Die Prinzipien der Benennung biologischer Arten sind im Grunde nicht allzu kompliziert. Wissenschaftliche Artnamen besitzen eine einfache Struktur aus zwei Bestandteilen (Binomen). Nehmen wir zum Beispiel uns selbst, Homo sapiens, der heutige Mensch. Homo wird als Gattungsname bezeichnet und kennzeichnet eine übergeordnete Klassifikationsebene, die eine oder mehrere Arten einschließt. Der zweite Namensbestandteil, sapiens, wird als Art-Epitheton bezeichnet und verweist auf die eigentliche Art. Nach diesem Prinzip werden alle Organismen benannt, vom Regenwurm Lumbricus terrestris bis zum Großen Panda Ailuropoda melanoleuca.

Neben dem zweiteiligen Binomen einer Art ist es zumindest in der Wissenschaft üblich, auch den oder die für das Art-Epitheton verantwortlichen Autoren und die Jahreszahl der Publikation des Werkes zu nennen, in dem der Name veröffentlicht wurde. Diese Langform des Artnamens inklusive Autor und Jahreszahl lautet beim Menschen Homo sapiens Linnaeus, 1758.

Die sprachliche Bildung eines wissenschaftlichen Tiernamens wird durch die »Internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur« geregelt. Der Code ist als Selbstverpflichtung der Zoologen der Rahmen, in dem sich die gesamte zoologische Taxonomie und damit die sprachliche Welterschließung bewegt.

Bei wissenschaftlichen Namen unterscheidet man zwischen Verfügbarkeit einerseits und Gültigkeit oder Validität andererseits. Erfüllt ein wissenschaftlicher Name die Kriterien der Nomenklaturregeln, wurde er also formal korrekt gebildet und publiziert, gilt er als verfügbar. Selbst dann aber muss der Name nicht der gültige Name sein, weil zum Beispiel ein und dieselbe Art mehrfach beschrieben und benannt wurde. Das passiert recht häufig und kann unterschiedliche Gründe haben. Liegen also zwei oder mehr verfügbare Namen für eine Art vor (Synonyme), greift das Prioritätsprinzip, das besagt, dass der zuerst veröffentlichte Name gültig ist.

Die allerwichtigste Anforderung für einen verfügbaren Namen ist die Publikation. Dazu gibt es in den Nomenklaturregeln einen eigenen Paragrafen, der recht detailliert regelt, was als Publikation gilt. Nur formal publizierte Namen und nomenklatorische Entscheidungen sind gültig und müssen berücksichtigt werden.

Bei der Veröffentlichung wissenschaftlicher Namen müssen zudem einige weitere Prinzipien beachtet werden. So muss die Artbeschreibung von einer sogenannten Diagnose begleitet werden, die in Worten genau beschreibt, worin sich die neu entdeckte und benannte Art von den schon bekannten Arten unterscheidet. Auch müssen die Exemplare, anhand derer die neue Art entdeckt wurde, individuell genannt werden. Diese Belegexemplare, die als Typen oder Typusexemplare bezeichnet werden, sind als dauerhafte Referenzobjekte für jeden Artnamen besonders wichtig und werden in Museumssammlungen besonders gekennzeichnet und geschützt.

Damit sind die Anforderungen an einen zulässigen wissenschaftlichen Namen im Grunde auch schon beisammen. Keine schwierige Hürde, eigentlich. Der Teufel steckt auch hier im Detail. Eine besondere Herausforderung sind die historischen Namen, die vor den heute gültigen Nomenklaturregeln veröffentlicht wurden. Der Beginn der standardisierten Nomenklatur wurde mit der Publikation der 10. Auflage des grundlegenden Werkes »Systema Naturae« von Carl von Linné auf den 1. Januar 1758 festgelegt, und alle seitdem publizierten Namen müssen berücksichtigt werden. Ihre Bedeutung und Bildung zu verstehen, stellt eine enorm aufwändige Recherchearbeit dar. Ein Großteil der Nomenklaturregeln betrifft den Umgang mit solchen historischen Namen.

Wurde nun also eine Art entdeckt und wissenschaftlich nach allen Regeln der Taxonomie beschrieben, kommt als Krönung des Artbeschreibungsprozesses die Wahl des passenden Namens. Hier ist Fantasie gefragt, denn jetzt kann der Wissenschaftler die recht strikt begrenzten Pfade der reinen Wissenschaft verlassen und seinen Vorlieben und Neigungen frönen. Namen mit Bezug zu wichtigen Erkennungsmerkmalen oder der geografischen Herkunft der Art sind Klassiker und bis heute unter den Taxonomen sehr beliebt. Manche Wissenschaftler aber legen es mit der Wahl ungewöhnlicher und skurriler Namen auf öffentliche Wahrnehmung an, die über den Kreis der Fachkollegen hinausgeht. So heißen einige südostasiatische Arten von Riesenkrabbenspinnen Heteropoda davidbowie, Heteropoda ninahagen und Heteropoda udolindenberg, mit denen der Spinnenexperte Peter Jäger seine persönliche Begeisterung für die namengebenden Musiker ausdrückte. Auch die aktuelle Popkultur ist ein beliebter Quell für ungewöhnliche Artnamen. So findet Darth Vader aus »Krieg der Sterne« als Name für einen Tausendfüßer (Zoosphaerium darthvaderi) ebenso seinen Platz im weltweiten »Katalog des Lebens«, wie Coloborhynchus spielbergi, ein nach Steven Spielberg als Regisseur von »Jurassic Park« benannter Flugsaurier. Manche Namen spiegeln auch die Freude der Autoren an spielerischer Wortverwendung wider, wie die Netzflüglerart Mantispa aphavexelte (österreichisch für »eine Verwechselte«) oder die Grasschnecken Vallonia eiapopeia, Vallonia hoppla hoppla und Vallonia patens tralala.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2024.