Der 17. Januar 2024 war ein wichtiger Tag für die europäische Kultur. An jenem Mittwoch verabschiedete das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit seine »Entschließung zur kulturellen Vielfalt und den Bedingungen für Urheber auf dem europäischen Markt für Musikstreaming«. Insgesamt 532 Abgeordnete (bei 61 Gegenstimmen und 33 Enthaltungen) unterstützten dieses allererste offizielle EU-Dokument, das sich speziell mit dem Thema Musikstreaming befasst.

Nie zuvor war es für Musikschaffende einfacher, ihre Werke zu veröffentlichen – und das weltweit. Nie zuvor wurde jedoch im Durchschnitt dermaßen wenig für den Konsum von Musik bezahlt. Dass diese Diskrepanz ein massives Problem darstellt, sich dauerhaft negativ auf die Vielfalt europäischer Kultur auswirkt und berufliche Existenzen bedroht, ist mit diesem 17. Januar nun auch in der EU-Politik angekommen. Endlich ist ein breites politisches Bewusstsein geschaffen für die Notwendigkeit zur Regulierung eines Marktes, der die gesamte Musikbranche bereits jetzt fundamental und nachhaltig verändert hat – einschließlich kreativer Auswirkungen auf das musikalische Schaffen von Autorinnen und Autoren sowie ausübenden Künstlerinnen und Künstlern.

Wie ist die Entschließung des Parlaments nun einzuordnen, und wie geht es weiter? Zunächst geht es darum, den breiteren gesetzgeberischen Kontext sowie gesellschaftspolitische Entwicklungen zu betrachten. Eine gezieltere und stärkere Regulierung des Internets ist seit vielen Jahren ein wichtiges Ziel von EU-Politik; hier sei etwa die für die gesamte Kultur- und Kreativbranche essenzielle Urheberrechtsrichtlinie aus dem Jahr 2019 erwähnt oder auch die 2022 verabschiedeten EU-Gesetze über digitale Märkte bzw. digitale Dienste. Zudem scheint das öffentliche Bewusstsein für die Wichtigkeit fairer Bezahlung von Kulturschaffenden seit einigen Jahren stark zugenommen zu haben, nicht zuletzt befördert durch pandemiebedingte Erkenntnisse über den Wert von Kultur und die massiven strukturellen Probleme des kulturellen Ökosystems.

Heutzutage hören Menschen mehr Musik denn je und haben dank Streamingplattformen eine schier unendliche Musikauswahl zur ständigen Verfügung, nur einen Mausklick oder Screentouch entfernt – zahlen dafür jedoch weniger als je zuvor. Früher einmal bekam man für zehn Deutsche Mark eine einzelne Single, heute für zehn Euro das gesamte Weltrepertoire. Das alles kann man gut finden oder beklagen; gute kulturelle, wirtschaftliche, ökologische oder gesellschaftliche Argumente gibt es sowohl für als auch gegen diese technologiegetriebene Entwicklung. Doch vor allem ist sie: Realität. Und somit etwas, dem der Gesetzgeber einen Rahmen geben sollte, innerhalb dessen sich alle Beteiligten wiederfinden können.

Mit der »Cultural Creators Friendship Group« (CCFG), einer informellen Koalition von derzeit 28 Europaabgeordneten aus 14 Ländern und sechs Fraktionen, machen wir uns seit Februar 2020 im Europäischen Parlament für die Belange der gesamten Kultur- und Kreativbranche stark und haben viele relevante Themen politisch vorangetrieben – darunter das Musikstreaming. Wir freuen uns, dass unser gemeinsamer Einsatz – darunter unser spanisches CCFG-Mitglied Ibán García del Blanco als Berichterstatter – zu dieser Entschließung geführt hat. Dabei haben wir nicht nur offensichtliche und bereits länger bekannte Probleme wie mangelnde Transparenz oder unfaire Bezahlsysteme adressiert, sondern auch einige neuere Entwicklungen aufgegriffen sowie innovative Forderungen gestellt. Hierzu zählen Vorschläge hinsichtlich ethischer Nutzung von Künstlicher Intelligenz, unsere Verurteilung sogenannter Payola-Systeme oder Maßnahmen zur besseren Sichtbarkeit und Zugänglichkeit europäischer Werke sowie zur Förderung musikalischer und sprachlicher Vielfalt.

Die Entschließung vom 17. Januar ist ein echter Meilenstein für die europäische Kultur, aber zunächst einmal nur eine politische Positionierung des Europäischen Parlaments ohne unmittelbare legislative Auswirkung. Jedoch richten wir konkrete Forderungen an die Europäische Kommission mit dem Ziel, in Sachen Musikstreaming gesetzgeberisch tätig zu werden. Damit unsere Vorschläge Aussicht auf politischen Erfolg haben, muss das Thema immer wieder vorgebracht und öffentlicher Druck ausgeübt werden. Daher unser Appell an alle Musikschaffenden: Bringt euch unbedingt ein, macht eure Stimme hörbar, und helft euren Verbündeten in der Politik, für eure Interessen zu kämpfen!

Wir sind zuversichtlich, dass sich die Bedingungen beim Musikstreaming für Musikschaffende in absehbarer Zeit bessern. Durch die Entschließung des Europäischen Parlaments ist Bewegung in die Sache gekommen; wir erwarten tiefer gehende Gespräche aller Beteiligten und hoffen trotz unterschiedlichster Positionen auf weitere Annäherungen. Andernfalls setzen wir auf eine Regulierung durch die EU im Sinne fairer Bedingungen am Musikstreamingmarkt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.