Ukraine-Krieg, Klimawandel, Inflation, Rezession: Wir leben in einer Zeit, in der wir mit mehreren großen Krisen gleichzeitig konfrontiert sind, die sich gegenseitig verstärken. Und nicht nur die Menschen leiden unter diesen Krisen, auch die Kultur wird in Mitleidenschaft gezogen. Das sehen wir sehr deutlich in der Ukraine, wo beim russischen Angriffskrieg gezielt Kulturorte wie Theater, Museen, Bibliotheken und historische Gebäude zerstört werden. Bei meiner Reise nach Kiew im Juni 2022 wurde mir schmerzlich vor Augen geführt, warum der Schutz der kulturellen Infrastruktur eigentlich so wichtig ist: Denn Kulturorte und Kulturgüter sind ein entscheidender Teil unserer Identität, daher berührt uns ihr Verlust auch so emotional – und daher ist es so wichtig, den Kulturbereich krisenfest zu machen.

Um zu erkennen, welche Auswirkungen Krisen auf Mensch, Natur, Kultur und Gesellschaft haben können, müssen wir gar nicht ins Ausland schauen. Auch die von vielen nicht für möglich gehaltenen Naturkatastrophen wie die Überflutungen an der Ahr im Sommer 2021 haben uns gezeigt, wie schnell es zum Ernstfall kommen kann. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich Krisen wie im Ahrtal wiederholen, ist leider hoch. Infolge des Klimawandels müssen wir damit rechnen, dass sich Naturkatastrophen in Form von Hochwassern, Stürmen oder Starkregen zuspitzen werden; die Klimakrise mit ihren Extremwetterlagen droht auch in Europa zum Dauerzustand zu werden. Zugleich bleiben die bekannten Gefahren für die kulturelle Infrastruktur auch weiterhin bestehen – dafür stehen beispielhaft der Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek im Jahr 2004 in Weimar und der Einbruch ins Dresdner Grüne Gewölbe im Jahr 2019.

Es gibt also gute Gründe dafür, dass wir vorsorglich in die Widerstandsfähigkeit des Kulturbereichs investieren. Allerdings tritt das Grundproblem der Krisenprävention in Zeiten einer angespannten Haushaltslage besonders deutlich hervor: Die politische Bereitschaft, angemessene Ressourcen zur Verfügung zu stellen, steigt nach jeder Katastrophe an – doch sie ebbt anschließend genauso schnell ab wie die Fluten eines Hochwassers.

Deshalb ist es so wichtig, dass sich Bund, Länder und Kommunen zu ihrer gemeinsamen Verantwortung bekennen, Kulturgüter zuverlässig und systematisch zu schützen. Dabei sind nach der Zuständigkeitsverteilung unseres Grundgesetzes primär die Länder für den Katastrophenschutz verantwortlich. Der Bund ist nach der Haager Konvention von 1954 für den Kulturgutschutz zuständig – konkret das Bundesinnenministerium (BMI) sowie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Zudem steht der Bund in der Kommunikation mit Ländern, Kommunen, Verbänden und weiteren Akteuren bei der Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen sowie als Träger und (Mit-)Förderer von Kulturreinrichtungen in der Verantwortung.
Auf meiner kulturpolitischen Agenda habe ich vor dem Hintergrund der Klimakrise schon früh einen Schwerpunkt auf die Krisenprävention gesetzt. Akut wurde die Situation im Herbst 2022, als sich infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine Gasnotlage abzeichnete, die auch für Kultureinrichtungen bedrohlich erschien. Ich habe damals die Initiative ergriffen und in kürzester Zeit gemeinsam mit den Ländern und Kommunen entsprechende Empfehlungen für den Kulturbereich erarbeitet. Auch wenn der Worst Case in diesem Fall zum Glück nicht eingetreten ist: Diese Empfehlungen sind ein sehr gutes Beispiel für einen funktionierenden Kulturföderalismus. Bund, Länder und Kommunen haben hier kräftig an einem Strang gezogen. Und genau diese enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der unterschiedlichen staatlichen Ebenen brauchen wir auch zukünftig, um gemeinsam unsere kulturelle Infrastruktur resilienter gegenüber Katastrophen zu machen und somit unser Kulturerbe vor Schaden zu bewahren.

Grundsätzlich müssen wir das Thema Krisen- und Katastrophenschutz in ganzheitliche Entwicklungsstrategien unserer Kultureinrichtungen integrieren. Das von mir im vergangenen Jahr gegründete Referat »Kultur und Nachhaltigkeit« befasst sich deshalb intensiv mit der Frage, wie in Zeiten des Klimawandels und sich überlagernder Krisen die Widerstandsfähigkeit im Kulturbereich verbessert werden kann. Mir ist durchaus bewusst, dass es sich dabei um einen komplexen Prozess handelt, bei dem es keine einfachen Antworten gibt. Und schon gar keine, die vom Bund diktiert werden könnten.

Auf Bundesebene setze ich mich auch bei den Ressortabstimmungen vehement für die Belange der Kultur ein – auch hier häufig in enger Abstimmung mit den Ländern. Jüngstes Beispiel ist der Entwurf eines KRITIS-Dachgesetzes, der unter der Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) erarbeitet wird. Erstmalig soll dadurch der physische Schutz kritischer Infrastrukturen auf Bundesebene geregelt werden. Dabei ist unser Ziel, dass die Relevanz des Kulturbereichs für Menschen und Gesellschaft angemessen berücksichtigt wird.

Ein weiteres Beispiel für unser Engagement auf Bundesebene ist die 2022 vom Bundeskabinett beschlossene Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen. Diese Initiative verfolgt das Ziel, Menschen und ihre Existenzgrundlagen besser zu schützen sowie die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit des Gemeinwesens gegenüber Katastrophen zu stärken. Für die Umsetzung der Resilienzstrategie ist ein ressortübergreifender Umsetzungsplan vorgesehen, an dem mein Haus ebenfalls beteiligt ist. Auch bei diesem Thema setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Kultur Rechnung getragen wird.

Impulsgeber für die Resilienzstrategie war unter anderem das SendaiRahmenwerk für Katastrophenvorsorge 2015 bis 2030, das im März 2015 im japanischen Sendai verabschiedet und auch von Deutschland angenommen worden ist. Konkret geht es darum, das Katastrophenrisiko sowie die Verluste durch Katastrophen in Zukunft deutlich zu verringern. Mir ist wichtig, dass dabei auch kulturelle Vermögenswerte von Menschen, Unternehmen, Gemeinwesen und Staaten geschützt werden.

Die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit von zahlreichen kulturgutbewahrenden Einrichtungen in der Notfallvorsorge wurde im Juni 2023 beim bundesweiten Arbeitstreffen der Notfallverbünde in Berlin wieder deutlich. Dabei wurde eindrucksvoll belegt, über welche großen Ressourcen auch zivilgesellschaftliche, nichtstaatliche Akteure verfügen und wie vehement sich diese letztlich aus hoher intrinsischer Motivation einsetzen. Deren Engagement verdient unseren allerhöchsten Respekt!

Auch auf internationaler Ebene ist die Bundeskulturpolitik in Hinblick auf den Kulturgutschutz aktiv. Dies betrifft nicht nur den Ukraine-Krieg. Auch in anderen Ländern sind Kulturorte und Kulturgüter aus unterschiedlichen Gründen bedroht – und in vielen Fällen gibt es keine starken staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Akteure, die für den Schutz und den Unterhalt des Kulturerbes eintreten können. Daher ist es wichtig, dass wir in Hinblick auf den Kulturgutschutz Erfahrungen auf internationaler Ebene austauschen und gemeinsam länderübergreifende Maßnahmen entwickeln. Deshalb hat mein Haus z. B. im April 2023 eine entsprechende internationale Konferenz im Georgischen Nationalmuseum in Tbilisi unterstützt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krisen- und Katastrophenschutz im Kulturbereich in den letzten Jahren stärker ins Bewusstsein der Kulturpolitik und der Kulturakteure gerückt ist. Seit der Katastrophe im Ahrtal und dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist vielen klar geworden, was auf dem Spiel steht. Deshalb gibt es in der Kulturpolitik mittlerweile zahlreiche operative Maßnahmen, die weiter vorangetrieben werden müssen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei der enge Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen. Die Bundeskulturpolitik wird dabei weiterhin ein zuverlässiger Partner sein – nicht nur nach der nächsten Flut.

Denn eines ist klar: Die Kulturpolitik muss jetzt vorsorglich handeln und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Dabei kann die Rolle der Kultur für unser Gemeinwesen grundsätzlich gar nicht überschätzt werden. Gerade in Krisensituationen wird deutlich, wie sehr wir die Kultur brauchen: als Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, als Lebenselixier unserer Demokratie.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.