Wir erleben derzeit eine lebhafte, teilweise aufgeregte Debatte um die Einführung sogenannter Antidiskriminierungsklauseln in der staatlichen Kulturförderung. Es wird von Zensur gesprochen, von ungerechtfertigten Grundrechtseingriffen, und es wurden sogar Boykottrufe laut.

Frei nach Friedrich Schiller scheint mir immer noch gültig zu sein, dass die Kunst eine Tochter der Freiheit ist. Und ich habe den Eindruck, dass sich alle, die den aktuellen Diskurs führen, darüber einig sind, dass Kunst die Freiheit braucht und dass die Kunstfreiheit, die das Grundgesetz garantiert (Artikel 5 Absatz 3), ein hohes Gut ist. Kunst setzt sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander, zeigt sie auf und verarbeitet sie. Sie kann und soll dabei durchaus auch Protest äußern, Widerstand ausdrücken und Konfliktlinien sichtbar machen. Das Hinterfragen und Provozieren von Diskussionen darf aber nicht in Diskriminierung oder gar Hass und Hetze umschlagen.

Antisemitismus ist kein neues Phänomen, es hat sich jedoch in den vergangenen Jahren verschärft. Darauf müssen wir als Gesellschaft reagieren. Eine mögliche und nach meinem Dafürhalten auch sehr sinnvolle Reaktion kann die Einführung von Antidiskriminierungsklauseln als Fördervoraussetzung sein. Die Kulturministerkonferenz hat am 13. März 2024 eine gemeinsame Erklärung mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und den kommunalen Spitzenverbänden verabschiedet. Darin bekennen sich die Unterzeichnenden ausdrücklich zur Freiheit der Kunst. Aber sie stellen auch fest, dass öffentliches Geld nicht zur Finanzierung antisemitischer, rassistischer und anderweitig diskriminierender Kunst- und Kulturprojekte missbraucht werden darf. Dies zeigt, in welchem Spannungsverhältnis die Diskussion um die Antidiskriminierungsklausel geführt wird und geführt werden muss.

Greifen wir denn tatsächlich mit einer solchen Klausel unzulässig in die Kunstfreiheit ein? Kann hier von Zensur gesprochen werden? Unser Grundgesetz garantiert, dass Kunst frei ist, und diese Freiheit ist nach unserem Verfassungstext nicht durch ein Gesetz einschränkbar. Wenn im Zuge der Anwendung einer solchen Antidiskriminierungsklausel eine Förderung versagt wird, so wird keineswegs in den Schutzbereich der Kunstfreiheit eingegriffen. Erst recht findet damit keine Form einer staatlichen Bewertung von Kunst statt. Es findet lediglich keine finanzielle Förderung eines solchen Projektes statt. Darauf gäbe es, nebenbei bemerkt, auch keinen rechtlichen Anspruch. Das Grundgesetz gibt uns mit Artikel 5 Absatz 3 die Pflicht, ein freies und freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern. Einen Anspruch auf Förderung kann man daraus nicht ableiten.

Mit der Anwendung einer Antidiskriminierungsklausel wird weder die Ausübung der Kunst noch die Verwirklichung des Projektes untersagt. Die Ablehnung einer Förderung zielt nicht darauf ab, dass die oder der Antragsstellende nicht künstlerisch tätig werden sollte. Sie verbietet auch keine künstlerische Tätigkeit. Sie stellt lediglich fest, dass diese Tätigkeit nicht mit öffentlichen Geldern unterstützt wird. Eine Diskussion um eine angebliche Zensur geht daher völlig fehl und muss nicht weitergeführt werden. Darüber hinaus findet auch keine unzulässige Qualitäts- oder Niveaukontrolle von Kunst statt. Die Förderung wird nicht aufgrund mangelnder künstlerischer Qualität, sondern aus den in der Klausel enthaltenen Gründen abgelehnt.

Allerdings kann eine Antidiskriminierungsklausel – je nach Formulierung – in die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz eingreifen. Mit der staatlichen Abfrage eines Bekenntnisses oder einer Erklärung gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Antisemitismus wird die Meinungsfreiheit beschränkt, da diese auch das Recht beinhaltet, eine Meinung, in diesem Fall eine Positionierung gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Antisemitismus, nicht zu haben oder aber sie nicht zu äußern.

Dieser Eingriff kann aber im Rahmen einer Grundrechtsabwägung aufgrund des Schutzes der Menschenwürde nach Artikel 1 Absatz 1 Sätze 1 und 2 Grundgesetz gerechtfertigt werden. Dazu bedarf es allerdings einer gesetzlichen Grundlage. Kulturpolitik hat verschiedene Möglichkeiten der Steuerung – eine wesentliche Möglichkeit ist das regulierende Setzen von Rahmenbedingungen durch Gesetze.

In Schleswig-Holstein haben wir dem Landtag die Formulierung einer solchen gesetzlichen Grundlage vorgeschlagen. Wir gehen sogar weiter und begrenzen die Antidiskriminierungsklausel nicht nur auf die Kulturförderung. Deshalb haben wir vorgeschlagen, die Landeshaushaltsordnung in diesem Sinne zu ergänzen. Auch außerhalb der Förderung von Kunst und Kultur kann die Klausel in der Folge als Fördervoraussetzung angewandt werden: Nicht nur im Kulturbereich sollen Förderungen an antisemitische oder diskriminierende Personen ausgeschlossen werden können, sondern in sämtlichen Bereichen der öffentlichen Förderung durch das Land. Die Regelung ist als Ermessensvorschrift gestaltet, damit es dem jeweiligen Zuwendungsgeber überlassen bleibt, ob er Zuwendungen unter diese Voraussetzung stellt.

Mit dieser Lösung wollen wir konsequent Zuwendungen an Antisemiten und diskriminierende Personen und Einrichtungen verhindern. In einem sind sich mithin alle in der Diskussion einig: Es darf kein öffentliches Geld für Antisemitismus und Diskriminierung geben!

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 9/2024.