Christine Christianus ist Geigerin im Saarländischen Staatsorchester Saarbrücken und derzeit Frauenbeauftragte des Theaters. Lisa Weber spricht mit Christine Christianus über ihre Aufgaben als Frauenbeauftragte und den Umgang mit sexualisierter Gewalt am Staatstheater Saarbrücken.

 

Lisa Weber: Frau Christianus, wie sind Sie in die Position der Frauenbeauftragten gekommen?

Christine Christianus: Am Staatstheater Saarbrücken gibt es die Position der Frauenbeauftragten erst seit fünf Jahren. 2015 wurden durch die Novellierung des Saarländischen Landesgleichstellungsgesetzes alle Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Landes zur Einrichtung von Gleichstellungsbeauftragten verpflichtet. Vor diesem Hintergrund hat das Staatstheater die Stelle der Frauenbeauftragten eingerichtet. Ich habe mich für das Amt beworben und wurde schließlich für vier Jahre in dieses Amt gewählt. Mittlerweile befinde ich mich in meiner zweiten Amtszeit. Die Stelle ist an unserem Haus entsprechend der Anzahl unserer Beschäftigten mit einer 50-prozentigen Freistellung vorgesehen. Somit bin ich weiterhin zu 50 Prozent als Orchestermusikerin tätig.

 

Was sind Ihre konkreten Aufgaben als Frauenbeauftragte?

Die Aufgaben der Frauenbeauftragten sind klar durch das Landesgleichstellungsgesetz definiert. Dieses schreibt vor, die Frauenbeauftragte bei allen personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen der Dienststelle vollumfänglich und bereits an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Das Ziel dabei ist, die Perspektive der Gleichstellung wirklich auf allen Ebenen und Bereichen des Theaters zu berücksichtigen. Außerdem bin ich als Frauenbeauftragte am Auswahlverfahren für Neueinstellungen beteiligt – von der geschlechtergerechten Ausschreibung bis hin zur Sichtung der Bewerbungen und Teilnahme an Bewerbungsgesprächen. Ein weiterer Aufgabenbereich betrifft die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Pflege, die besonders im Theaterbetrieb eine Herausforderung darstellt; ein weiteres Tätigkeitsfeld ist die Prävention und das Vorgehen gegen sexuelle Übergriffe und Diskriminierung jeglicher Form.

 

Durch Bewegungen wie MeToo ist das Thema sexualisierte Gewalt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Lassen Sie uns einen genaueren Blick auf dieses Thema werfen: Wie wird mit sexualisierter Gewalt am Saarländischen Staatstheater umgegangen?

Wir haben am Theater eine Richtlinie verfasst, die an ein Beschwerdeverfahren gekoppelt ist, das von jedem Mitarbeitenden bei jeglicher Art der Diskriminierung, dazu zählt auch sexualisierte Gewalt, eingeleitet werden kann. Es gibt dafür zwei Ansprechpersonen: Das bin zum einem ich und eine weitere männliche Vertrauensperson – das war mir wichtig, um zu signalisieren, dass wir eine Anlaufstelle für alle Mitarbeitenden sind, nicht ausschließlich für Frauen.

Das Beschwerdeverfahren folgt einem präzisen und zeitlich festgelegtem Ablauf und findet immer unter Beteiligung der obersten Geschäftsführung statt. Es ist wichtig, das zur absoluten Chefsache zu machen, damit Beschwerden nicht zwischen den verschiedenen Ebenen hin- und hergeschoben werden.

 

Einige Formen sexualisierter Gewalt sind strafrechtlich nicht relevant. Welche Handlungsspielräume haben Sie im Umgang mit diesen Formen?

Meine Arbeitsgrundlage ist das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das bei sexueller Belästigung einen deutlich umfangreicheren Schutz bietet als das Zivil- oder Strafrecht. Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet jede Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz und verpflichtet den Arbeitgeber zu klaren Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten.

 

Welche präventiven Maßnahmen werden am Saarländischen Staatstheater zum Schutz der Beschäftigten umgesetzt?

Sensibilisieren und Prävention sind absolute Kernelemente meiner Arbeit. In der Vergangenheit haben wir z. B. in Zusammenarbeit mit der Themis Vertrauensstelle für alle Mitarbeitenden einen Impulsvortrag zum Thema sexualisierte Gewalt organisiert. Seit ein paar Jahren bieten wir jedes Jahr zusammen mit Themis einen Workshop für Führungskräfte zu psychologischen und juristischen Aspekten sexueller Belästigung am Arbeitsplatz an. Dazu beteiligt sich das Saarländische Staatstheater jedes Jahr an der UN-Kampagne »Orange the World« zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen. Insgesamt versuche ich, die Prävention breit zu denken. Dazu zählt auch das Führen von persönlichen Gesprächen und die Bereitstellung von Informationen zum Thema sexuelle Belästigung.

 

Wo sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten im Umgang mit sexualisierter Gewalt am Saarländischen Staatstheater und im Bereich Bühne im Allgemeinen?

Für die Zukunft wünsche ich mir einen größeren kulturpolitischen Austausch und eine Vernetzung der Gleichstellungsbeauftragten aus den Kulturinstitutionen. Das Arbeitsfeld Theater ist von starken Hierarchiegefällen und durch starke Abhängigkeiten aufgrund von befristeten Arbeitsverhältnissen geprägt. Dieser Umstand bringt besondere Herausforderungen im Umgang mit sexueller Belästigung mit sich: Künstlerinnen und Künstler haben Angst, durch die Thematisierung von Vorfällen sexueller Belästigung ihren berufsinternen Leumund zu schädigen – als schwierig abgestempelt zu werden und infolge dessen nicht mehr empfohlen oder engagiert zu werden. Das zeigt, dass, obwohl dem Thema zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt wird, es noch einiges zu tun gibt.

Vielen Dank.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2024.