Private Finanzierung als Alibi für reduzierte öffentliche Kulturförderung, Zivilcourage, Selbstzensur und ein stark kritisierter Bildungskanon für Kultur sind Themen, die in Schweden momentan diskutiert werden.
Ist private Finanzierung der Kultur die Zukunft oder nur eine naive Utopie? Der Wunsch nach der Rückkehr des Mäzenatentums und privaten Finanzierung in Schweden wird von der Regierung optimistisch genährt. Naiv, meinen die Kritiker und argumentieren, dass dies als Alibi für eine geringere öffentliche Unterstützung der Kultur dienen könnte.
Ein aktuelles Beispiel ist die öffentlichkeitswirksame Spende von 300 Millionen schwedischen Kronen (SEK) für den Ausbau des Königlichen Opernhauses durch die Wirtschaft, darunter Stefan Persson (H&M). Eine Summe, die allerdings nur kaum zehn Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Trotzdem wird sie von der Kulturministerin hochgejubelt.
Im Grunde werden alternative Finanzierungsformen aller Art begrüßt; die Sorge, dass die öffentlichen Mittel dadurch reduziert werden, rückt dabei in den Hintergrund. Wer trägt eigentlich die Hauptverantwortung für die zukünftige Kulturfinanzierung?
Die schwedische Kulturpolitik ist noch recht jung; 1974 – im selben Jahr, als Abba Eurovision und die Welt eroberte, – gab es erstmals einen grundlegenden Beschluss des Reichstags zur Kulturpolitik, die damals in das System des schwedischen Wohlfahrtsstaates integriert wurde. Aber das war einmal. Der Status der Kultur in der schwedischen Politik ist derzeit gering. Ein Bildungsbürgertum wie in Deutschland gab es z. B. noch nie. Für 2025 erhält die Kultur 9,3 Milliarden SEK an staatlicher Unterstützung – 0,65 Prozent des Gesamthaushalts: der niedrigste Wert seit über 20 Jahren. Gleichzeitig gab es Steuersenkungen.
Die zunehmende politische Polarisierung hat eher indirekte Auswirkungen auf die Kulturpolitik und Kulturförderung. Die Kritik an »Menstruationskunst« und Dragqueens, die Märchen für Kinder lesen, wird lauter. Für die Schwedendemokraten ist so etwas ein rotes Tuch, und das Prinzip, dass kulturelle Inhalte frei von politischer Kontrolle sein sollten, wird zunehmend in Frage gestellt. Die Konsequenzen werden in den Regionen am deutlichsten.
Ein Beispiel: 2023 wurde die Kulturverwaltung in Norrköping Teil des Amtes für Wachstum und Entwicklung. Das Management des erfolgreichen Orchesters sei Teil einer »verwöhnten Kulturelite«, weil es nichts beitragen wolle, wenn die Stadt jetzt sparen müsse, hieß es. Das Rezept: Das Symphonieorchester sollte mehr Abba spielen, um mehr Besucher anzulocken. Heute hat die Stadt eine neue politische Leitung, und die Kulturverwaltung ist wieder eigenständig.
Finanzielle Abhängigkeit wirkt zunehmend einschüchternd. Unter vielen Künstlern herrscht ein starkes Gefühl der Resignation, aber auch die Gefahr der Selbstzensur. Dieses Thema wurde im Februar bei »Folk och Kultur«, einer jährlich stattfindenden kulturpolitischen Tagung, diskutiert. Seit 2018 ist sie ein wichtiges Treffen für Politiker, Künstlerinnen, Künstler, Kulturschaffende und Zivilgesellschaft in Eskilstuna.
Zu den wichtigsten Themen in diesem Jahr gehörten die Privatfinanzierung der Kultur, die Rolle der Volksbildung für zukünftige Künstlerinnen, Künstler und Musiker, die Gefährdung der Demokratie und ein lebendiges Kulturerbe ohne nationalistische Färbung.
Die für Schweden wichtige Volksbildung ist ein aktuelles Thema für die Zukunft der Kultur. Staatliche Kürzungen an den Volkshochschulen und Studienverbänden bedeuten, dass es viel weniger Möglichkeiten gibt, z. B. ein Musikinstrument zu lernen und Proberäume für Bands zu finden: notwendige Voraussetzungen für eine zukünftige Elite. Die Musikindustrie rechnet nicht länger mit einem Spitzennachwuchs.
Welchen Einfluss hat die Kulturministerin, und was ist ihre Botschaft an die Künstler? Als Parisa Liljestrand bei der Eröffnung des Göteborger Filmfestivals eine Rede hielt, erntete sie Buhrufe und Spottgelächter aus dem Publikum, als sie die Filmindustrie als verwöhnte Kulturelite kritisierte. Genauso unbeliebt ist der offizielle schwedische Bildungskanon für Kultur, der bis August 2025 erstellt werden soll. Das Projekt wurde u. a. von der Schwedischen Akademie kritisiert, die der Meinung ist, dass ein nationaler Kanon die Ideologie über die Kraft der Literatur stellt.
Das Tidö-Abkommen besagt, dass die Regierung höhere Anforderungen an Anwärter für die schwedische Staatsbürgerschaft vorschlagen wird. Dabei geht es auch um Kenntnisse der schwedischen Gesellschaft und Kultur. Laut der ehemaligen kulturpolitischen Sprecher der Schwedendemokraten beinhaltet dieser Vorschlag auch einen Kulturkanon.
Die Kulturministerin, geboren in Iran, unterstützt einen solchen Kulturkanon. Bei der Eröffnung von »Folk och Kultur«, vermied sie es, von der tragischen Schießerei in einer Schule am Tag zuvor im Zusammenhang mit dem Thema Kulturpolitik zu sprechen. Aus Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer oder aus Angst vor dem Publikum? Die Zukunft wird es zeigen.