Wir teilen unsere Erde mit 8 bis 10 Millionen Tier- und Pflanzenarten, haben Forscher mit neuen Hochrechnungen unlängst herausgefunden. Die meisten davon sind jedoch noch unbekannt, lediglich 1,8 Millionen sind wissenschaftlich erfasst und beschrieben. Pro Jahr kommen rund 18.000 neu beschriebene Arten hinzu. Die Klassifizierung und Benennung neuer Arten funktioniert nach dem von Carl von Linné entwickelten System.
Doch wie kommt ein Forscher oder eine Forscherin überhaupt dazu, eine neue Art zu erkennen? Kurz gefasst erfordert dies drei Faktoren: große Erfahrung, den Zugang zu einer reichhaltigen Vergleichsammlung und die Kenntnis der relevanten taxonomischen Literatur. In der Regel beschäftigt sich ein Taxonom, so werden Artenbeschreiber genannt, sein gesamtes Forscherleben mit einer bestimmten, meist überschaubaren Tiergruppe, bei Insekten meist nur mit einer oder wenigen Familien. Er ist zudem oftmals nur auf eine Region dieser Erde spezialisiert. Er versucht, über eigene Sammlungsreisen und Besuche in vielen Museen so viel Material wie möglich zusammenzutragen und einen Überblick über die schon benannten Arten zu gewinnen. Sobald ihm die aktuell beschriebenen Arten bekannt sind oder er sie über die Literatur identifizieren kann, stellt der Experte meist schnell fest, wenn ihm eine wissenschaftlich noch unbekannte Art vorliegt. Diese kann der Entdecker dann in einer Fachzeitschrift beschreiben.
Seit rund zwei Jahrzehnten erhalten die Forscher dabei eine sehr wirksame Unterstützung durch eine neue und revolutionäre Technologieaus dem Bereich der Genetik. Ähnlich wie in der Kriminalistik, wo sich die kleinsten Spuren einem Menschen zuordnen lassen, können auch Proben von Tieren durch die Sequenzierung eines Abschnitts eines bestimmten Genes, des CO1-Genes, eindeutig bis zur Art identifiziert werden, und zwar ganz ohne langjährige Erfahrung. Diese Technik ist heute als »Genetisches Barcoding« bekannt. Ähnlich wie die Waren im Handel tragen alle Lebewesen diesen genetischen Barcode ständig mit sich herum und lassen sich damit identifizieren. Bei Pflanzen, Pilzen und Bakterien gibt es ähnliche Techniken, die teilweise auf anderen Genen basieren.
Alleine beim kanadischen »Barcode of Life Data System« (BOLD), einem der weltweit größten öffentlichen Portale für genetische Identifikation, liegen inzwischen rund 1,1 Millionen unterschiedliche Barcodes vor. Diese zählen zu rund 260.000 identifizierten Tier-, 100.000 Pflanzen- und Pilzarten. Die übrigen Barcodes verteilen sich auf bisher unbeschriebene Arten, ausreichend Arbeit für mehrere Forschergenerationen. Die rund 50.000 deutschen Tierarten sind dort mit inzwischen etwas mehr als der Hälfte aller Arten vertreten.
Das Barcoding hat das Erkennen und Beschreiben der Arten revolutioniert. So konnten die Forscher damit zahlreiche sogenannte Zwillingsarten entdecken. Beim Barcoden stellen sie immer wieder fest, dass bereits bekannte Arten in Wirklichkeit aus zwei oder mehr Arten bestehen. Wenn sie diese Unterschiede noch durch unterschiedliche körperliche Merkmale oder andere Faktoren absichern können, reicht dies meist als Beweis für das Vorliegen einer weiteren neuen Art aus. Da Barcoding inzwischen auch bei altem Museumsmaterial gut funktioniert, müssen die Forscher nicht einmal mehr in die Wüste oder den Urwald reisen, ein Besuch der eigenen Sammlung reicht für neue Entdeckungen bereits aus. Auch in Deutschland wurden in den letzten Jahren auf diese Weise mehrere Dutzend Insekten- und Spinnenarten neu entdeckt.
Doch diese Tür wurde bisher gerade erst aufgestoßen. Die Anzahl der bekannten Arten wird sich vor allem in bisher schlecht untersuchten Regionen unserer Erde wie den tropischen Regenwäldern oder den Ozeanen in den nächsten Jahrzehnten deutlich vervielfachen. Selbst im gut untersuchten Deutschland erwarten Wissenschaftler noch weit über tausend unentdeckte Tierarten, vor allem Insekten. Dabei ist höchste Eile geboten, weil derzeit immer mehr Arten von dieser Erde verschwinden, ohne dass wir je von ihnen erfahren werden.
wahrgenommen zu werden. Besonders jetzt, wo die AfD zeigt, dass ihre erinnerungspolitischen Angriffe nicht bloß Rhetorik sind.