Seit 2016, als mit einer Gemeinsamen Mitteilung von Kommission und Europäischem Auswärtigen Dienst (EAD) der Startschuss für internationale Kulturbeziehungen der EU gegeben wurde, versucht Brüssel in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und ihren nationalen Kulturinstituten eine moderne und attraktive gemeinsame Kulturaußenpolitik zu entwickeln. Eine vom Europäischen Parlament initiierte sogenannte vorbereitende Maßnahme mit dem Titel »European Spaces of Culture« zählt zu den innovativsten Initiativen in diesem Zusammenhang, blieb aber in seiner Sichtbarkeit weitgehend auf Experten beschränkt. Ähnlich ist es im Rahmen der Neuen Europäischen Kulturagenda von 2018 trotz formellem Auftrag nicht zu sehr weitreichenden Aktivitäten gekommen. Vom 25. November bis 3. Dezember greifen EAD und Kommission zusammen mit allen 27 Mitgliedstaaten und der Ukraine nun aber erstmals weiter aus: Als Ehrengast auf der größten spanischsprachigen Buchmesse der Welt in Guadalajara in Mexiko dürfte auch eine breitere Öffentlichkeit von der EU als außenkulturpolitischem Akteur erfahren. Diese Messe, die jährlich 800.000 Besucherinnen und Besucher anlockt, 15 Millionen Follower in den sozialen Medien verbuchen kann und großes Interesse von Presse und Medien weckt, bietet der Union eine hervorragende Plattform für den interkulturellen Dialog mit dem lateinamerikanischen Kontinent. Bei der Anbahnung und Realisierung dieser konkreten kulturellen Zusammenarbeit bedurfte es einiger Überzeugungsarbeit, eines entsprechenden Budgets und besonderen Engagements von Kolleginnen und Kollegen in den Institutionen. Da die Buchmesse auch ein umfangreiches kulturelles Rahmenprogramm bietet, werden die europäischen Akteure die Gelegenheit nutzen können, Werke sowie Künstlerinnen und Künstler aus anderen Kulturbereichen zu präsentieren. Im Vordergrund der Teilnahme als Ehrengast steht dabei der Gedanke des Austauschs und der gegenseitigen Bereicherung, aber auch eine in Zeiten wachsender globaler Polarisierung bedeutsame Rückversicherung und Stärkung gemeinsamer Werte. Gleichzeitig soll Vertrauen geschaffen werden, und man hofft auf den Aufbau nachhaltiger Beziehungen zwischen den Kulturakteuren in beiden Kontinenten. Der kulturelle Reichtum der Europäischen Union, den insbesondere seine Vielfalt ausmacht, wird sich im Programm widerspiegeln. Natürlich steht die Literatur im Mittelpunkt, mehr als 50 Beteiligte aus dem europäischen Verlagswesen sollen im Rahmen des professionellen Programms zu Networking und gezielten Thementagen beitragen. Gleichzeitig werden fast 80 europäische Autorinnen und Autoren verschiedener Genres, etablierte, aber auch aufstrebende Talente mit unterschiedlichem sozialen und sprachlichen Hintergrund in den literarischen Dialog treten. Branchenrelevante Themen wie Übersetzung und Übersetzungsförderung durch die EU, aber auch Urheberrechte sollen angesprochen werden. Besonderes Augenmerk wird auf die Kinder- und Jugendliteratur gelegt, unter anderem auf Comics. Der Literaturpreis der Europäischen Union wird prominent vertreten sein. Im Pavillon des Ehrengastes EU, inspiriert vom Neuen Europäischen Bauhaus mit seinen Prinzipien »sustainable, beautiful, together«, sollen vielfältige Begegnungen ermöglicht werden. Ein solcher gemeinsamer Stand ist übrigens eine schon länger bestehende Forderung der europäischen Verlegervereinigung, der z. B. auch auf anderen Messen innerhalb oder außerhalb der EU kleineren europäischen Verlagen oder solchen aus Ländern ohne eigenen Stand die Möglichkeit zur Darstellung, zum Pitching oder zum Treffen bieten könnte. Neben der Literatur werden auch wichtige europäische Vertreterinnen und Vertreter anderer Kultursparten eine Bühne bekommen, so wird etwa Sasha Waltz, die einige Zeit sogar den offiziellen Titel als European Ambassador trug, auftreten. Zur Eröffnung werden 39 Mitglieder des von der EU geförderten Europäischen Jugendorchesters spielen, in kontinenteübergreifender Ko-Kreation zusammen mit 40 jungen Musikerinnen und Musikern aus Mexiko unter der Leitung von Carlos Miguel Prieto. Weitere Höhepunkte des Kulturprogramms werden das Jazzfestival EU-Lateinamerika oder eine Fiesta Adriatica Balcanica sein. Es wird aber auch Rap, Elektro und zeitgenössischer Musik eine Bühne geboten. Im Bereich bildende Kunst werden Ausstellungen in Zusammenarbeit mit dem Museo de las Artes der Universität Guadalajara, die Veranstalterin der Buchmesse ist, stattfinden, unter anderem zu digital-immersiver Kunst aus sieben europäischen Ländern, zu zeitgenössischer ukrainischer Kunst sowie zum Europäischen Mies-van-der-Rohe-Preis für Architektur. Weiterhin wird ein europäisches Filmfestival stattfinden, im Rahmen dessen auch konkrete Angebote für künftige Koproduktionen, aber auch die Förderung mexikanischer Kurzfilme einen Ort haben sollen. Solche gemeinsamen Filmfestivals sind eine der wenigen bereits gut eingeführten Aktionen in vielen Drittstaaten. Interessant wird sicher auch ein besonderes gastronomisches Rahmenprogramm. Man darf gespannt sein, wie diese innovative Form des interkulturellen Dialogs zwischen Europa und einem anderen Kontinent ankommt. Hoffentlich wird sie als Blaupause für weitere solche Aktivitäten genutzt, denkbar z. B. zu verankern bei der Gestaltung der neuen Programmgeneration für die Jahre ab 2028. Notwendig wären dann jedoch auch entsprechend stabilere und planbare Haushaltsmittel.

Diese Kolumne stellt nicht die Meinung der Europäischen Kommission dar, sondern ist die persönliche Ansicht der Autorin.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2023.