Zu den medienpolitischen Themen, die gegenwärtig diskutiert werden, gehört die Frage, ob der Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro monatlich steigt und wenn das der Fall sein sollte, wie stark. Regelmäßig äußern sich seit Wochen Landespolitiker dazu und viele sehen eine mögliche Erhöhung skeptisch. Doch letztendlich entscheiden die Landtage über die Beitragshöhe. Erst kürzlich sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, in einem Zeit-Interview, dass er eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags hinauszögern wolle. »Jeder Wunsch nach Erhöhung ist ein falsches Signal. Deshalb bin ich dafür, dass ARD und ZDF zwei Jahre lang auf Erhöhungen verzichten und diese Zeit zur Inventur nutzen«, so Haseloff. Am Landtag von Sachsen-Anhalt war 2021 eine Steigerung des Rundfunkbeitrags gescheitert, aber durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt worden. »Beim nächsten Mal wird es nicht nur im Parlament von Sachsen-Anhalt schwierig werden, davon können Sie ausgehen«, sagte der Ministerpräsident. »Schauen Sie, ich bin bloß der Bote. Ich sage: Ich sehe keine Mehrheit. Und künftig werde ich meine Unterschrift erst leisten, nachdem mein Parlament zugestimmt hat.« Neben dem CDU-Politiker haben inzwischen auch weitere sechs Regierungschefinnen oder -chefs öffentlich erklärt, dass sie eine Aufstockung des Salärs für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mittragen könnten.

Anscheinend gehen viele Politiker, quer durch alle Parteien davon aus, dass es zu einer Anhebung kommen werde, da die Reformen in den Anstalten nicht ausreichen, dies jedoch dem Bürger nicht zu vermitteln sei. Doch bedeutet die Bedarfsanmeldung automatisch, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) einem beantragten höheren Aufwand auch zustimmen wird? Wie verbindlich und verfassungsgemäß sind die heutigen politischen Absichtserklärungen, die Empfehlung der KEF abzulehnen?

KEF verlangt detaillierte Angaben von den Anstalten

Mit dem Schreiben vom 25. Oktober hatte die KEF alle öffentlich-rechtlichen Sender aufgefordert, ihr bis 28. April 2023 mitzuteilen, wie viel Geld sie in der nächsten Beitragsperiode benötigen. Dafür hat sie einen 50-seitigen Fragebogen an alle Sender verschickt. Im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ist festgelegt, dass die Rundfunkanstalten »die für die Beitragsfestsetzung erforderlichen und zur Bewertung geeigneten, vergleichbaren Zahlenwerke und Erläuterungen über ihren mittelfristigen Finanzbedarf in der von der KEF vorgegebenen Form vorzulegen« haben. Erträge und Aufwendungen seien jeweils nach Ertrags- und Kostenarten gesondert auszuweisen. Dementsprechend forderte die KEF von den Anstalten in der detaillierten Auflistung in 15 Punkten Angaben über den Aufwand für das Programm, das Personal und für Sachleistungen. So bestand die KEF auf einer genauen Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben seit 2021 sowie der Planung für 2023 und 2024. Auch die Auswirkungen der Coronapandemie sollten berücksichtigt werden. In Punkt 6 erwartete die KEF »die Darstellung der Planungen zur weiteren Entwicklung der Telemedienangebote« und geht davon aus, dass diese Aktivitäten begrenzt werden.

Ein wichtiger Aspekt sind für die Finanzkommission die Mehrerträge zwischen 2021 und 2024. Durch die Coronapandemie hat es weniger finanzielle Ausfälle und zusätzliche Ausgaben gegeben als eingeplant und zudem ist die Zahl der Haushalte gestiegen. Dieses Geld darf von den Anstalten nicht ausgegeben werden und soll als Sonderrücklage III ab 2025 Verwendung finden. Die Sender mussten nachweisen, dass der aus dem Programm abgeleitete Finanzbedarf »unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und der Haushalte der öffentlichen Hand« ermittelt worden ist. Auch über sogenannte Umschichtungen möchte die KEF genau informiert werden. Einen wichtigen Platz nahmen im Anmeldungsschreiben die Strukturprojekte ein, die 2017 beschlossen und für die erhebliche Einsparungen prognostiziert worden sind. Hierzu sind von den Rundfunkanstalten »Daten zu den Einsparvolumina pro Strukturprojekt und der damit verbundene Aufwand« vorzulegen. Eine solche Auflistung der Kosten und Einnahmen erfolgt alle zwei Jahre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Bedarfsanmeldung die »primäre« Rolle bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrages. Die auf den Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten basierenden Anmeldungen bilden die Grundlage der Bedarfsermittlung und der ihr folgenden Gebührenfestsetzung, so die Karlsruher Richter. Von den Anstalten getroffene Programmentscheidungen dürfe die Gebührenfestsetzung nicht übergehen und ihre finanziellen Konsequenzen nicht ignorieren.

Zusätzlicher Bedarf der Sender von fast 1 Milliarde Euro

ARD, ZDF und Deutschlandradio meldeten termingerecht am 28. April einen zusätzlichen Finanzbedarf für die Zeit von 2025 bis 2028 an. Die Pressemeldung enthielt keine absoluten Zahlen, sondern nur Prozentangaben. Dass diese von ARD und ZDF nahezu deckungsgleich sind, werden die Sender sicher als Zufall bezeichnen, doch sie belegen die Intransparenz des Vorganges. Zu den 40 Milliarden, die sie bisher innerhalb von vier Jahren erhalten, soll noch eine Milliarde obendrauf kommen, geht man von den Anmeldungen aus. »Die ARD erfüllt die von der KEF festgelegte Personalabbauquote und wird ihren Personalbestand weiter reduzieren. Seit 1992 haben die ARD-Landesrundfunkanstalten inzwischen über 20 Prozent bzw. über 5.000 Stellen im Personal abgebaut. Mit diesem Abbau entlang demografischer Abgänge leistet die ARD einen signifikanten Beitrag, um den ARD-Finanzbedarf zu begrenzen«, hieß es in der Pressemeldung zur Bedarfsanmeldung der ARD. Die KEF fordert von den Anstalten jährlich einen Abbau von 0,5 Prozent bis 2028. Doch aufgrund der natürlichen Fluktuation könnte die Zahl höher liegen. 23.000 feste Mitarbeiter hat gegenwärtig die ARD, 3.400 das ZDF, dazu kommen Tausende weitere freie Journalisten, Techniker, IT-Fachleute usw. Bei RTL Deutschland sind 8.000 feste Mitarbeiter beschäftigt.

Das Leistungsspektrum, dass das Bundesverfassungsgericht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschreibt, betrifft qualitative Leistungen und keine quantitativen. Zahlreiche Doppelangebote bei ARD und ZDF können also ersatzlos gestrichen werden. Die Karlsruher Richter schreiben auch keine zwei öffentlich-rechtlichen Sendergruppen vor, die ein nahezu gleiches Angebot bereithalten. Wettbewerb nennen das die Intendanten von ARD und ZDF, Doppelversorgung viele Medienpolitiker. Geht man von den Absichtserklärungen der ARD der letzten Wochen für Reformen aus, hätte sich der Senderverbund eigentlich für eine Beitragssenkung aussprechen müssen.

Am gleichen Tag, als auch das ZDF seinen umfangreichen Brief der KEF übergab, tagte der ZDF-Verwaltungsrat. Die Ministerpräsidenten Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt und Dietmar Woidke aus Brandenburg, beide gehören dem Verwaltungsrat an – CDU-Mitglied der eine, SPD-Mitglied der andere – gaben ihr Unverständnis über den zusätzlichen Finanzbedarf zu Protokoll: »Herr Dr. Reiner Haseloff und Herr Dr. Dietmar Woidke weisen darauf hin, dass das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk derzeit schwer erschüttert ist und insbesondere die Akzeptanz der Höhe des Rundfunkbeitrags stetig sinkt. Sie sind der Auffassung, dass das ZDF dies bei der Anmeldung ihres Finanzbedarfes für die Jahre 2025 bis 2028 berücksichtigen muss. Deshalb sollte das ZDF im Gesamtergebnis keinen Mehrbedarf anmelden, der zu einer Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags führen würde. Die für die Weiterentwicklung des ZDF im Sinne der verfassungsrechtlichen Entwicklungsgarantie notwendige Bedarfe sollten durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden. Die Empfehlungen der letzten KEF-Berichte sollten hierbei vollumfänglich berücksichtigt werden.«

Volkswirtschaftsdaten werden berücksichtigt

Die Entscheidung über eine notwendige Beitragserhöhung fällt die KEF. Deshalb muss es nicht zu einer Anhebung kommen. Und wenn die KEF diese eine Milliarde nicht für notwendig und vertretbar hält, wird sie auch keine Aufstockung des Beitrages empfehlen. Die Bewertung und Analyse der Bedarfsanmeldung erfolgt durch die 16 unabhängigen Sachverständigen, die der Kommission angehören. Jedes Land benennt ein Mitglied. Sie werden von den Regierungschefinnen und -chefs der Länder für fünf Jahre berufen und sollen über verschiedene fachliche Qualifikationen verfügen, die von Betriebs- und Volkswirtschaftslehre bis zu Medienrecht und Medienwissenschaft reicht. Auch fünf Präsidenten von Landesrechnungshöfen gehören der Beitragskommission an.

Um die Datenmenge aus dem 50-seitigen Fragebogen strukturiert auswerten zu können – ausgedruckt entspräche das einigen Tausend Seiten – ist die KEF in Arbeitsgruppen, die sich nach inhaltlichen Schwerpunkten richten, organisiert. Jedes KEF-Mitglied hat die Möglichkeit, die komplette Anmeldung zu sichten und zu interpretieren, aber die genaue Auswertung erfolgt in den fünf Arbeitsgruppen. Deren Zwischenergebnisse werden in mehreren Plenarsitzungen erläutert, damit jedes Mitglied der Kommission über den Stand der Arbeiten informiert ist. Im Herbst wird die erforderliche Datengrundlage für mögliche Veränderungen beim Beitrag vorliegen, verbunden mit ergänzenden Empfehlungen für Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in den Anstalten. Darüber wird im Plenum erneut diskutiert und ein Berichtsentwurf beschlossen. Zum Jahresende findet zum Entwurf der KEF für die Beitragsempfehlung eine Anhörung der Intendanten und der Bundesländer statt. Im Februar 2023 wird der Vorschlag veröffentlicht.

Die KEF stützt sich, unabhängig von den Angaben der Sender, auch auf eigene Daten, beispielsweise zur Entwicklung des Werbemarktes, der Tariflöhne oder auch der Kosten. Bei den Preissteigerungen werden jedoch nicht die Angaben des Statistischen Bundesamtes auf der Basis des sogenannten Warenkorbes eines Vierpersonenhaushaltes, das gegenwärtig von einer Inflationsrate von 7,2 Prozent ausgeht, einbezogen. Der stärkste Preistreiber sind dabei die Lebensmittel. Deshalb verwendet die KEF den BIP-Deflator, der alle im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen berücksichtigt. Diese Zahl liegt bei zwei bis vier Prozent. Zusätzlich wird noch eine rundfunkspezifische Teuerungsrate berechnet, die auch deutlich unter der Inflationsrate liegt.

»Wir analysieren nicht nur den künftigen sechsjährigen Zeitraum, sondern sehen uns auch die Entwicklung in den vergangenen Jahren an. Trotz eines Rückganges liegen die Energiekosten beispielsweise aktuell deutlich über denen von vor zwei Jahren. Zudem wissen wir, dass die Produzenten, Journalistenverbände oder Autoren selbst auf höhere Kosten verweisen und einen Ausgleich fordern. Einerseits sehen wir bei den Ausgaben einen Anstieg, aber dagegen laufen Rationalisierungseffekte, Einsparungen durch Kooperationen und Pläne zum Personalabbau. Das reduziert einen höheren, angemeldeten Bedarf. Heute eine Prognose über unsere Beitragsempfehlung abzugeben, bedeutet einer neunmonatigen Arbeit der KEF vorzugreifen. Das wäre unseriös. Wir werden ein Ergebnis vorlegen, das alle Wechselwirkungen berücksichtigt, unabhängig von politischen Wunschvorstellungen«, sagte dazu Martin Detzel, Vorsitzender der KEF in einem Interview der FAZ.

Zukunftsrat soll Empfehlungen für Reformen geben

Die Bundesländer hatten im März einen Zukunftsrat berufen, der aus acht Personen besteht, die die Medienbranche kennen oder sich beruflich mit medienspezifischen Themen befassen. Bis zum Herbst soll dieser Expertenrat auf vier Fragen der Rundfunkkommission antworten. Dazu gehören Überlegungen zum künftigen Angebot öffentlich-rechtlicher Medien in der dualen Medienordnung und die Abbildung »regionaler Vielfalt« im Rahmen einer digitalisierten Medienwelt. Auch sollen Schlussfolgerungen aus der Veränderung der Medienmärkte und der Mediennutzung gezogen und Vorschläge über grundsätzliche Mechanismen sowie Aufsichts- und Kontrollstrukturen zur Stabilisierung der Ausgabenseite unterbreitet werden. Die Reformüberlegungen der acht Räte sollen nach Möglichkeit noch in die Beitragsberechnungen für die Gebührenperiode ab 2025 einfließen. Es sei gängige Praxis, dass die KEF alle vier Jahre eine Beitragsempfehlung ausspreche, erläutert Martin Detzel gegenüber der FAZ. Das sei aber gesetzlich nicht zwingend. »Wir müssen alle zwei Jahre einen Bericht über die finanzielle Lage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorlegen und damit kann theoretisch immer auch eine Beitragsempfehlung verbunden sein, allerdings mit dem kompletten Verfahren, bis zur Zustimmung in den Parlamenten. Sollten die Länder die KEF bitten, das laufende Verfahren zu stoppen, würde der für die aktuelle Periode festgesetzte Beitrag von 18,36 Euro wohl für zwei Jahre über 2024 hinaus eingefroren«, sagt der KEF-Vorsitzende.

So oder so, der Vorschlag für den Rundfunkbeitrag kommt von der KEF und nicht aus den Staatskanzleien der Bundesländer. Sollte der politische Wunsch bestehen, davon abzuweichen und einen anderen Beitrag vorzusehen, bedarf es sehr schwerwiegender volkswirtschaftlicher Gründe, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach geurteilt hat. Zudem muss das Votum der Regierungschefs einmütig ausfallen. Sonst müsste erneut in Karlsruhe über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entschieden werden. Ob die obersten Richter allerdings wieder wie 2021 pro Erhöhung entscheiden würden, ist nicht sicher. Es wäre ein Vabanquespiel sowohl für die Sender als auch die Politik.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2023.