Andrea Schönhuber-Majewski ist Expertin für Unterhaltungsproduktion im TV. Politik & Kultur gibt sie Einblick in die Produktion von Unterhaltungsformaten und deren Rolle sowie Bedeutung.

Was kennzeichnet die Produktion von Unterhaltungsformaten für Film und Fernsehen? Worauf kommt es dabei an?

Unterhaltungsformate bedienen zwei wichtige Bedürfnisse: das Gefühl von Gemeinschaft und das Ausbrechen aus dem Alltag. In der Angebotsvielfalt unserer konvergenten Medienwelt ist das Live-Event als ein die Gesellschaft verbindendes Ereignis noch bedeutsamer geworden. Und auch die Inseln im Alltag, an denen wir Sorgen oder unsere täglichen To-do-Listen mal hinter uns lassen, werden wichtiger. Wir alle spüren, dass wir in bewegten Zeiten leben. Unterhaltungsformate bieten die Möglichkeit, gemeinsam oder allein abzuschalten. Und bekannte Show- und Doku-Soap-Gesichter bieten Konstanz in einer für viele unsicherer gewordenen Zeit.

Aus produzentischer Sicht ist allerdings noch ein weiterer Faktor entscheidend, der ebenfalls mit der Angebotsvielfalt zu tun hat: Bekannte Marken allein sind kein Garant mehr für einen Publikumserfolg. Es braucht konsequente Weiterentwicklung und fokussierte Talentförderung – vor und hinter der Kamera. Doch diese kostet Zeit und Geld und erfordert Mut, neue Wege zu gehen.

Welchen Marktanteil haben Unterhaltungsformate in Film und Fernsehen allgemein? Wie ist das Verhältnis zwischen Produktionen für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk?

Wir haben konkrete Zahlen bis Ende 2020, die zeigen, dass diese Anteile auch in der Pandemie stabil geblieben sind. Von rund 690.000 Minuten Gesamtauftragsproduktionsvolumen in Deutschland fallen rund 100.000 auf Fiction, etwa 420.000 auf TV-Entertainment und rund 160.000 Minuten auf Doku-Formate. Daneben gibt es natürlich noch ein großes Volumen an Eigenproduktionen, insbesondere bei den ARD-Sendern.

Das Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern als Auftraggeber für deutsche TV-Produktionen hat sich in den vergangenen Jahren nur marginal geändert. Die privaten Sender halten hier mit knapp 60 Prozent den größeren Anteil.

Wie ist die Nachfrage konkret? Welche Formate und Themen werden speziell gesucht?

Das Produktionsvolumen von Entertainment-Inhalten ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Eine Studie zur Film- und Fernsehproduktion in Nordrhein-Westfalen weist ein Wachstum von 15 Prozent zwischen 2015 und 2020 aus. Dabei ragen TV-Shows mit einem Wachstum von 40 Prozent besonders heraus. Eine Folge der Pandemie ist, dass Doku-Soaps deutlich abgenommen haben, da diese häufiger abgesagt oder verschoben werden mussten.

Doch so rosig, wie das die erwähnten Zahlen für unsere Branche vermuten lassen würden, sieht die Zukunft der Entertainment-Produzentinnen und -Produzenten derzeit nicht aus. Die Werbeeinnahmen der Sender schrumpfen und die Programmbudgets leider auch. Gleichzeitig leiden wir Produzenten unter höheren Kosten für Personal und Künstler.

Die Sender suchen verstärkt nach Doku-Soaps und Factual-Entertainment-Formaten. Denn natürlich sind die Kosten für diese Formate nicht mit den Budgets von großen Entertainmentshows vergleichbar. Schaut man sich allerdings die Primetime-Quoten an, so haben die großen Shows noch immer die größte Strahlkraft.

Wie sehen Sie die Zukunft von Unterhaltungsformaten aus Produzentensicht? Welche Bedeutung kommt diesen zu?

Wenn wir uns anschauen, was Menschen heute in den sozialen Medien teilen, was sie begeistert, dann sind das bezogen auf Bewegtbildinhalte genau unsere Entertainment-Formate. Dann sind das die großen Samstagabendshows.

Für die Entertainment-Produzenten sehe ich das als große Chance: Die Nachfrage wird weiter steigen, wenn wir es schaffen, Formate auch für neue Zielgruppen zu entwickeln. Wichtig ist, dass wir die Vielfalt unserer Gesellschaft mitdenken. Das bedeutet eben nicht ein Format für alle, sondern bunte, zielgruppenorientierte und auch experimentelle Programme.

Und auch das Loslösen aus dem Alltag wird immer gefragt sein. Mich hat kürzlich die Schilderung der ukrainischen Pianistin Marta Kusij beeindruckt. Ihre Worte zum Kriegsalltag in der Ukraine unterstreichen – sicherlich an einem Extrembeispiel – die Bedeutung von Unterhaltung: »Solange es hell ist, erledigt man erst einmal die Dinge, die vor dem nächsten Stromausfall erledigt werden müssen, und dann ist es Zeit für Kunst und Musik.«

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2023.