Die Frage, ob die Europäische Union ein Player mit Gewicht auf der globalen Bühne ist, stellt sich nicht nur mit Blick auf ihre militärische oder sicherheitspolitische Bedeutung in der Welt und dies nicht erst dieser Tage. Dass Kultur in internationalen Beziehungen eine wichtige Rolle spielen kann, hat die Union bereits 2016 in einer Mitteilung festgestellt, die einen Meilenstein in dieser Hinsicht darstellt und bis heute als Grundlage für weitere Aktivitäten dient. Auch in der »Neuen Europäischen Kulturagenda« aus dem Jahr 2018 wird ihre Bedeutung hervorgehoben. Zu Recht hat daher auch das Europäische Parlament 2022 eine Resolution angenommen, die die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) auffordert, bessere Koordinationsmechanismen zu schaffen. Dazu gehört auch die Schaffung kohärenterer und modernerer Arbeitsmethoden, um effizienter zu werden und gleichzeitig überlappende Aktivität so weit wie möglich zu vermeiden und so etwas wie ein institutionelles Gedächtnis zu sichern. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, in dem die europäische Zivilgesellschaft organisiert ist, fordert wiederum eine flexible Governance-Struktur für die kulturelle Diplomatie. Erste gute Erfahrungen werden seit Jahren im Rahmen des über Kreatives Europa geförderten Projekts »European Spaces for Culture« gemacht, in dem nationale Kulturinstitute und -organisationen vor Ort in Drittstaaten mit lokalen Partnern zusammenarbeiten. Die Plattform »Cultural Relations« schafft Möglichkeiten zur Unterstützung internationaler Kooperation durch wissenschaftlichen Austausch und Fortbildung und trägt zur Schaffung von Netzwerken bei.

Der Arbeitsplan Kultur 2023–2026 (siehe Politik & Kultur 2/23) beinhaltet nun den konkreten Auftrag einer Expertenarbeitsgruppe im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung (OMK) zum Thema und definiert die grundsätzlichen Überlegungen, die deren Arbeit zugrunde liegen sollen. Dabei wird die Herangehensweise einer gemeinschaftlichen kulturellen Schöpfung – co-creation –, zivilgesellschaftlich verankert und den Prinzipien der künstlerischen Freiheit sowie kultureller Rechte verpflichtet, als Chance zur Vermittlung von Werten gesehen. Was innerhalb der Europäischen Union auch gefördert wird, etwa durch das Programm Kreatives Europa, soll so auch in der Zusammenarbeit mit Akteuren außerhalb der EU zu nachhaltigen und partnerschaftlichen Beziehungen beitragen. Dementsprechend sollen die Experten der Mitgliedstaaten sich darüber austauschen, wie eine bessere Koordinierung und Strukturierung gelingen kann. Wesentlich wird sein, dass man sich über gemeinsame Prioritäten unterhält, aber auch konkret, wie sich die verschiedenen Akteure und Finanzierungsmechanismen miteinander verbinden und nutzen lassen. Hier sollen auch die Interessen der Kunst- und Kulturschaffenden einfließen. Die Expertinnen und Experten werden sowohl von den Kultur- wie auch den Außenministerien benannt werden, es kann aber auch zusätzlicher auswärtiger Sachverstand eingeholt werden. Das Ziel dieses Austauschs besteht einerseits in der Formulierung von Empfehlungen für regionale oder thematische Schwerpunkte der Zusammenarbeit, die kohärent und nachhaltig ausgelegt sein soll. Gleichzeitig sollen auch Vorschläge für konkrete Flaggschiffaktivitäten wie z. B. der gemeinsame Auftritt auf Buchmessen – die Teilnahme der EU als Ehrengast auf der größten spanischsprachigen Buchmesse im mexikanischen Guadalajara im Dezember 2023 wird hierzu eine bedeutsame Premiere sein –, Weltausstellungen, Festivals und ähnlichen Veranstaltungen gemacht werden.

Verstärkt durch die Coronakrise und die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die öffentlichen Haushalte sowie die Folgen der Inflation kann man bereits jetzt in einigen Mitgliedstaaten einen Rückzug auf die eigene nationale bzw. regionale Kulturbranche beobachten. Der Nutzen einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit muss zusehends argumentiert werden und wird nicht selten weniger als eine Notwendigkeit denn als ein Luxus in Zeiten knapper Kassen angesehen. Für ihre kulturellen Außenbeziehungen gilt ebenso wie für ihre Außenpolitik im Allgemeinen, dass sich die Union ständig ihrer Position gegenüber anderen Staaten, nicht nur etwa den USA oder China, intern rückversichern muss. Es bestehen entscheidende Unterschiede in Tradition, Herangehensweise oder geografischer Schwerpunkte. Es wäre wünschenswert, wenn aus diesem Prozess mehr als nur der kleinste gemeinsame Nenner hervorginge. Die kommenden EU-Präsidentschaften können hier eine entscheidende Rolle einnehmen, jedoch ist davon auszugehen, dass das Thema nicht überall die gleiche Bedeutung haben wird oder der Wille zum gemeinsamen Gestalten als ähnlich relevant mit Blick auf die verschiedenen Regionen der Welt angesehen wird. Für die Europäische Kommission stehen dabei sicher derzeit die Staaten des westlichen Balkans im Vordergrund, aber auch die Länder der Nachbarschaft sowie des afrikanischen Kontinents.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2023.