In der Coronakrise ist die Prekarität der Arbeits- und häufig auch Lebensbedingungen, mit der in der Kreativbranche Tätige häufig zu kämpfen haben, offen zutage getreten und hat eine breitere Öffentlichkeit erreicht. So haben seit 2020 z. B. Spielstätten im Musikbereich 76 Prozent weniger Publikum verzeichnen können und Museen 80 Prozent ihrer Einnahmen verloren. Eurostat ermittelte, dass 100.000 Künstlerinnen und Künstler den Beruf gewechselt haben. Nachdem die Europäische Kommission das Thema bereits mit einer Studie 2020 angegangen hatte, hat sie es im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung mit den Mitgliedstaaten seit 2019 bis 2022 weiter aufgegriffen, und die dort versammelten Experten haben ihre Studie im Juli 2023 vorgelegt. Auch in ihrem Arbeitsplan 2023-2026 ist die Befassung mit dem Problem vorgesehen, nicht zuletzt auch, um auf die dringenden Forderungen vonseiten des Europäischen Parlaments einzugehen. Hier wurde Ende vergangenen Jahres ein Initiativbericht verabschiedet, der konkrete Forderungen zur Verbesserung der Schaffensbedingungen stellt. Einige EU-Mitgliedstaaten haben tatsächlich bereits konkrete Maßnahmen ergriffen, um die Situation in ihrem Land zugunsten der Kreativen zu verändern. Portugal und Spanien haben früh einen speziellen Status für sie geschaffen, und auch Estland, Lettland und die Slowakei haben spezifische Instrumente zu ihrer Unterstützung eingerichtet. Auch die Niederlande und Österreich sehen sich in einer solchen Verpflichtung. In Irland wird ein garantiertes Basiseinkommen für Künstlerinnen und Künstler getestet. Tschechien, Griechenland, Spanien und Rumänien haben Reformen mit Blick auf Arbeitsbedingungen, Fortbildung und Weiterbildung oder Umschulungen im Rahmen ihrer nationalen Aufbau- und Resilienzpläne unter der EU Aufbau- und Resilienz Fazilität (RRF) vorgesehen. Doch das Europäische Parlament geht weiter und fordert die Kommission auf, sich für europäische Rahmenbedingungen für Kulturschaffende einzusetzen, z. B. über eine von den Mitgliedstaaten umzusetzende entsprechende Richtlinie, die angemessene Arbeitsbedingungen und eine korrekte Determinierung von Beschäftigungsverhältnissen im Kreativbereich aufstellt und sich dabei auf den entsprechenden Artikel für die Sozialpolitik (Artikel 153 EUV) stützt. Die Problematik von »Buy-out«-Verträgen spricht das Parlament ebenfalls an und begrüßt, dass die Kommission eine Studie zum Thema plant. An den Rat wird weiterhin die Forderung zur Erarbeitung gemeinsamer europäischer Standards gestellt, die z. B. durch eine Plattform zum besseren Austausch und zum erhöhten Verständnis untereinander erreicht werden soll. Anlässlich des Treffens der Kulturministerinnen und -minister der Mitgliedstaaten im November letzten Jahres hat die Kommission deutlich gemacht, dass sie diese Anliegen nicht nur sehr ernst nimmt, sondern auch konkret prüfen wird. Die Generaldirektion Bildung und Kultur, die innerhalb der Kommission im Rahmen ihrer Mainstreaming-Aufgabe dafür zuständig ist, dass die Anliegen der Kulturbranche in allen anderen Politikbereichen berücksichtigt werden, ist dazu in engem Austausch mit der für Soziales zuständigen Generaldirektion. Eine Herausforderung wird auch die Aufforderung für die kommende Generation der europäischen Förderprogramme darstellen, für eine EU-Unterstützung die Einhaltung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der EU oder kollektiver Arbeits- und Sozialregeln obligatorisch zu machen. Kulturschaffende sollten im Rahmen der geförderten Projekte etwa in Horizon Europe oder Kreatives Europa immer ein angemessenes Entgelt beziehen und auch für Proben oder für die Erarbeitung von Förderanträgen entgolten werden. Eine solche Forderung wurde für die europäischen Kulturförderprogramme schon häufig gestellt, ist jedoch in der Praxis schwieriger umzusetzen als auf den ersten Blick erkennbar. Das liegt natürlich insbesondere daran, dass die europäische Ebene im Kulturbereich nicht über eine umfassende Kompetenz verfügt, für das Entgelt verbindliche Angaben zu machen oder aber vertragliche Angelegenheiten konkret zu regeln oder zu prüfen. Das Programm Kreatives Europa hat in seinen Aktionen zur Plattform- und Netzwerkförderung explizit die sozialen und Arbeitsbedingungen der Kreativbranche im Blick. Im Kulturteil des Programms wird z. B. für die Förderung von Übersetzungen geprüft, ob eine angemessene Vergütung der Übersetzerinnen und Übersetzer angegeben ist. Inwiefern eine Konditionierung von Förderungen jenseits der künstlerischen Freiheit angebracht und angemessen ist, ist also eine Frage, die sich auch auf der europäischen Ebene stellt.

Diese Kolumne stellt nicht die Meinung der Europäischen Kommission dar, sondern ist die persönliche Ansicht der Autorin.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2024.