theater sind es häufig Beschreibungen moderner Stücke, die eine sprachliche Herausforderung darstellen. Die einfache Frage: »Worum geht’s?« wird in den schwierigen und abstrakten Texten oft nicht beantwortet. Diese Information ist jedoch ein wichtiger Impuls, sich für einen Theaterbesuch zu entscheiden. Sehr häufig steht die Sicht der jeweiligen Institution im Zentrum von Broschüren und Internetseiten und nicht das Informationsbedürfnis der Besucherinnen und Besucher. 

Bei Leichter und Einfacher Sprache gehen wir anders vor. Wir wechseln die Perspektive und stellen die Leserinnen und Leser ins Zentrum. Und wir setzen, vor allem bei Leichter Sprache, möglichst wenig Vorkenntnisse voraus. Schreiben wir eine Internetseite für ein Opernhaus, beschreiben wir zunächst, was eine Oper ist. Schwieriger ist es, komplizierte Ticketsysteme zu erklären.  

Wie man eine verständliche Museumsführung sprachlich gestaltet, vermitteln wir in entsprechenden Workshops. Bei den Übungen erleben wir einen interessanten Effekt: In gemäßigtem Tempo einfach zu sprechen fühlt sich ungewohnt an. Die Sprecherinnen und Sprecher denken oft, sie seien zu langsam oder inhaltlich oberflächlich. Bei den Zuhörern ist es genau andersherum: Sie empfinden das verringerte Tempo als angenehm. Sie können gut folgen und sich die Inhalte besser merken als bei einem schnell vorgetragenen, komplizierten Vortrag. 

 

Inklusive Sprache 

Gibt es eine inklusive Sprache, die alle Menschen gleichermaßen erreicht? Unserer Erfahrung nach: nein. Das, was für bestimmte Menschen und Zielgruppen gut ist, kann andere ausschließen. Ein Beispiel ist das Gendersternchen. Es sorgt in Texten für Geschlechtergerechtigkeit. Aber es vermindert dabei die Lesbarkeit und damit Verständlichkeit eines Textes. Hier gilt es, in der Praxis Kompromisse zu finden. Wie schön, dass uns Sprache die Möglichkeit dazu gibt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2024.