Die Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die folgende Energiekrise, aber auch langfristige Entwicklungen wie die Erderhitzung stellen unsere gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen – und mit ihr die Kultur. Die Schließungen von Kultureinrichtungen in der Pandemie haben uns drastisch vor Augen geführt, was fehlt, wenn Kultur fehlt. Gerade in Krisen ist sie besonders wichtig, denn sie ist der Ort, an dem wir uns über unsere Werte, Ideale, Träume und Alpträume austauschen.

Aber Kultur ist auch besonders anfällig für Krisen und Gefahren. Nach Zählung der UNESCO hat der Angriff Russlands bereits mehr als 250 Kulturstätten in der Ukraine beschädigt; sieben Welterbestätten sind in Gefahr. Auch Naturkatastrophen wie 2021 die Schlammfluten im Ahrtal gefährden Museen und Archive und zerstören Baudenkmäler. Wir müssen erkennen: Wir sind auf solche Situationen zu wenig vorbereitet.

In Hessen haben sich mehrere Notfallverbünde gegründet, um besser vorzusorgen. In Marburg etwa haben wir 2022 eine Vereinbarung unterzeichnet, an der aus meinem Ressort unter anderem die Philipps-Universität, das Hessische Staatsarchiv, das Institut für geschichtliche Landeskunde und das Landesamt für Denkmalpflege beteiligt sind. Der Verbund will im Austausch mit Feuerwehr und Polizei die Notfallvorsorge auf eine gemeinsame Grundlage stellen und die Kräfte der »KulturGutRetter« bündeln. Vergleichbare Verbünde gibt es in Darmstadt, Wiesbaden sowie Kassel und Nordhessen. Das ist ein sinnvoller Weg, weil die Verbünde die jeweilige Situation, aber auch die Expertise der Einrichtungen am besten aufgreift.

Aber Krisen und Katastrophen gefährden nicht nur materielle Kulturgüter, sondern auch die Strukturen von Kunst und Kultur. Auch hier hat die Coronapandemie wie ein Brennglas gewirkt. Wir haben in Hessen aus dieser Zeit schon gelernt und beispielsweise angesichts der zeitweise schwer zu durchschauenden Hilfsprogramme Strukturen zur Förderberatung aufgebaut. Daran wollen wir anknüpfen: Unser Masterplan Kultur, Anfang des Jahres vorgestellt, ist die erste Kulturentwicklungsplanung eines Bundeslandes, die Lehren der Pandemie und aktuelle Fragen der Kulturpolitik bündelt. Aus einem breiten Beteiligungsprozess sind tragfähige Handlungsempfehlungen hervorgegangen. Für manche braucht es Geld – wir haben für erste Maßnahmen im aktuellen Doppelhaushalt 2023/2024 insgesamt 6,7 Millionen Euro zusätzlich eingestellt. Für andere braucht es vor allem »Hirnschmalz«. So haben wir die Anregungen bereits in eine neue Förderrichtlinie umgesetzt, die Verfahren vereinfacht und Bürokratie abbaut. Ein Kulturbericht soll mehr Transparenz schaffen. Und wir wollen den Dialog fortsetzen.

Zentral bleibt allerdings die Frage, wie Künstlerinnen und Künstler besser abgesichert werden. Hier wird es unter anderem wichtig sein, die Künstlersozialkasse so zu reformieren, dass sie für ein breites Spektrum an Kreativen auch in Krisen tragfähig ist – hier ist auch der Bund gefragt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.