Im Bund Deutscher Amateurtheater e. V. (BDAT) sind knapp 2.500 Bühnen mit geschätzt 160.000 Menschen aktiv, darunter auch unterschiedliche junge Menschen, auf dem Land und in der Stadt, von Kindesbeinen an bis ins junge Erwachsenenalter. Sie engagieren sich kontinuierlich in Theatervereinen, spielen auf der Bühne oder betreuen Technik und Ausstattung mit und bleiben vielleicht ihr Leben lang dem Theaterengagement treu. Dabei sind sie in reinen Kinder- und/oder Jugendtheatergruppen oder auch als Teil eines Mehrgenerationenensembles aktiv. Andere nehmen an einer lose organisierten Pop-up-Theatergruppe teil, gründen selbst eine, spielen vielleicht auch nur für einen Sommer in einer Aufführung mit oder schnuppern in ihrer Freizeit in einen Theaterkurs hinein.

Angebunden an Diskussionen zu Strukturen und Diversitätsentwicklung in unserem Verband stellen wir uns Fragen zu Nachwuchsförderung und Machtstrukturen in Vereinen. Wie ermöglichen Amateurtheater Partizipation, Eigenverantwortlichkeit und diskriminierungsfreies, geschütztes kulturelles Engagement von Kindern und Jugendlichen?

Klar und nicht diskussionsbedürftig ist die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche einen sicheren, geschützten Rahmen benötigen, um sich vertrauensvoll in kreative Prozesse des Theaterschaffens zu begeben. Das Bewusstsein zu schärfen, dass Kinder Rechte haben, die von der UN-Kinderrechtskonvention ganz klar benannt werden und auch in Deutschland verpflichtend sind, ist Teil der Vermittlungsarbeit im Amateurtheater und bei sehr vielen Engagierten tief verwurzelt. Diese Rechte und speziell das Recht auf Schutz begründen eine besondere Verantwortung von ehrenamtlich tätigen Vorständen in Theatervereinen, bei Spielleiterinnen und -leitern sowie Theaterpädagoginnen und -pädagogen, die mit jungen Menschen umgehen.

Mit dem Thema »Theater von und mit Kindern und Jugendlichen« hat sich unser Verband 2024 einen Schwerpunkt gesetzt, der auch in der Satzung des BDAT verankert ist. Vor diesem Hintergrund bringen der ehrenamtlich aktive Bundesarbeitskreis »Kinder- und Jugendtheater« in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle in diesem Jahr die Entwicklung von Schutzkonzepten im eigenen Fortbildungsprogramm, in den 18 Mitgliedsverbänden, bei den verbandlichen Jugendleitungen und bei den Mitgliedsbühnen weiter voran. Teil der Schutzkonzepte ist die Prävention und Stärkung von jungen Menschen gegen Übergriffe und sexualisierte Gewalt. Denn gerade das Medium Theater kann Menschen stärken und für Räume, Körper, Emotionen, eigene und fremde Bedürfnisse sowie Grenzen und Machtstrukturen sensibilisieren.

Als sehr hilfreicher und qualitativer Rahmen für die Entwicklung von Schutzkonzepten hat sich die ehrenamtliche Mitarbeit des BDAT im Fachausschuss »Prävention und Kindeswohl« im Dachverband Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) erwiesen. Bereits seit einigen Jahren können wir und anfragende Mitgliedsbühnen auf Materialien zum Kinderschutz zurückgreifen, wie sie z. B. die LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg schon früh entwickelt hat. Auch die 2021 erschienene Arbeitshilfe »Schutz vor sexualisierter Gewalt«, die aus dem Ausschuss der BKJ entstanden ist und im Jahr 2023 aktualisiert und überarbeitet wurde, sei hier erwähnt.

Die wichtigste Erkenntnis im Entwicklungsprozess lautet: Ein Schutzkonzept kann nicht vom Dachverband als »Abhakliste« übernommen werden. Jede Gruppe, jede und jeder Verantwortliche muss für den eigenen Aktions- und Produktionszusammenhang ein Schutzkonzept entwickeln und es letztlich in der Praxis mit Leben füllen, es kommunizieren, die Spielleitungen und Mitglieder im Verein sensibilisieren und dazu schulen. Arbeitshilfen und Praxishandreichungen weisen den Rahmen für den Weg, den die Aktiven selbst gehen müssen.

Eine besondere Herausforderung für die Etablierung von Schutzkonzepten, wenn mit ehrenamtlich Aktiven gearbeitet wird, ist wie auch bei anderen Aufgabenstellungen die begrenzte Zeit, die Aktiven für ihr Engagement zur Verfügung steht. Ein Schutzkonzept entwickelt sich nicht von allein und benötigt neben fachlicher Expertise durch Fortbildungen die gemeinsame Arbeit der Engagierten im Verein. So wichtig ein erweitertes Führungszeugnis ist für Menschen, die künstlerisch und pädagogisch Kinder oder Jugendliche begleiten, so wenig bietet dieses allein einen ausreichenden Schutz. Es geht bei der Entwicklung eines Schutzkonzeptes auch um das »Aufspüren« von Machtgefällen im Amateurtheaterbetrieb und damit verbundenen Situationen und Abhängigkeitsverhältnissen, die potenzielle Täterinnen und Täter sexualisierter Gewalt ausnutzen könnten.

Auf der Ebene der Mitgliedsverbände des BDAT begrüßen wir aktive Bemühungen, geeignete Schutzkonzepte zu entwickeln. 2018 hat zum Beispiel der Verband Deutscher Freilichtbühnen (VDF), anerkannter Freier Träger der Jugendhilfe, ein eigenes Schutzkonzept verabschiedet. Bei der engagierten Theaterjugend im VDF, die in der Veranstaltung von Teenie- und Jugendcamps des Verbandes mitarbeitet, ist das Thema in guten Händen. Im Fokus ihrer letzten Jugendleitungstagungen standen z. B. Sensibilisierungstrainings zu Jugendschutz und zu Diversität. Auch der Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg (LABW) bietet in seinem Fortbildungsprogramm praxisorientierte Kurse für Jugendleiterinnen und -leiter mit dem Schwerpunkt Schutzkonzepte an, damit, wie es im Ausschreibungstext heißt, »sich unsere jungen Mitwirkenden sicher fühlen (Awareness) – und es auch sind«.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.