Nach einer aktuellen Analyse der FAZ von Twitter-Tweets, Retweets und Replays zwischen dem 1. November 2021 und 9. Dezember 2021, die den Suchbegriff #Impfung enthalten, befindet sich der russische Staatssender RT DE im »harten« Kern der Impfkritiker. Zu den Themenkreisen im TV-Angebot, auf der Webseite RT DE und in sozialen Medien gehören vermeintliche Impfopfer, angeblich unwirksamer Mund-Nasen-Schutz, scheinbar überflüssige Schutzmaßnahmen, behauptete Fehler der Regierung beim Coronamanagement. Im TV-Programm und auf de.rt.com finden sich aber natürlich auch Nachrichten aus anderen Bereichen, beispielsweise über die Ukraine-Krise, Ankündigungen der deutschen Regierung zur Lockerung der Pandemiemaßnahmen oder zu Spannungen zwischen China und den USA. Dass der deutsche Ableger von TV-Novosti sein Angebot für deutsche Nutzer vor allem aus dem Blickwinkel russischer Interessen und Argumente auswählt und kommentiert, ist sicher nicht überraschend. Es gehört nun einmal zur Aufgabe staatlicher Auslandsmedien, die Position des eigenen Landes zu vertreten und zu verbreiten. Inwieweit das immer sachlich und frei von Unterstellungen und Halbwahrheiten ist, kann man bei RT DE allerdings schon fragen. Das ist jedoch nicht der Kern der gegenwärtigen Auseinandersetzung um das Verbot der Rundfunkangebote des Programms RT DE, früher »Russia Today«. Es geht um die medienrechtliche Grundsatzfrage, ob für die Verbreitung eines bestimmten Bewegtbildangebotes in Deutschland eine Zulassung benötigt wird oder nicht.

Nach Auffassung der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten (ZAK) benötigt RT DE eine solche Rundfunklizenz. Weil von der RT DE Productions GmbH keine Lizenz beantragt worden ist und eine solche auch nicht vorliegt, untersagte die ZAK in ihrer Sitzung am 1. Februar 2022 die Veranstaltungsverbreitung des Fernsehprogramms von RT in Deutschland und bestätigt damit die Entscheidung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) vom Dezember, nach der die Verbreitung über den Kommunikationssatelliten Eutelsat 9B eingestellt worden ist. Die Beanstandung und Untersagung betrifft alle Verbreitungswege, insbesondere als Livestream auf den Webseiten, über die Mobile- und Smart-TV-App »RT News« und über den Satelliten.

Wie Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Aufsichtsbehörde und der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) gegenüber der FAZ betonte, spielten die Programminhalte bei der ZAK-Entscheidung keine Rolle. »Es geht um die vorgelagerte Frage, wer Veranstalterin des Programms ist und ob diese eine Lizenz hat«, so Kreißig. Die Kommission habe festgestellt, dass die redaktionelle Verantwortung für die Programminhalte von RT DE bei der deutschen RT DE Productions GmbH bestehe und damit lizenzpflichtig sei.

Es können in Deutschland zahlreiche ausländische Programme über Satelliten, Kabel, Internet oder soziale Medien genutzt werden. Dazu gehören auch staatliche oder staatsnahe Auslandsender wie BBC World, Radio France Internationale (RFI), CGTN aus China oder der arabische Sender Al Jazeera. Doch im Gegensatz zu RT DE produzieren und verbreiten diese Anbieter keine deutschsprachigen Programme und verfügen auch nicht über eine eigenständige deutsche Redaktion. Zudem besitzt CGTN eine britische Lizenz, die damit auch für alle anderen EU-Staaten zur Verbreitung der Programme berechtigt.

RT DE Productions GmbH ist für die Mediananstalten programmverantwortlich

Der Sitz von RT DE befindet sich seit 2015 in Berlin-Adlershof, auf dem Gelände des Medien- und Technologieparks, wo vor 30 Jahren das DDR-Fernsehen seine Sendetätigkeit einstellte. Hier produziert die RT DE Productions GmbH eine Webseite, Videoshows, Inhalte für sozialen Medien und seit dem 16. Dezember 2021 auch ein Fernsehprogramm. Nach Angaben von RT-Vizechefredakteurin Anna Belkina erhält der Fernsehsender im Jahr 2022 ein Budget in Höhe von 2,8 Milliarden Rubel, etwa 32 Millionen Euro, aus dem russischen Staatshaushalt. Nach der ursprünglichen Konzeption sollte RT DE nach eigenen Angaben, möglichst bald, von einer in Berlin ansässigen juristischen Person (GmbH) deutschen Rechts betrieben werden. So wurden 2020 und 2021 zahlreiche neue Mitarbeiter für Adlershof angeworben und eingestellt. Doch nachdem RT DE Productions GmbH die in Luxemburg beantragte Lizenz, die dann auch für die EU rechtsgültig gewesen wäre, nicht erteilt worden war, änderte man die Außendarstellung und auch das Impressum. Verantwortlich für den Inhalt ist nun nach Angaben von TV-Novosti nicht mehr die RT DE Productions GmbH, sondern Alexey Nikolov, Geschäftsführer von TV-Novosti, Borovaya Str. 3 geb. 1, 111020 Moskau, Russland.

Die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg geht jedoch von einer programmlichen Zuständigkeit der Berliner Produktions-GmbH aus. Deshalb hat die mabb am Tag nach dem Sendestart über den Satelliten Eutelsat 9B in Abstimmung mit der ERGA, der Gruppe europäischer Regulierungsbehörden, dagegen ein Verfahren eingeleitet. Nach dem Medienstaatsvertrag § 52 bedürfen private Veranstalter zur Veranstaltung von Rundfunkprogrammen einer Zulassung. »Der mabb liegen Nachweise vor, die die Veranstaltereigenschaft der RT Productions GmbH belegen«, so Eva Flecken, Direktorin der zuständigen Medienanstalt. »Für das Verfahren wurden ausschließlich öffentlich zugängliche Quellen herangezogen. Auch die publizierten Aussagen der Veranstalter spielen dabei eine Rolle. Die Sammlung an Nachweisen lag allen Direktorinnen und Direktoren vor, so dass sie sich ein umfangreiches Urteil bilden konnten, aufgrund dessen der Beschluss gefasst wurde.«

Die Lizenzpflicht ist auch für deutsche Veranstalter verbindlich

Im Zusammenhang mit dem neuen Medienstaatsvertrag, der am 7. November 2020 in Kraft trat, wurde intensiv über die weitere Notwendigkeit von Rundfunklizenzen diskutiert. Letztendlich hielten die Länder an der Rundfunklizenz überwiegend fest. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass dem Rundfunkbegriff Angebote unterfallen, die geeignet sind, die vom Bundesverfassungsgericht als Wesensmerkmale des Rundfunks benannten Elemente der Aktualität, Suggestivkraft und Breitenwirkung zu entfalten. Entscheidend für die Qualifizierung als Rundfunk oder Telemedium ist die Bedeutsamkeit des Angebotes für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung. Eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung erfordert nicht zwingend eine berufsmäßig journalistische Tätigkeit, sondern erfasst auch den Laien-Journalismus und auch Unterhaltungsangebote. Das Verbreiten von Bewegtbild ohne jede weitere Bearbeitung ist keine journalistisch-redaktionelle Gestaltung, z. B. bei unkommentierten Live-Übertragungen. Doch das ist bei RT DE nicht der Fall. Keiner Zulassung bedürfen Rundfunkprogramme, die nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung haben oder die im Durchschnitt von sechs Monaten weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreichen oder in ihrer prognostizierten Entwicklung erreichen werden. Die zuständige Landesmedienanstalt bestätigt die Zulassungsfreiheit auf Antrag durch Unbedenklichkeitsbescheinigung. Nur für den Hörfunk hat der Gesetzgeber auf ein Zulassungsverfahren verzichtet.

Wie Wolfgang Kreißig gegenüber medienpolitik.net sagte, wären aus Sicht der Medienanstalten auch andere Lösungen denkbar. »So haben die Medienanstalten im Rahmen der letzten Novellierung des Medienstaatsvertrags mehrfach angeregt, die Rundfunkzulassung abzuschaffen und durch eine qualifizierte Anzeigepflicht zu ersetzen. Am Ende muss hier aber der Gesetzgeber entscheiden, der diesem Vorschlag bislang nicht gefolgt ist. Der Wegfall der anfänglichen Zulassungspflicht würde allerdings nicht automatisch den Wegfall aller gesetzlichen Voraussetzungen zur Verbreitung von Rundfunk bedeuten, sondern diese lediglich einer Ex-post-Kontrolle unterstellen.«

An die Lizenzpflicht müssen sich nicht nur ausländische Programmanbieter halten, sondern auch deutsche. Beispielsweise verweigerten Landesmedienanstalten einem redaktionell gestalteten Bundestagsfernsehen 2013 eine Lizenz. Heute überträgt der Deutsche Bundestag die Bundestagssitzungen sowie einzelne Ausschusssitzungen live, ungeschnitten, unkommentiert in voller Länge. Auch »Bild TV« benötigte nach gerichtlicher Klärung eine Rundfunklizenz. Doch nicht nur klassische Medienanbieter haben eine mögliche Rundfunkzulassung bzw. die Unbedenklichkeit überprüfen lassen, so beispielsweise die Deutsche Post für ein »Filial TV«, der DFB für »DFB-TV« und die DM-drogerie markt GmbH + Co. für einen Teleshoppingkanal.

Auch die Berufung russischer Politiker auf die serbische Lizenz und damit auf das »Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen« von 1989 ist mehr als fragwürdig. In dieser Übereinkunft heißt es: »Die Verantwortlichkeiten des Rundfunkveranstalters werden in der von der zuständigen Behörde jeder Vertragspartei ausgestellten Genehmigung oder in dem mit dieser Behörde geschlossenen Vertrag oder durch eine andere rechtliche Maßnahme eindeutig und hinreichend festgelegt. Dieses Übereinkommen hindert die Vertragspartei nicht, strengere oder ausführlichere Bestimmungen als die in diesem Übereinkommen enthaltenen auf Programme anzuwenden, die durch Rechtsträger oder mittels technischer Einrichtungen in ihrem Hoheitsbereich im Sinne des Artikels 3 verbreitet werden.« Das heißt, dass dieses Übereinkommen die letztendliche Zuständigkeit der jeweiligen, dem Vertrag beigetreten Länder, nicht infrage stellt.

RT DE kann eine Lizenz beantragen

Für die lineare Verbreitung des Programms, könne das russische Staatsfernsehen grundsätzlich eine Lizenz beantragen, sagt Kreißig. Diese werde erteilt, wenn die geforderten Zulassungsvoraussetzungen des Medienstaatsvertrages erfüllt seien und kein Zulassungsverbot bestehe. Das wird möglicherweise schwierig, denn der Medienstaatsvertrag regelt eindeutig: »Eine Zulassung darf nicht erteilt werden an juristische Personen des öffentlichen Rechts … an deren gesetzliche Vertreter und leitende Bedienstete sowie an politische Parteien und Wählervereinigungen. Gleiches gilt für Unternehmen, die im Verhältnis eines verbundenen Unternehmens im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes zu den in Satz 1 Genannten stehen. Die Sätze 1 und 2 gelten für ausländische öffentliche oder staatliche Stellen entsprechend.«

Dass Rundfunkveranstalter bei Angeboten, die für die Meinungsbildung relevant sein können, staatsfern agieren müssen, hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigt. So forderten die Karlsruher Richter, dass der Rundfunk nicht vom Staat oder von einer Gruppe, z. B. einer Gewerkschaft, beherrscht werden darf. Vielmehr müssen alle gesellschaftlich relevanten Gruppen ein Recht darauf besitzen, ihre Meinung frei und öffentlich artikulieren zu können. Der Staat darf folglich, ganz gleich ob öffentlich-rechtlich oder privat, weder mittelbar noch unmittelbar Einfluss auf die Belange des Rundfunks nehmen. Das bedeutet, dass inhaltliche und strukturelle Eingriffe beispielsweise in das Programm oder das Personal untersagt sind.

Der russische Auslandssender RT DE ist auch Mitte Februar noch als Live-Angebot zu empfangen: Über Satellit Eutelsat 16A, SmartTV, mobile Apps (iOS oder Android), Pay-TV oder auf der RT DE Webseite. Der Bescheid über das Verbreitungsverbot wird erst nach einem Monat rechtskräftig. Damit wären diese Inhalte aber auch dann nicht verboten, wie von russischer Seite behauptet worden ist, sondern sie können nach wie vor On-Demand oder auch über soziale Netzwerke abgerufen werden.

Inzwischen hat RT DE Productions GmbH vor dem Berliner Verwaltungsgericht Klage gegen die mabb eingereicht und einen Eilantrag gegen das Sendeverbot angekündigt. Das Gericht könnte einen sogenannten Hängebeschluss erlassen, der dann einstweilen feststellt, dass RT DE weitersenden darf oder eben auch nicht. Sollte die RT DE Productions GmbH trotz des Erlasses des Bescheids weitersenden, kann die mabb auch Zwangsgeld von bis zu 50.000 Euro androhen und festsetzen. Natürlich steht damit auch dem russischen Staatsfernsehen die ganze Palette rechtlicher Möglichkeiten eines demokratischen Staates zur Verfügung.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2022.