Soziokulturelle Arbeit, »community arts«, setzt mitten in der Gesellschaft an und ist Kern des bilateralen Förderprogramms »Cultural Bridge«, das von sieben Stakeholdern aus dem Vereinigten Königreich und Deutschland getragen wird: dem Fonds Soziokultur, dem British Council Deutschland, den vier Arts Councils des Vereinigten Königreichs und dem Goethe-Institut London. Das internationale Programm verbindet Kulturschaffende beider Länder und aktiviert Menschen auf lokaler Ebene.
»Cultural Bridge« fördert den Austausch zwischen kleineren soziokulturellen Organisationen und Akteurinnen und Akteuren in Deutschland und dem Vereinigten Königreich und stellt das Kulturmachen von Menschen vor Ort in den Mittelpunkt – in der ersten Förderstufe sogar ohne jeglichen Produktionsdruck. Voneinander lernen, sich gegenseitig verstehen und inspirieren: Darauf zielt das Förderprogramm ab. Denn gerade die kleineren, aus lokalen Gemeinschaften geborenen Kulturinitiativen profitieren vom Blick über den eigenen Tellerrand. Gleichzeitig sind es gerade diese dynamischen Organisationen, die aus dem intensiven Austausch hervorgehende Ideen schnell und wirksam umsetzen können. Haben sich auf beiden Seiten Initiativen gefunden, die ein konkretes Projekt entwickeln wollen, gibt es für diese Partnerschaften die Möglichkeit, sich um eine Förderung in der zweiten Förderstufe zu bewerben.
»Cultural Bridge« entstand nach dem Brexit. Die Initiative kam vom Fonds Soziokultur und basierte auf dem Modell eines Förderprogramms mit den Niederlanden. Für den British Council wies das Programmkonzept in die richtige Richtung, weil es den direkten und unkomplizierten Austausch zwischen Kulturmacherinnen und -machern, deren professionelle Entwicklung und nachhaltige, in die Gemeinschaften hineinwirkende Kooperationen ermöglicht.
Auf der Seite des Vereinigten Königreichs engagieren sich nicht nur der British Council, sondern auch die Kulturförderungsorgane aller vier Nationen: der Arts Council England, der Arts Council of Northern Ireland, Creative Scotland und Wales Arts International, der Arts Council of Wales. Auf deutscher Seite sind der Fonds Soziokultur federführend und das Goethe-Institut London Kooperationspartner im Programm.
Große gesellschaftliche Herausforderungen, die oftmals aus der Transformation ganzer Regionen und Wirtschaftszweige entstanden sind, prägen beide Länder gleichermaßen. Hier wie dort spielen die Kultur, die aus der Gesellschaft heraus entsteht, Community Engagement und Cultural Democracy, Partizipation und kulturelle Teilhabe eine wichtige Rolle. Ob Konzepte des Audience Development für Kultureinrichtungen oder »Creative Schools« – kulturelle Bildung als Teil von Schule und Konzepte für eine inklusivere Kulturszene kamen Anfang der 2000er Jahre aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland. Umgekehrt hat die Soziokultur in Deutschland ein starkes eigenständiges Profil entwickelt, das Kulturmachen ohne Umwege direkt in der Gesellschaft verankert hat. Auch für den Fonds Soziokultur hat »Cultural Bridge« eine hohe kulturpolitische Bedeutung.
Von den Shetland Islands in Schottland bis Chemnitz in Sachsen – bewusst fördert »Cultural Bridge« weit verteilt und in allen Regionen beider Länder. Breit gefächert sind auch die künstlerischen Sparten und Themen. Dazu ein paar Beispiele:
Das Projekt ENTER: Robots exchange brachte die inklusiv arbeitende Performancegruppe Hijinx Theatre aus Cardiff in Wales und tanzbar Bremen zusammen. Das gemeinsam erarbeitete Stück über Roboter, die sich selbst umprogrammieren, führten sie auf Open-Air-Festivals im Vereinigten Königreich und in Deutschland auf.
Erfreulicherweise wachsen Partnerschaften auch über »Cultural Bridge« hinaus: So können das Frankfurter TheaterGrueneSosse und das Edinburgher Theater Tortoise in a Nutshell nun mit einer Förderung der Kulturstiftung des Bundes im Programm Zero ihre Zusammenarbeit fortsetzen: Sie entwickeln eine CO2-freundliche visuelle Performance, mit der man auf Tournee gehen kann – und zwar mit dem Zug.
Der Verein ASA-FF aus Chemnitz und Quarantine aus Manchester entwickeln unter dem Titel »Fragen/Questions« ein Projekt, das im Rahmen des Programms der Kulturhauptstadt Chemnitz fortgeführt werden soll. Das Beteiligungsprojekt erforscht künstlerisch Ähnlichkeiten und Unterschiede der beiden Städte, des Alltags und des Lebens darin.
Auch die Politik hat den Wert des Förderprogramms erkannt. So wurde »Cultural Bridge« bei der Konferenz der Cultural Commission, die im Mai letzten Jahres in London stattfand, als herausragendes Beispiel einer erfolgreichen kulturellen Zusammenarbeit gefeiert. Die Cultural Commission ist ein 2023 wiederaufgenommenes, jährlich stattfindendes politisches Forum, zu dem Regierungsvertreterinnen und -vertreter beider Länder sowie Vertreter des British Councils und des Goethe Instituts zusammenkommen, um Prioritäten in der kulturellen Zusammenarbeit zu setzen.
Der politische Wille ist da, die außergewöhnliche Struktur der sieben Programmpartner funktioniert, doch die Kassen für Kultur sind ziemlich leer. Insbesondere die Planungsunsicherheit, die für »Cultural Bridge« durch die Neuwahlen in Deutschland entstanden ist, lässt die Zukunft des Programms über 2025 hinaus offen, obwohl der Arts Council England im Herbst 2024 erfreulicherweise den eigenen finanziellen Beitrag zum Programm in Höhe von 545.000 Euro bis 2027 sichern konnte. Und der Bedarf ist nachweislich da: Auf die Ausschreibung für die aktuelle und vierte Förderrunde sind insgesamt 131 Anträge im Volumen von rund 2,6 Millionen Euro eingegangen. Davon werden in diesem Jahr 20 Partnerschaften mit dem zur Verfügung stehenden Budget von rund 430.000 Euro gefördert.
Mit seinem Bottom-up-Ansatz, durch persönliche Begegnungen und die Arbeit zwischen Kulturgemeinschaften ist das Programm eine Investition in den internationalen Zusammenhalt in einem Europa, das diesen dringend braucht.
Mehr zum Programm und zu den geförderten Projekten finden Sie hier.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2025.