Die Gefährdung und Zerstörung von Kulturgütern durch militärische Konflikte, Naturkatastrophen und nicht zuletzt den Klimawandel werden uns fast täglich vor Augen geführt. Die Bewahrung des kulturellen Erbes der Menschheit für zukünftige Generationen stellt somit eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe dar. Doch welche Rolle können hierbei Universitäten und andere Forschungseinrichtungen spielen? Sie engagieren sich vor allem auf dem Feld der langfristigen Vorsorge. Drei Bereiche stechen dabei besonders hervor: Dokumentation, Inwertsetzung sowie Aus- und Weiterbildung. Das soll hier anhand des Beispiels der Universität Heidelberg dargestellt werden. An ihr wurde im Jahr 2013 als fächerübergreifende Einheit das Heidelberg Center for Cultural Heritage (HCCH) begründet, in dem die universitären Aktivitäten zur Erforschung und Bewahrung des kulturellen Erbes gebündelt sind. An einer Reihe von anderen Hochschulstandorten im In- und Ausland sind ähnliche Strukturen entstanden.

So arbeiten Universitäten weltweit unter Hochdruck an der detaillierten Dokumentation des kulturellen Erbes in all seinen Facetten. Gerade bei Kulturgut, das sich aus unterschiedlichen Gründen in Gefahr befindet, ist eine möglichst umfangreiche Erfassung des vorhandenen Bestandes von großer Bedeutung. Dabei spielen die sogenannten Kleinen Fächer in den Geisteswissenschaften eine wichtige Rolle, denn diese decken mit ihrer Expertise weite Felder der Menschheitsgeschichte ab. Heidelberger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erforschen beispielsweise assyrische Palastanlagen in der vom IS zerstörten Stadt Mossul, dokumentieren die von einem großen Erdbeben verursachten Schäden sowie die Restaurierungsmaßnahmen an Monumenten in Nepal oder speichern in einem Tonarchiv vom Aussterben bedrohte semitische Sprachen und Dialekte.

Bei allen diesen Projekten spielen neue Techniken wie die 3D-Digitalisierung von Objekten und Denkmälern, aber auch großflächige Laserscans zur Erfassung ganzer Kulturlandschaften oder zur Identifizierung bislang noch unbekannten Kulturerbes eine wichtige Rolle – zusammengefasst wird dies unter dem Stichwort »Digital Heritage«. Nun mag man darüber diskutieren, ob ein Digitalisat jemals das Original ersetzen kann – und inwieweit das wünschenswert ist –, aber es steht außer Frage, dass gerade bei dem drohenden Verlust von Kulturgütern digitale Daten von großem Wert sind, da sie als Wissensspeicher dienen und bei möglichen Rekonstruktionen helfen können.

Aufbauend auf diesen Dokumentationen entwickeln Forscher und Forscherinnen ferner Verfahren und Leitlinien, um Kulturgüter zu schützen und ihren Wert der breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Wichtig ist es dabei zunächst, durch Aufklärungsarbeit ein Verständnis für die Gefährdung von Kulturgut etwa durch Raubgräber oder den illegalen Kulturgütertransfer zu wecken, wobei diese Probleme oft schon vor der Haustür beginnen. Das HCCH hat sich durch verschiedene Maßnahmen und in intensiver Zusammenarbeit mit Museen, Landesdenkmalämtern und Ermittlungsbehörden diesem »Awareness Raising« verschrieben, so etwa durch eine Summer-School-Reihe zum Thema »Gefährdung und Schutz von kulturellem Erbe« oder durch eine Ausstellung mit dem Titel »Stolen Past – Lost Future«, die von den griechischen Kulturbehörden konzipiert wurde.

Nicht wenige Orte können zudem als verborgenes Kulturerbe gelten, das zwar nicht unmittelbar gefährdet ist, aber in Vergessenheit zu geraten droht und dadurch seinen gesellschaftlichen Wert verliert. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, sind Maßnahmen zur Instandhaltung und Inwertsetzung solcher Stätten nötig, wo immer möglich unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. So betreibt das HCCH seit mehreren Jahren ein Projekt auf dem Gelände der ehemaligen Niederburg Wersau bei Reilingen: In intensiver Zusammenarbeit mit einem Verein von Ehrenamtlichen sind die Reste der Burg archäologisch und bauhistorisch untersucht worden. Zudem wurde eine App erstellt, welche die Ausgrabungsbefunde im Rahmen eines Präsentationskonzepts auch in Zukunft erfahrbar machen wird.

Ein genuines Aufgabenfeld von Hochschulen ist schließlich die Aus- und Weiterbildung von jungen, aber auch älteren Menschen. Gerade hierdurch kann die Bewahrung des kulturellen Erbes künftig durch noch mehr Expertise, aber auch mit kritischer Reflexion gewährleistet werden. Am HCCH wurde daher vor Kurzem ein Master-Studiengang zu »Cultural Heritage und Kulturgüterschutz« etabliert, der mit zahlreichen außeruniversitären Kooperationspartnern durchgeführt wird. Vermittelt werden soll hier das Rüstzeug, mit dem einerseits in akuten Krisen auf Bedrohungen von Kulturgütern zu reagieren ist und mit dem andererseits längerfristige Konzepte für den Schutz und die Vermittlung des kulturellen Erbes erarbeitet werden können. Dies umfasst auch die praktische Ausbildung an Objekten in den universitären Sammlungen, um den Umgang mit den unterschiedlichsten Materialgruppen zu erlernen; ferner stehen Kurse in Notfallkonservierung auf dem Lehrplan. Darüber hinaus werden die Studierenden mit den theoretischen und juristischen Prämissen des Kulturgüterschutzes und der Denkmalpflege vertraut gemacht. Ein weiterer Fokus liegt auf den Chancen und Risiken der Digitalisierung von Kulturgütern.

Auf diese Weise können die Hochschulen einen wichtigen Beitrag zum Schutz des kulturellen Erbes und dessen Bewahrung für künftige Generationen leisten: Durch Grundlagenforschung dokumentieren sie die vielfältigen Facetten menschlicher Hinterlassenschaften und Praktiken; darauf aufbauend entwickeln sie Konzepte zum Schutz und zur Präsentation gefährdeter bzw. vergessener Stätten; und sie bilden schließlich eine neue Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus, die über eine spezielle Expertise in den hierfür erforderlichen Feldern verfügt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.