Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer haben am 12. März einen umfassenden Beschluss zur Künstlichen Intelligenz (KI) gefasst, der die künftige Bundesregierung auffordert, die technologische Souveränität zu sichern, die KI-Standorte Europa und Deutschland zu stärken und die Urheberrechte zu schützen. Wörtlich heißt es in der gemeinsamen Erklärung: »Künstliche Intelligenz ist mehr als nur eine technologische Innovation – sie verändert grundlegend, wie wir lernen, arbeiten und Informationen verarbeiten. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, insbesondere in Sozialen Medien, stellt zudem für die Demokratie eine wachsende Herausforderung dar. Auch in Bezug auf Desinformation sind Kenntnisse über die Möglichkeiten von KI zur Erzeugung und Verbreitung von Inhalten zunehmend wichtig – auch um gegebenenfalls notwendige regulatorische Maßnahmen zu ergreifen.« Auf europäischer Ebene, so der Beschluss, müssten darüber hinaus gemeinsam Lösungen für den Schutz geistigen Eigentums gefunden werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der nationalen KI-Strategie Möglichkeiten zur Nutzung von anonymisierten und pseudonymisierten Daten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung zu schaffen und dezentrale Systemansätze stärker zu berücksichtigen, die das Training von KI-Modellen auf breiteren und vielfältigeren Datensätzen ermöglichen, ohne dass sensible Daten zu zentralen Servern übertragen werden. Damit werde das Vertrauen in KI-Anwendungen gestärkt.

Die Forderung der Regierungschefinnen und -chefs der Länder knüpft an die KI-Verordnung der Europäischen Union an, die seit Februar dieses Jahres in Deutschland in Kraft ist. Die Verfügung will mögliche Risiken dieser neuen Technologie für die Sicherheit und Grundrechte der Bürger reduzieren. Mit ihr wird ein einheitlicher Rahmen für alle EU-Länder eingeführt, der auf einer zukunftsgewandten Begriffsbestimmung für KI und einem risikobasierten Ansatz beruht. Die meisten KI-Systeme, z. B. Spamfilter und KI-gestützte Videospiele, unterliegen keinen besonderen Verpflichtungen, doch Unternehmen können freiwillig zusätzliche Verhaltenskodizes aufstellen. Systeme wie Chatbots müssen ihre Nutzer darauf hinweisen, dass sie es mit einer Maschine zu tun haben, und dass bestimmte durch KI erzeugte Inhalte als solche gekennzeichnet werden müssen. Die neue Anordnung wird dafür kritisiert, dass sie zu unklar sei, da zu viele Begriffe und Konzepte definiert oder verwendet werden, die vage, mehrdeutig oder umstritten seien. Dies könnte einen Konflikt mit anderen bestehenden oder geplanten Rechtsvorschriften auf EU- oder nationaler Ebene hervorrufen. Fachleute bemängeln zudem, dass es zu viele Ausnahmen oder Schlupflöcher sowie mangelnde oder unangemessene Haftungen oder Sanktionen für die Anbieter von KI-Systemen, die Schäden verursachen, gibt.

 

Klage gegen illegale Nutzung von Inhalten für KI-Training

Doch unabhängig von effektiveren EU-weiten Regelungen, die dazu dienen könnten, bei der Künstlichen Intelligenz nicht nur technologisch aufzurüsten, sondern auch die Urheberrechte der Kreativen besser zu schützen, geht die illegale Nutzung von Inhalten zum Training von KI-Systemen weiter. Vor allem US-Anbieter sind hier Vorreiter, denn die europäischen Verordnungen gelten in anderen Regionen nicht.

Im November hatte die GEMA als erste Verwertungsgesellschaft weltweit eine Klage wegen unlizenzierter Nutzung von geschützten Musikwerken gegen einen Anbieter von Systemen generativer Künstlicher Intelligenz erhoben. Konkret geht es um das US-amerikanische Unternehmen OpenAI, den Betreiber autogenerativer Chatbot-Systeme. Die GEMA wirft, nach eigenen Angaben, OpenAI vor, geschützte Songtexte von deutschen Urheberinnen und Urhebern wiederzugeben, ohne dafür Lizenzen erworben beziehungsweise die Urheberinnen und Urheber der genutzten Werke vergütet zu haben. OpenAI hat sich zum weltweit führenden Anbieter im Bereich generativer KI entwickelt und erwirtschaftet mittlerweile Umsätze in Höhe von mehr als zwei Milliarden Dollar jährlich.

Im Januar verklagte die GEMA Suno Inc., eine amerikanische Anbieterin von KI-generierten Audioinhalten. Sie beklagt, dass geschützte Aufnahmen weltbekannter Songs aus dem Repertoire der GEMA in dem Tool ohne Vergütung verarbeitet worden seien. Andere Verwertungsgesellschaften prüfen gegenwärtig ebenfalls juristische Schritte wegen der nicht genehmigten Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte.

Auch bei KI-generierten Werken seien bereits die bestehenden europäischen Regelungen zum Urheberrecht zu beachten, das geht aus einer Erklärung des Bundesministeriums der Justiz vom März vergangenen Jahres hervor. Das gelte auch für die Erhebung und die Nutzung von sogenannten Trainingsdaten im Rahmen des Lernens der KI. Wörtlich heißt es: »KI-Diensteanbieter und Nutzer solcher Dienste müssen sich also bei der Nutzung fremder Inhalte an die geltenden Gesetze halten.« Beim Training von KI-Anwendungen stelle sich die Frage, ob die Vervielfältigung der geschützten Inhalte für das maschinelle Lernen erlaubt sei oder nicht. Rechtsinhaber, die eine Nutzung ihrer im Internet veröffentlichten Texte als Trainingsdaten für softwarebasierte Textgeneratoren verhindern wollen, könnten einen entsprechenden Vorbehalt im Rahmen der eigenen Internetpräsenz erklären. Habe der Rechtsinhaber ein sogenanntes ›Opt-out‹ erklärt, dürfe sein Inhalt nicht für das Training der KI-Software genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe geschützter Inhalte, z. B. also die Veröffentlichung im Internet, ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers sei grundsätzlich nicht zulässig. Auch die Bearbeitung und Umgestaltung eines Werkes dürften nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden, sofern kein hinreichender Abstand zum benutzten Werk gewahrt werde. »Sind die benutzten Werke im KI-generierten Inhalt allerdings nicht mehr erkennbar, kann dieser frei verwendet werden. Gegen eine unrechtmäßige Verwendung können die Rechtsinhaber Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. So können z. B. Presseverleger aufgrund ihres Leistungsschutzrechts gegen eine unrechtmäßige Verwendung ihrer Presseveröffentlichung im Ganzen oder in Teilen vorgehen«, so das Bundesjustizministerium.

 

Öffentlich-rechtliche Sender tolerieren Nutzung ihrer Inhalte für KI

Ein solcher »Nutzungsvorbehalt« existiert jedoch bei Inhalten der ARD und des ZDF nicht. Im Gegenteil: Mit Ausnahme der Deutschen Welle haben alle Intendanten keinen Widerspruch gegen das sogenannte Text- und Data Mining eingelegt. Gegenüber dem Organ »Journalist« des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) verteidigte der frühere ARD-Vorsitzende Kai Gniffke die Position des beitragsfinanzierten Senderverbundes: »Mit Blick auf den Auftrag und die Finanzierung durch die Allgemeinheit ist es aus Sicht der ARD gerade im Zeitalter von Fake News und Hate Speech wichtig, dass auch die öffentlich-rechtlichen Inhalte zu den Trainingsdaten gehören.« Ob die Stärkung von Online-Medien, die die demokratische Gesellschaft unterminieren, klassische Medien schwächen und immer größeren Einfluss auf die Meinungsbildung nehmen, zum »Auftrag« gehört, ist mehr als zweifelhaft. Allerdings ist die Position von Gniffke innerhalb der ARD umstritten. Einige Intendanten treten inzwischen für einen Nutzungsvorbehalt ein.

Anfang März hatte die ProSiebenSat.1-Plattform Joyn die Mediatheken von ARD und ZDF wieder entfernt, die zeitweise prominent auf ihrer Plattform »embedded« waren. Zu Recht. Der neue Medienstaatsvertrag sieht die Möglichkeit vor, dass Inhalte öffentlich-rechtlicher Anstalten in Streamingangeboten privater Rundfunkveranstalter eingebettet werden können. Wie Äußerungen von Medienpolitikern der Länder zeigen, wünscht man es sich durchaus, aber es sei keine Pflicht. Das gehe aber nur, wenn sie sich auf gemeinsame Modalitäten verständigten, sagte unter anderem der Hamburger Senator für Kultur und Medien Carsten Brosda. Es wäre begrüßenswert, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender mit der gleichen Konsequenz auch ihre Inhalte vor anderen, nicht genehmigten Nutzungen schützen würden: Zum Beispiel zum Training von Künstliche-Intelligenz-Programmen. Die beitragsfinanzierten Anstalten sind in der Kreativwirtschaft so ziemlich die Letzten, die es fördern und verteidigen, wenn ihre Angebote ohne Genehmigung auf Streamingplattformen der KI-Giganten eingebettet und sogar verändert werden. Das schadet aber der gesamten Kreativwirtschaft.

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Die Fokusreihe zum Thema »Künstliche Intelligenz in der Kultur« finden Sie in allen Ausgaben von Politik &Kultur ab Heft 3/24 (online hier). Der Deutsche Kulturrat hat im Januar 2025 eine Stellungnahme zu urheberrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz verabschiedet.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2025.