Der Deutsche Übersetzerfonds (DÜF) vergibt ca. 250 Stipendien pro Jahr. Mehrheitlich fördern wir dabei Übersetzerinnen und Übersetzer fremdsprachiger Werke ins Deutsche, sofern die Übersetzung dieser Werke eine anspruchsvolle sprachliche literarische Gestaltung erfordert. Dazu vergeben wir die sogenannten »Radial-Stipendien«; diese richten sich an Übersetzerinnen und Übersetzer mit Wohnsitz in Deutschland, die deutschsprachige Literatur in eine andere Sprache übertragen. Stipendien sind individuelle Förderungen, sie verschaffen den Übersetzenden Freiräume, dienen der Fortbildung und der Entfaltung übersetzerischer Möglichkeiten oder machen in Form von Reisestipendien mobil. Die Mehrzahl der Stipendien wird für in Arbeit befindliche Übersetzungsprojekte gewährt, für die ein Verlagsvertrag geschlossen wurde.
Verändern die Fortschritte der KI-basierten Übersetzungstools und Textgeneratoren die Förderpraxis des Deutschen Übersetzerfonds?
Das Grundsätzliche vorweg: Übersetzerinnen und Übersetzer können sich allein als künstlerisch schöpfende Individuen, also als Urheber eines Werks, um unsere Stipendien bewerben. Sie stehen dabei in einer Verantwortungsbeziehung zum auftraggebenden Verlag wie zur Autorin, zum Autor des Originaltextes, sie haben den Anspruch, dem Originalwerk gerecht zu werden, und stehen dafür mit ihrem Namen ein. Die Entscheidung über die Hilfsmittel, die sie bei der Erstellung des jeweiligen Werks benutzen, liegt in ihrer Verantwortung. Eine Abfrage oder gar Überprüfung durch den Deutschen Übersetzerfonds, ob und inwieweit dabei neben Weltwissen, Wörterbuch und Web auch KI-unterstützte Hilfsmittel verwendet werden, findet nicht statt. Unsere Jurys haben die Aufgabe, die Komplexität und literarische Qualität der Übertragung in die Zielsprache zu beurteilen. Auch wenn sich der Maschinenpark erweitert hat: Zum jetzigen Zeitpunkt drängt sich eine Präzisierung unserer Vergaberichtlinien nicht auf.
Eine Umfrage unter professionellen Literaturübersetzern in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat unlängst ergeben, dass Übersetzungsprogramme wie DeepL mitunter eingesetzt werden – als möglicher Sidekick oder als Inspiration für einzelne Textstellen; wobei die Vorschläge der Maschine in aller Regel Anstöße sind und im Endeffekt keine Zeitersparnis bringen. Die Feldversuche der vom DÜF geförderten Initiative »Kollektive Intelligenz« haben bislang ergeben, dass das »Post-Editing« – das Nachbearbeiten eines maschinell übersetzten Texts – meist eine zeitfressende, auch nervtötende und in künstlerischer Hinsicht überaus unbefriedigende Praxis ist. Die fürs anspruchsvolle Übersetzen erforderliche sprachliche Kreativität kann KI nicht ersetzen, und auf ihre auf Wahrscheinlichkeiten basierende »Interpretation« dessen, was im Original steht, ist eben fürs konkrete Einzelne kein Verlass. Man mag noch so bereitwillig grobe Schnitzer beseitigen und menschliche Politur auftragen – maschinell übersetzte Texte bleiben qualitativ hinter den Möglichkeiten einer Humanübersetzung zurück.
Ein Blick in die Verträge zeigt bislang wenig Bewegung in der Sache, geschweige denn Folgen für unsere Vergabepraxis. Es ist gut denkbar, dass Verlage »die Verwendung von KI« (ein weites Feld, was genau soll das heißen?) künftig genauer markiert sehen möchten oder auf Geheiß des lizenzgebenden Verlags oder des jeweiligen Originalautors KI-basierte Übersetzungen untersagen. Es mag Marktsegmente geben, in denen die sprachliche Gestaltung weniger zählt und der nachbearbeitete maschinelle Output genügsam hingenommen wird – diese Segmente stehen allerdings nicht im Fokus unserer Förderung. In deren Zentrum stehen Menschen – Menschen mit ihren geistigen Schöpfungen, Menschen, auf deren Interpretationsvermögen, Sprachkraft und Sensibilität gutes literarisches Übersetzen beruht und für deren Weiterbildung, auch in Sachen Machine Translation Literacy, der Deutsche Übersetzerfonds Angebote macht. Wir begleiten den steten Wandel, dem das Wissen und das Bewusstsein über die Arbeit des Übersetzens unterliegen, und fördern individuelle Bestrebungen, die kreativen Ausdrucksmöglichkeiten übersetzter Literatur zu erweitern.