Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) führt die Liste jugendgefährdender Medien, den sogenannten Index. Die Entscheidungen darüber, ob ein Medium auf die Liste aufgenommen („indiziert“) oder daraus gestrichen wird, trifft die bei der BzKJ angesiedelte Prüfstelle für jugendgefährdende Medien auf der Grundlage des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) in gerichtsähnlichen Verfahren durch pluralistisch besetzte Gremien. Den von einer Indizierung betroffenen Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern wird nach Möglichkeit die Gelegenheit rechtlichen Gehörs eingeräumt.

Die Indizierung eines Mediums hat erhebliche Werbe- und Verbreitungsbeschränkungen zur Folge. Fällt das Medium in den Schutzbereich der Kunstfreiheit, stellen diese vor allem Eingriffe in den Wirkbereich des Grundrechts auf Kunstfreiheit dar und berühren die Betätigungsfreiheit der Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler.

Ob ein Indizierungsverfahren eingeleitet wird, hängt primär davon ab, ob eine hierzu berechtigte Stelle eine diesbezügliche Initiative durch einen Antrag oder eine Anregung an die Prüfstelle richtet. Berechtigt sind alle Behörden, die Kommission für Jugendmedienschutz, anerkannte Träger der freien Jugendhilfe, anerkannte Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle und geförderte Internet-Beschwerdestellen. Im Jahr 2023 wurden auf diese Weise beispielsweise 1.108 Verfahren anhängig.

Die Entscheidung über die Listenaufnahme erfordert neben der umfänglichen Erfassung des Aussagegehaltes des Mediums im Wesentlichen zwei Hauptschritte. Zunächst wird die potenziell jugendgefährdende Wirkung des Mediums mit Blick auf gefährdungsgeneigte Jugendliche ermittelt.

Jugendgefährdend sind gemäß § 18 Absatz 1 JuSchG Medien, wenn sie geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Dazu zählen nach einer nicht abschließenden Aufzählung im Gesetz vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien sowie Medien, in denen erstens Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder zweitens Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird. Ziel ist es, im Rahmen des Möglichen äußere Bedingungen für eine charakterliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu schaffen, die zu Einstellungen und Verhaltensweisen führen, die sich am Menschenbild des Grundgesetzes orientieren. Dieses Ziel kann durch Medien gefährdet werden, die ein damit in Widerspruch stehendes Wertebild vermitteln. Hierzu zählen etwa auch Medien, die selbstverletzendes Verhalten, Drogen- und Alkoholkonsum oder den Nationalsozialismus verherrlichen, einen kriminellen Lebensstil propagieren, demokratiefeindlich sind und Menschengruppen diskriminieren.

Wenn eine jugendgefährdende Wirkung angenommen wird, muss in einem nächsten Schritt das Verfassungsgut Jugendschutz mit konfligierenden Verfassungsgütern abgewogen werden (praktische Konkordanz). Der Verfassungsrang des Jugendschutzes ergibt sich einerseits aus dem in Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) verbrieften elterlichen Erziehungsrecht und aus dem Recht der Kinder und Jugendlichen aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihres Anspruchs auf Schutz und Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können.

Die bei der Prüfstelle verfahrensgegenständlichen Medien fallen oftmals in den Schutzbereich der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit. Dies betrifft beispielsweise Musik und Videoclips aus den Bereichen Rechtsrock oder Gangsta-Rap, Filme und Videospiele, Comics/Mangas, Romane und vieles mehr. Auch Pornografie kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Kunst sein, obwohl der Gesetzgeber Pornografie als schwer jugendgefährdend einstuft.

Jugendgefährdung und Kunst schließen sich also nicht aus, sodass im Einzelfall abgewogen werden muss, welchem Schutzgut der Vorrang zu geben ist. Bei der jeweiligen Abwägung kann es etwa je nach künstlerischem Gehalt und konzeptioneller Einbindung der potenziell jugendgefährdenden Inhalte zu einem Vorrang der Kunst vor dem Jugendschutz kommen oder umgekehrt.

Die Prüfungen werden im sogenannten Regelverfahren durch 12 Gremienmitglieder vorgenommen: der oder die Vorsitzende der Prüfstelle, drei von den Landesregierungen ernannte Beisitzende sowie acht weitere Mitglieder, aus den Bereichen Kunst, Literatur, Buchhandel und Verlegerschaft, Anbieter von Bildträgern und Telemedien, freie und öffentliche Jugendhilfe, Lehrerschaft und Religionsgemeinschaften. Die Gruppenbeisitzenden werden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Vorschlag entsprechender Verbände ernannt. Die Gremienmitglieder sind an Weisungen nicht gebunden. Für eine Listenaufnahme durch das Zwölfer-Gremium ist mindestens eine 2/3-Mehrheit erforderlich. In Fällen, in denen es sich nach Einschätzung der oder des Vorsitzenden um – gemessen an der bisherigen Spruchpraxis – offensichtliche Fälle der Jugendgefährdung handelt, ist auch eine Listenaufnahme durch einen einstimmigen Beschluss eines Dreier-Gremiums möglich. Hiergegen können die Verfahrensbeteiligten jedoch das Zwölfer-Gremium als Überprüfungsinstanz anrufen. Listenaufnahmen stellen für die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber belastende Verwaltungsakte dar, die zudem, nach Befassung des Zwölfer-Gremiums, gerichtlich überprüfbar sind.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 9/2024.