Als erster Mandolinist überhaupt wurde er für den Grammy nominiert. Heute konzertiert er als Botschafter dieses Instruments in den wichtigsten Musikzentren weltweit. Lisa Weber spricht mit Avi Avital über die Mandoline, seine Leidenschaft für diese und das Ziel, sie als Konzertinstrument stärker zu etablieren.

Lisa Weber: Herr Avital, woher kommt Ihre Leidenschaft für die Mandoline?

Avi Avital: Ich habe mit acht Jahren angefangen, Mandoline zu spielen. Meine ersten Erfahrungen mit der Mandoline sammelte ich bei einem Konzert des Jugend-Mandolinenorchesters in meiner Heimatstadt, zu dem mich meine Eltern mitnahmen. Eines der Orchestermitglieder ermutigte mich, die Mandoline selbst auszuprobieren, und es war erstaunlich, wie leicht ich erste Töne erzeugen konnte. Die Mandoline war mir gegenüber sehr freundlich und sympathisch. Das faszinierte mich, und so entschied ich mich, Teil dieses Kinderorchesters zu werden. Meine Eltern unterstützten meine Entscheidung und meldeten mich am örtlichen Konservatorium an, wo meine musikalische Ausbildung begann. Glücklicherweise hatten wir einen großartigen und charismatischen Dirigenten, der eine kluge Auswahl der Musikstücke traf und sie geschickt arrangierte. Auf diese Weise öffnete sich für mich die Tür zur klassischen Musik, zunächst durch das gemeinsame Musizieren mit anderen Kindern und die Freude, die ich dabei empfand.

Die Mandoline wurde in der klassischen Musik lange Zeit unterschätzt. Dennoch haben Sie dieses Instrument in die großen Konzertsäle gebracht. Mit welchen Herausforderungen waren Sie dabei konfrontiert?

In der Welt der klassischen Musik fand die Mandoline wenig Berücksichtigung als Konzertinstrument – sie war vielmehr ein Außenseiterinstrument, das hauptsächlich im Amateur- und Folklorebereich anzutreffen war. Die bedeutenden Komponisten des klassischen Musikkanons haben nur selten für die Mandoline komponiert. Brahms, Schubert und Beethoven schrieben beispielsweise gar nicht oder kaum für die Mandoline. Beethoven verfasste lediglich vier kleine Stücke für eine Mandolinistin, in die er verliebt war. Er hat diese Werke aber nie veröffentlicht. Als junger Musiker stand ich vor der Tatsache, dass die Mandoline in der klassischen Musikwelt kaum als Konzertinstrument wahrgenommen wurde. In dieser Hinsicht musste ich meinen eigenen Weg finden. Denn während meiner musikalischen Ausbildung gab es noch keine etablierten Strukturen, keine Mandolinenwettbewerbe und keine großen Lehrer für Mandolinisten.

Wie gestaltete sich Ihre musikalische Ausbildung an der Universität ohne bewährte Strukturen und ohne klaren Berufsweg für Mandolinisten?

An der Musikakademie in Jerusalem gab es keinen Mandolinenlehrer. Mein Lehrer war ein Geiger, der keinerlei Erfahrung im Mandolinenspiel hatte. Dennoch vermittelte er mir Phrasierung und das Verständnis für die Musik. Es war zweifellos eine Herausforderung, nicht zu wissen, wohin man sich wenden sollte. Doch gleichzeitig empfand ich es als eine unglaubliche Freiheit. Ich verstand es als meine Mission, der Welt zu zeigen, dass die Mandoline ein wunderschönes Instrument ist, das alle kennen sollten. Das war und ist meine Triebkraft. Denn die Mandoline hält immer noch Geheimnisse bereit, die es zu entdecken gilt. Ich lerne selbst ständig Neues über dieses Instrument.

Die Mandoline hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Anfang dieses Jahres wurde sie von den Landesmusikräten zum »Instrument des Jahres 2023« gekürt. Wir nähern uns dem Jahresende: War 2023 bisher ein erfolgreiches Jahr für die Mandoline?

Absolut! In Großbuchstaben: JA. Zuerst einmal war ich begeistert, dass die Landesmusikräte der Mandoline diese wichtige Anerkennung schenkten. Die Landesmusikräte und der Deutsche Musikrat haben großartige Arbeit dabei geleistet, das Instrument auf verschiedenen Ebenen und Kanälen zu fördern. Die deutsche Mandolinen-Gemeinschaft aus Amateuren und Fachleuten ist zusammengewachsen und hat hervorragend zusammengearbeitet. Darüber hinaus gab es definitiv eine Zunahme an Mandolinenkonzerten. Das »Jahr der Mandoline« hat eine positive Botschaft an alle gesendet, die Mandoline spielen – egal ob Amateure oder Profis. Außerdem konnte einem breiteren Publikum gezeigt werden, dass die Mandoline ein ebenso schönes Konzertinstrument ist wie andere verbreitetere.

Sie sind Schirmherr für das »Instrument des Jahres 2023: Mandoline«. Welche Ziele verfolgen Sie in dieser Position?

Es gibt zwei zentrale Ziele, die ich als Schirmherr verfolge. Eines davon ist, eine pädagogische Botschaft zu vermitteln. Die Mandoline ist von Natur aus das ideale Amateurinstrument, denn sie kann äußerst intuitiv gespielt werden. Dank ihrer Bünde gibt es beim Zusammenspiel mit anderen Mandolinen keine Intonationsprobleme. Bei Streichinstrumenten in Jugendorchestern dauert es hingegen oft Jahre, bis die Intonation stimmt. Ganz anders beim Mandolinenspiel: Man kann sehr schnell allein oder in einer Gruppe mit anderen Menschen spielen. Im Vergleich zu vielen anderen Instrumenten klingt die Mandoline schon nach kurzer Zeit gut. Verstehen Sie mich nicht falsch, die Art und Weise, wie ich spiele, mag anspruchsvoll sein, aber der Einstieg von null auf hundert erfolgt sehr schnell. Dies zeigt sich auch daran, dass Mandolinenorchester im Laufe der Geschichte vor allem im Amateurformat sehr beliebt waren. In verschiedenen Teilen der Welt hat die Mandoline im 20. Jahrhundert großen Anklang gefunden, besonders in Ländern wie Japan und Italien. Dort gab es Amateur-Mandolinenorchester, die so etwas wie Betriebsorchester waren. In Rom hatte z. B. die italienische Eisenbahngesellschaft ihr eigenes Mandolinenorchester, und auch einige Fabriken und Büros bildeten solche Orchester. Vor diesem Hintergrund liegt es mir am Herzen, die Menschen zu ermutigen, in Amateur-Mandolinenorchestern zu spielen. Ich möchte zeigen, wie viel Freude das macht. Zu dieser pädagogischen Botschaft zählt für mich auch die Förderung von Mandolinenorchestern, besonders für Kinder. Denn das Musizieren in einer Gruppe ist ein äußerst effizientes Mittel zur musikalischen Bildung von Kindern – ich selbst bin sozusagen in einem Mandolinenorchester aufgewachsen.

Ein weiteres meiner Anliegen ist, der Welt und den Menschen in Deutschland zu vermitteln, dass die Mandoline durchaus auf professionellem Niveau gespielt werden kann. Anders ausgedrückt: Die Mandoline steht der Geige, dem Klavier oder Cello in nichts nach. Bei dem Besuch eines Mandolinenkonzerts hat man die Möglichkeit, etwas völlig Neues zu entdecken. Dies ist in der traditionellen Kunstform der klassischen Musik eher selten der Fall.

Sie leben in Berlin, sind jedoch in Israel geboren und aufgewachsen. Welche Rolle spielt die Mandoline in der Geschichte Israels?

In Israel gab es eine Periode, in der Mandolinenorchester äußerst beliebt waren. Zwischen den 1930er und den 1970er Jahren verfügte nahezu jeder Kibbuz in Israel über ein Mandolinenorchester. Die Kibbuzim wurden von Menschen geprägt, die mit sozialistischen Idealen aus Europa oder Osteuropa nach Israel kamen, um das Land aufzubauen. Diese Menschen vereinten in sich einen interessanten Widerspruch: Einerseits vertraten sie die idealistische Idee, dass jeder das Land mit den eigenen Händen bearbeiten und so von Grund auf am Aufbau des Landes mitwirken sollte. Andererseits stammten sie aus gebildeten europäischen Familien: Das kulturelle Leben sowie die klassische Musik hatten daher im Kibbuz einen besonderen Stellenwert und waren stark von europäischen Einflüssen geprägt. Gleichwohl ließ es die harte Arbeit auf dem Feld nicht zu, zarte Instrumente wie z. B. die Violine zu spielen. Hier kam die Mandoline ins Spiel: Sie war das ideale Instrument, das von jedem gespielt werden konnte. Nach der Arbeit konnten sich die Menschen im Kibbuz zusammensetzen und gemeinsam musizieren.

Für diejenigen unserer Leserinnen und Leser, die die Welt der Mandoline näher kennenlernen oder mit dem Mandolinenspiel beginnen möchten: Was ist ein guter Anfang?

Eine großartige Einführung für die Mandoline ist die Musik Vivaldis. Er ist der erste Komponist, der wirklich ein Meisterwerk für die Mandoline geschrieben hat, das auch heute noch weitverbreitet ist. Ich empfehle, mit einfacheren Stücken zu beginnen. Dabei muss es nicht immer unbedingt Mandolinenmusik sein. Zudem ermutige ich dazu, die Mandoline auszuprobieren, bevor Sie sich ein eigenes Instrument kaufen: Finden Sie jemanden, der bereits eine Mandoline besitzt, spannen Sie neue Saiten und stimmen Sie sie richtig. Dann können Sie einfach damit experimentieren und Töne erzeugen. Zu entdecken, wie man Klänge erzeugt, kann äußerst befriedigend sein.

Vielen Dank.

Das Interview wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2023.