Nicht erst seit der Coronakrise blicken europäische Kulturschaffende auch nach Brüssel auf der Suche nach Unterstützung. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern immer wieder auch um rechtliche und politische Rahmenbedingungen für die Branche. Aus Gründen der Subsidiarität hat die europäische Ebene jedoch nur begrenzten Spielraum und insbesondere die Aufgabenverteilung mit den Mitgliedstaaten wird ständig überprüft und überarbeitet. Dabei verfolgen die Länder durchaus unterschiedliche Interessen, die von der halbjährlich wechselnden Ratspräsidentschaft mit durchaus häufig eigener Agenda zu Kompromissen zusammengeführt werden müssen. So zuletzt konkret bei der Verabschiedung des EU-Arbeitsplans für die Kultur für die Jahre 2023 bis 2026. Dieser bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit und definiert Schwerpunkte und Arbeitsteilung für die kommenden Jahre. In mehr oder weniger länglichen Verhandlungen in der sogenannten Ratsarbeitsgruppe wird aus einem bunten Strauß an Ideen, was man denn so in Europa machen könnte, ein Dokument mit dem Fokus auf weniger, dafür machbare und realistische, Arbeitsaufträgen. Da die Förderprogramme wie Creative Europe bis Ende 2027 verabschiedet sind und andere Bereiche wie z. B. das Wettbewerbsrecht oder Binnenmarktregeln unabhängig vom mehrjährigen Finanzrahmen, fallweise oder in Legislaturperioden konkretisiert werden, stellt dieser Arbeitsplan kulturpolitische Aufgaben und einen Zeitplan für ihre Umsetzung dar.
Von den Kulturministern Ende vergangenen Jahres verabschiedet, sind verschiedene Formen der Zusammenarbeit und des Austausches unter vier prioritären Arbeitsfeldern vorgesehen: die Stärkung von Kultur- und Kreativschaffenden; die Stärkung der kulturellen Teilhabe und die Rolle der Kultur in der Gesellschaft; die Wirkung der Kultur zur Bekämpfung des Klimawandels sowie die kulturelle Dimension der EU-Außenbeziehungen. Aufbauend auf einem von der Kommission vorgelegten Bericht über die Umsetzung des vorhergehenden Arbeitsplans 2019–2022, reichen die Aktionen von Studien und Workshops über Konferenzen bis hin zu Expertenrunden im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung oder Ratsschlussfolgerungen, die konkrete Handlungsaufforderungen beinhalten und daher deutlicher verbindlicherer Natur sein können. Für die kommenden Jahre spielt hier z. B. das Thema Status der Kulturschaffenden eine wichtige Rolle, wie auch das Europäische Parlament bekräftigt hat. Dabei geht es insbesondere um bessere Arbeitsbedingungen für Kreative, wie sie in einigen Mitgliedstaaten wie Portugal zugunsten einer größeren Sicherheit etwa mit Blick auf Bezahlung oder sozialer Absicherung in Reaktion besonders auf die Auswirkungen der Coronakrise gestaltet wurden. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Kommission hatte sich zuvor diesem Thema gewidmet, das naturgemäß von einer erheblichen Diversität zwischen den nationalen Systemen geprägt ist und ein einheitliches europäisches Vorgehen entsprechend schwierig macht. Besonders aktuell und auf der Agenda der aktuellen schwedischen Ratspräsidentschaft ganz oben angesiedelt, rangiert die Bewahrung der künstlerischen Freiheit, die derzeit selbst innerhalb der EU bedroht wird. In der Diskussion um die Wertegemeinschaft Europa müssen sich hier einige Akteure auch potenziell unangenehmen Fragen stellen. Ein europapolitisch erheblich durch Corona vorangetriebenes Feld betrifft Kultur und Gesundheit, das auch im Zusammenhang mit dem Aspekt der Inklusion zu bearbeiten sein wird. Vorarbeiten haben auch hier gezeigt, dass eine gute Kooperation mit nationalen Gesundheitsbehörden notwendig ist. Besonders von Deutschland begrüßt, wird sich die europäische Ebene außerdem der Rolle von Bibliotheken für kulturelle Teilhabe und als Ort der demokratischen Bildung widmen. Branchenübergreifend für den audiovisuellen und den Musikbereich wird die Kommission beauftragt, eine Studie zur »Discoverability« europäischer Werke im digitalen Umfeld zu erstellen. Auch hier hat das rasche Voranschreiten des Streamings während und nach Corona gezeigt, dass gerade die Vielfalt der europäischen Produktion grenzüberschreitend im globalen Kontext nur allzu selten sichtbar wird. Wenig überraschend ist auch das Thema Kampf gegen den Klimawandel und welche Verantwortung hier der Kultur im Allgemeinen und im Speziellen zukommt, im Arbeitsplan hervorgehoben. Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine hat die Bedeutung internationaler kultureller Beziehungen auf drastische Weise verdeutlicht. Kooperation und Koordination mit den außenpolitischen Akteuren findet bereits statt, muss jedoch verstärkt werden. Das Europäische Parlament hat die Schlussfolgerungen der Mitgliedstaaten begrüßt, nun gilt es, sie in den kommenden Jahren umzusetzen.