Kaum ein Thema hat in diesem Jahr so viel Aufmerksamkeit erhalten wie Künstliche Intelligenz. Seit die neueste Version vom dialogbasierten Chatbot ChatGPT der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung steht, hat die Debatte über die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz stark an Fahrt gewonnen. Auch der Deutsche Kulturrat diskutiert derzeit im Fachausschuss Urheberrecht eine Positionierung der Kulturbranchen zu Künstlicher Intelligenz. Denn nicht nur ChatGPT, sondern auch die ersten Klageverfahren zu grafikgenerierenden KI-Anwendungen wie Stability AI lassen erahnen, wie viele rechtliche, kulturpolitische und ethische Fragen sich mit diesen neuen technischen Möglichkeiten stellen und beantwortet werden wollen. Sind KI-generierte Inhalte urheberrechtlich geschützt? Braucht es einen eigenen Leistungsschutz? Wem soll der Schutz zugerechnet werden? Die Games-Branche setzt KI-Anwendungen schon seit Jahren routiniert ein, und dieser Beitrag will auf der Grundlage dieser Erfahrungen erste Antworten und Lösungsvorschläge für die KI-Debatte aufzeigen.

Bei Künstlicher Intelligenz handelt es sich – zumindest bisher – vor allem um Anwendungen für maschinelles Lernen. Es werden also anhand eines Daten-Corpus Muster und Schemata abgeleitet, um auf einen Eingabebefehl (Promt) hin eine Lösungsvariante anzubieten. Je nach Einsatzgebiet werden bereits teils erstaunliche und durchaus verwertbare Ergebnisse erzielt. In der Games-Branche werden KI-Anwendungen beispielsweise bei der Bildgenerierung eingesetzt, um die Vorlagen für die Gestaltung einer neuen Spielewelt zu erarbeiten. Hier kann die Arbeitszeit einer Games-Designerin oder eines -Designers für eine Grafik perspektivisch von mehreren Tagen auf wenige Stunden ohne merklichen Qualitätsverlust reduziert werden. Auch für die darauf aufbauende »Procedural Content Generation« zur Generierung von Spielewelten werden Programme eingesetzt, die die grafisch gestalteten Elemente in einer Spielewelt nach den Vorgaben des Lead-Designs ergänzen und inzwischen auch mit Schattenwurf und aus verschiedenen Perspektiven passgenau einfügen. Hier ist noch viel Entwicklungspotenzial, da Spielewelten immer größer und vielfältiger werden und entsprechend der Arbeitsaufwand wächst. Aber auch bei der Erarbeitung der Spiele-Levels wird maschinelles Lernen bereits genutzt. So können mit dem KI-Modell MarioGPT endlos lange Level für den Geschicklichkeitsklassiker »Super Mario Bros.« nach User-Vorstellungen generiert werden. Auch die Liveanpassung des Schwierigkeitsgrades des »KI-Gegners« in Spielen wird immer granularer und maximiert damit das Spielerlebnis. Bei der Textgenerierung für Spiele und insbesondere bei der automatisierten Übersetzung dieser Texte wird KI bereits flächendeckend eingesetzt, sodass immer weniger Übersetzerinnen und Übersetzer bei der Lokalisierung von Spielen benötigt werden; häufig werden diese vor allem noch für die Qualitätskontrolle eingesetzt. Auch für die Hintergrundmusik und den sogenannten Sound kommen KI-Anwendungen schon zum Einsatz, gerade vor dem Hintergrund, dass die Games-Branche nahezu ausschließlich GEMA-freie Musik verwendet und dies bei KI-generierter Musik wohl in der Regel gewährleistet ist. Neu ist der Einsatz von KI für die Stimmlokalisierung, also die künstliche Synchronisation einer Übersetzung mit der Stimme der Originalsprecherin bzw. des Sprechers. KI-Übersetzungen spielen auch bei Liveübersetzungen von Chats eine wachsende Rolle, damit Spielerinnen und Spieler aus der ganzen Welt nicht nur gemeinsam spielen können, sondern sich auch besser verstehen. So wie in vielen anderen Branchen auch werden im Kundenservice schon häufig Chatbots eingesetzt, um die häufigsten Fragen schnell und systematisch beantworten zu können. Geradezu schon Klassiker des KI-Einsatzes bei Games sind »Bug Tracking« und »Bug Fixing« inklusive der Datenbereinigung und weiterer Nutzungsanalysen, die bei der Verbesserung des Spielablaufs helfen, Probleme aufzeigen und teilweise auch schon beheben. Außerdem können KI-Anwendungen bei der Content-Moderation unterstützen, um Hass und Hetze erkennen und löschen zu können – sogenannter Auto-Ban; und auch Betrug kann durch Programme zur »Fraud Prevention« und zu »Cheating Detection« verhindert oder zumindest minimiert werden. Alles in allem tragen KI-Anwendungen bei der Games-Entwicklung dazu bei, diese zu beschleunigen und auch zu verbessern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Damit bietet der Einsatz solcher Programme für den deutschen Entwicklungsstandort eine große Chance, gegenüber Billiglohnländern international wettbewerbsfähiger zu werden.

Ob sich diese Chance realisieren kann, hängt unter anderem davon ab, ob und wie der urheberrechtliche Rahmen für den Einsatz von KI ausgestaltet ist. Gerade am Beispiel KI-generierter Grafiken wird dies deutlich. Grundsätzlich kann es nach bislang wohl vorherrschender Meinung keinen Urheberrechtsschutz für solche von einem Programm erstellten Grafiken geben, weil die Urheberschaft Ausdruck des persönlichen Werkschaffens eines Menschen ist. Das heißt aber nicht, dass die Ergebnisse dieses Schaffensprozesses keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. Denn sofern sie in einem Computerspiel verwendet werden, greift das Herstellerleistungsschutzrecht – so wie auch beim Filmhersteller. Zumindest Spiele-Entwickler haben damit ausreichende Rechte, die sie über einen Publishing-Vertrag zur weiteren Auswertung einem Publisher übertragen können und auf die sie sich auch für die Rechtsdurchsetzung berufen können. Auch die Kreativen, die unter Zuhilfenahme einer KI-Anwendung eine Grafik erstellen, werden in der Regel – jedenfalls in der Games-Branche – angemessen vergütet. Die meisten Lead-Designer sind fest angestellt und bei Start-ups oft sogar am Unternehmen beteiligt. Agenturen oder freischaffende Kreative hingegen können die Nutzung vertraglich regeln und eine angemessene Vergütung vereinbaren. Ein gesonderter, über den bestehenden urheberrechtlichen Rahmen hinausgehender Schutzbedarf gibt es im Games-Bereich also nicht. Ganz im Gegenteil – würde für jeden KI-generierten Inhalt ein urheberrechtlicher Schutz geschaffen, gäbe es eine Flut an Schutzrechten, die die Rechteauswertung erschweren und aufgrund des Urhebervertragsrechts mit seinen zwingenden Vorgaben zu unüberschaubaren Risiken führen würden. Insofern spricht aus Sicht der Entwickler und Publisher von Games sehr viel dafür, den urheberrechtlichen Rahmen zu belassen, wie er ist.

KI-Anwendungen sind aus der Erfahrung der Games-Branche letztendlich lediglich Werkzeuge, die es Kreativen erlauben, rein handwerkliche und teils repetitive Tätigkeiten zu automatisieren und sich damit wieder auf den Kern künstlerischen Schaffens zu konzentrieren – die individuelle und originelle Werkschöpfung. Insofern könnte die Verbreitung von KI-Anwendungen durchaus dazu führen, dass es weniger Urheberinnen und Urheber gibt und viele am kreativen Schaffensprozess Beteiligte ohne Urheberrechtsschutz blieben. Es würde stärker zwischen originär werkschöpfenden und weniger kreativen und eher assistierenden Tätigkeiten unterschieden – wobei Erstere wegen ihrer Originalität zu Recht über die urhebervertragsrechtlichen Regelungen am Auswertungserfolg partizipieren, Letztere hingegen lediglich für ihre Arbeitszeit so wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach den Vorgaben der Tarifverträge auf Stundenbasis vergütet würden. Mit Blick auf das urheberrechtliche Schöpferprinzip, das die persönlichen, geistigen Beziehungen an einem Werk schützen soll, wäre dieses Ergebnis durchaus logisch. Denn wer lediglich eine Maschine betätigt, wird wohl gerade keine »seelische Verbindung« zu dem Ergebnis aufbauen. Die KI-Debatte zwingt uns also, uns ehrlich zu machen und eine klare Grenze zwischen Werkschöpfungen und einem technischen Prozess zu ziehen. Alles andere wäre auch nicht fair gegenüber den Urheberinnen und Urhebern, die trotz oder gerade wegen KI-Anwendungen weiterhin wichtig sind, um die Corpora der KI weiterhin mit neuen Werken füttern zu können.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2023.