Ein entspannender Besuch im Hamam ist mittlerweile in vielen deutschen Großstädten neben dem hierzulande auch schon klassischen Gang in die (finnische) Sauna möglich. Doch woher kommt das Reinigungsritual eigentlich? Wie sind die traditionellen Abläufe? Und welche soziale und kulturelle Komponente bringt der Besuch mit sich? Politik & Kultur fragt bei Cornelia Klammt nach, die während ihrer Arbeit in einem Hamam auf Unwissen und Vorurteile stieß – und dann ein Buch zum Thema schrieb.
Was kennzeichnet die Hamamkultur genau?
Hamam, arabisch »wärmen«, bezeichnet ein jahrhundertealtes traditionelles Bade- und Reinigungsritual. Dabei geht es nicht nur um die körperliche und seelische Reinigung, sondern um sozialen Austausch. Analog zu den römischen Bädern, die neben dem Wechsel von kaltem und warmem Wasser Literatur, Bildung, Sport und Austausch anboten, war ein Hamam ein gesellschaftlicher Treffpunkt. Neben der Körperpflege und Rasur wurden hier Geschäfte geschlossen, Ehen geplant und die neuesten Nachrichten verbreitet. Dabei blieben die Geschlechter getrennt. Auch heute bieten Hamams spezielle geschlechterspezifische Öffnungszeiten an. Im Gegensatz zur deutschen Sauna ist niemand im Türkischen Bad nackt. Ein spezielles Baumwolltuch –»Pestemal«, in Nordafrika »Fouta« – wird bei Männern über der Hüfte und bei Frauen über der Brust geknotet.
Die Reinigungsprozedur im öffentlichen Badehaus – übrigens trotz hoher Luftfeuchtigkeit kein Dampfbad – findet mit Wasserdampf, Wärme und viel Wasser nach einem bewährten Ritual statt. Bei einer Aufwärmphase in milder Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit werden die Muskulatur gelockert und Hautporen geöffnet. Anschließend erfolgt ein Peeling mit einem speziellen Handschuh, »Kese«, der ursprünglich aus Ziegenhaar hergestellt wurde. Dieses Ganzkörper-Peeling findet auf einer typischen Marmorliege statt. Lange reinigende, angenehm temperierte Wassergüsse aus der Messing- oder Kupferschale, »Tas«, spülen die abgestorbenen Hautschüppchen weg. Die Krönung eines Hamambesuches bildet eine Seifenschaum-Massage. Mit einem in Seifenschaum getränkten Leinenbeutel werden dazu Unmengen von warm-duftendem Schaum erzeugt, die über den liegenden Badegast ausgebreitet werden. Eine kräftige Massage lockert anschließend die Muskulatur, bevor erneute Wassergüsse die Reinigung vollenden. Wohliges Nachruhen bei Tee oder kleinen Speisen in einem etwas kühlerem Raum vervollständigt die Entspannung.
Das traditionelle Hamam besteht aus drei Räumen, dem »Camekan« zum Umkleiden, dem »Hararet«, dem Dampfzimmer als Raum für Massagen und Reinigung sowie dem »Sogukluk«, dem Kälteraum zum Nachruhen und Erholen. Wurde ein Hamam an einer Quelle oder einem Fluss errichtet, ist oft traditionell ein warmes Wasserbecken »Sicaklik« vorhanden.
Wo liegen die Ursprünge der Hamamkultur? Wie hat sie sich im Laufe der Zeit entwickelt?
Egal ob Türkisches, Persisches, Osmanisches Bad: Das Hamam hat viele Väter. So lassen archäologische Funde aus dem 7. bzw. 8. Jahrhundert sowie historische Schriften in Persien auf ein früheres Nutzen schließen, so in der irakischen Stadt Basra. Andere Quellen orten den Ursprung des Osmanischen Bades Mittelanatolien und Istanbul zu. Im 9. Jahrhundert luden in Bagdad und Almanon 65.000 öffentliche Bäder ein. Die verschiedenen Waschungen vorschreibende Islamisierung förderte die Verbreitung des Reinigungsrituals. Prachtvolle Bauten mit getrennten Männer- und Frauenbereichen entstanden bis zur Iberischen Halbinsel oder im griechischen Thessaloniki. Hier wurde erst 1968 der Betrieb des 1444 entstandenen Bey Hamam eingestellt. Nach der Besetzung von Konstantinopel im Jahr 1453 durch Sultan Mehmed II. verbanden sich die byzantinische und osmanische Badekultur. In Istanbul verwöhnen noch mehrere der im 15., 16., 17. oder 18. Jahrhundert erbauten und restaurierten Badehäuser. Budapest bietet weitere während der osmanischen Besetzung im 16. bzw. 17. Jahrhundert entstandene Bäder. Die kraftvollen und teils brachialen Griffe während der Reinigungsprozedur wurden seit den 1990er Jahren mit der Wellness-Welle in Mitteleuropa aufkommenden Türkischen Bädern angepasst.
Welche kulturelle und auch gesellschaftliche Bedeutung hat das Haman?
So wie der Islam mit seinen Reinigungsgeboten und den Eroberungsfeldzügen die Verbreitung der orientalischen Badekultur förderte, bildete das Hamam, losgelöst von religiösen Zusammenhängen, einen sozialen Treff. Mit dem Aufkommen eigener Bäder entfiel diese Funktion. Trotzdem verabreden sich heute noch Gruppen zum gemeinsamen Reinigungsritual. Der einzelne Mensch mit seinem individuellen Wunsch nach Wohlfühlen und Reinigen steht im Mittelpunkt. Die Streichungen der Anwender bei Peeling oder Massage bieten einen Körperkontakt, der bei aller geforderter Distanz die Sehnsucht nach menschlicher Wärme und Nähe stillt. Das gesellschaftlich lautstarke Leben wich im Hamam – wo oft auf Ruhe geachtet wird – der zeitgemäßen inneren Einkehr; umhüllt von Wärme, Wasser und duftendem Seifenschaum.