Nachdem die Veröffentlichung des Vorschlags der Europäischen Kommission zum European Media Freedom Act (EMFA) von Juli auf »nach der parlamentarischen Sommerpause« verschoben wurde, sind die Erwartungen auf den nun für September 2022 angekündigten Vorschlag hoch. Vorab gab EU-Kommissar Thierry Breton dem Ausschuss für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments einige Einblicke in den künftigen Vorschlag. So soll der EMFA darauf abzielen, den Pluralismus und die Unabhängigkeit der Medien im EU-Binnenmarkt zu sichern, der laut der Kommission mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert ist: Bisher gibt es europaweit unterschiedliche nationale Regelungen zum Medienpluralismus, insbesondere zu den Marktzugangsbedingungen, sowie bislang unzureichende Strukturen für die Zusammenarbeit zwischen unabhängigen Medienaufsichtsbehörden. Mit dem angekündigten EMFA sollen außerdem Fälle öffentlicher und privater Einflussnahme in Besitz, Verwaltung und Betrieb von Medienunternehmen minimiert werden und Schutzmaßnahmen für den Medienpluralismus auch online gestärkt werden. Wie der geplante Mechanismus, mit dem gegen Bedrohungen der Medienfreiheit vorgegangen werden könnte, genau aussehen soll, und welche Standards für eine unabhängige Verwaltung der von Medien- und Rundfunkanstalten gelten sollen, bleibt bisher im Unklaren. Eins muss jedoch sichergestellt sein: Der EMFA muss auf die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD) aufbauen, denn diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten bereits, Medienaufsichtsbehörden zu benennen, die unabhängig von öffentlicher und privater Einflussnahme sind, und sicherzustellen, dass diese Stellen ihre Befugnisse im Einklang mit dem Grundsatz des Medienpluralismus ausüben.

Ob die Kommission diesen Herausforderungen mit an die Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlungen begegnen wird, um diese nur »aufzufordern«, eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen, darunter nationale Kontrollverfahren für den Medienmarkt, Beschränkungen des Marktzugangs und der Markttätigkeit, Transparenz des Medieneigentums, Schutz der redaktionellen Unabhängigkeit und der Medienvielfalt sowie transparente Zuweisung staatlicher Mittel, ist fraglich. Zwar könnten solche Empfehlungen einen Überwachungsmechanismus für die Kommission beinhalten, um die Anwendung durch die Mitgliedstaaten sicherzustellen. Die Durchsetzung um Umsetzung von Maßnahmen anhand eines legislativen Instruments, das durch ein verstärktes EU-Netz unabhängiger Medienregulierungsbehörden unterstützt wird, ist aber wohl die von der Kommission bevorzugte Lösung. In Bezug auf den möglichen Inhalt der künftigen Rechtsvorschriften spricht sich die Kommission für gemeinsame Grundsätze für nationale Prüfverfahren für Transaktionen auf dem Medienmarkt und andere Beschränkungen des Marktzugangs und der Tätigkeit der Medien aus sowie für Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz der Medienmärkte; gemeinsame Grundsätze für den Schutz der redaktionellen Unabhängigkeit der Medien; transparente Zuweisung staatlicher Mittel im Mediensektor; kohärente Regulierungs- und Selbstregulierungsstandards, die für den Medienpluralismus – offline und online – relevant sind; einen wirksamen und unabhängigen Überwachungsmechanismus auf EU-Ebene und einen strukturierten Rahmen für die Zusammenarbeit der Medienaufsichtsbehörden. Dieser könnte auf der bestehenden ERGA, der sogennanten European Regulators Group for Audiovisual Media Service, aufbauen und möglicherweise mit den erforderlichen Befugnissen und Ressourcen ausgestattet werden. Die Medienaufsicht soll unabhängig, staatsfern und dezentral organisiert sein.

Der Ausschuss für Kultur und Medien im Europäischen Parlament zieht eine sektorspezifische Regulierung einer vollständigen regulatorischen Harmonisierung des Mediensektors vor. Die Regelungskompetenz für die Sicherung der Kultur- und Medienvielfalt liegt bei den EU-Mitgliedstaaten. In Deutschland ist diese Kompetenz den Bundesländern zugewiesen. Fraglich ist daher, ob horizontale Marktregeln die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Medienvielfalt wirksam schützen könnten, oder ob eine Vollharmonisierung des EU-Rechts nicht die kulturelle Souveränität der Mitgliedstaaten verkennt. Das Prinzip der Unabhängigkeit der Medien vom Staat sollte aber in jedem Fall auf europäischer Ebene verankert werden. Ein entsprechender Vorschlag dazu wird aus dem Parlament vorbereitet – schon bevor der Kommissionsvorschlag des EMFA überhaupt veröffentlicht ist.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2022.