Eine frühzeitige Begabtenförderung mit Blick auf eine Profikarriere für die Kultur im Allgemeinen gibt es nicht. Allein in der Musik und im Tanz wird eine systematische Talentförderung bereits vor der Berufsausbildung angeboten. Nach wie vor sind häufig gut betuchte Elternhäuser bessere Startrampen für eine Karriere. Und die allgemeinbildenden Schulen vernachlässigen »weiche« Fächer wie Musik, Kunst oder Sport; Talentförderung findet hier nur sehr begrenzt statt.
Ein musikalisches Talent wird häufig früh erkannt. Ein möglicher Weg der Förderung führt zunächst von der Elementaren Musikpädagogik zum Instrumental- oder Gesangsunterricht an einer Musikschule oder bei Privatmusiklehrenden. In ländlichen Gebieten spielen auch die Musikvereine eine wichtige Rolle. Es folgen weitere Angebote wie Ensemblespiel, Theorieunterricht oder Teilnahme an Wettbewerben. Der Wettbewerb »Jugend musiziert« ist seit Jahrzehnten eine Marke und für viele junge Musikerinnen und Musiker ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Musikkarriere. »Jugend musiziert« versteht sich jedoch als pädagogischer Wettbewerb, auch deshalb, weil nach den Wertungsspielen Beratungsgespräche mit der Jury stattfinden. Wer hier erfolgreich ist, profitiert außerdem von weiteren Fördermaßnahmen: Landes- oder Bundesjugendorchester, Kammermusikkurse, Konzertangebote, Sonderpreise, Meisterkurse.
Jugendliche, die sich gezielt auf ein Musikstudium vorbereiten möchten, können an vielen Musikschulen an der »Studienvorbereitenden Ausbildung« (SVA) teilnehmen. Für hochbegabte junge Musikerinnen und Musiker gibt es darüber hinaus an verschiedenen Standorten Frühfördereinrichtungen, die z. B. »PreCollege« oder »Akademie« heißen. Im Idealfall arbeiten Musikschule und Hochschule hier Hand in Hand. Träger der Jugendakademie in Münster sind z. B. die Westfälischen Musikschule und die Musikhochschule als gleichwertige Partner.
»In Münster werden die Pakete für die hier Geförderten individuell geschnürt«, sagt Gudula Rosa, die zum Leitungsteam der Akademie gehört, – abhängig vom Einstiegsalter, von den Voraussetzungen und Wünschen der Jugendlichen. Was müssen Kinder mitbringen, um eine Berufskarriere zu schaffen? »Disziplin und eine Offenheit, die Liebe zur Musik und die Lust auf der Bühne zu stehen.« Ihrer Verantwortung für die jungen Menschen sind sich die Pädagogen bewusst. Wenn eine Schülerin, ein Schüler die Motivation verliert, gibt es Gespräche mit ihm, mit der Lehrkraft, mit den Eltern, ebenso die Möglichkeit, sich beurlauben zu lassen und wieder einzusteigen. Die strenge Vorauswahl zur Teilnahme an dieser Art der intensiven Förderung verhindert in der Regel, dass es Leistungsbrüche gibt. Von den Absolventen der Akademie studieren im Anschluss weniger als die Hälfte Musik. »Wir versuchen, ihnen sehr viele Wege in den Musikberuf aufzuzeigen«, so Rosa. Meistens sind diese Jugendlichen aber auch in anderen Fächern sehr gut in der Schule, sodass sie nach dem Schulabschluss viele Möglichkeiten haben.
Im Tanzbereich haben sich die Förder- und Ausbildungsmöglichkeiten in den letzten Jahren deutlich erweitert. Auf der einen Seite gibt es den klassischen Ausbildungsweg. »Die Talentförderung beginnt schon am ersten Tag«, erklärt Manuela Klüttermann, Ballettpädagogin und Vorstandsmitglied im Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik. Zunächst lernen Kinder an privaten Ballettschulen das Tanzen. »Ab der weiterführenden Schule muss man sich entscheiden, ob man den professionellen Weg gehen will«, so Klüttermann. Voraussetzung hierfür sind jedoch die körperliche Eignung und eine starke Persönlichkeit, um den hohen Anforderungen gerecht werden zu können. Zur Talentförderung gehöre ein System, in dem die schulische und tänzerische Ausbildung parallel laufen, wie z. B. an der Stuttgarter John Cranko Schule oder auch der Ballettschule des Hamburg Ballett. Am Gymnasium Essen Werden kann man mit dem Leistungskurs Ballett sein Abitur machen, was die Türen zu einer Hochschule öffnet und unter Umständen die Ausbildung verkürzt. »Mit spätestens 18/19 Jahren muss man im Engagement stehen, denn eine Tänzerkarriere ist sehr kurz.« Gute und erfolgreiche Talentförderung zeichnet sich auch durch eine engmaschige und ehrliche Kommunikation mit dem Kind und auch den Eltern aus.
Die Wege der Ausbildung sind allerdings vielfältiger geworden. Auch, weil gar nicht mehr so viele Compagnien feste Planstellen für Nachwuchskräfte im Tanz anbieten können, erklärt Johannes Bergmann, Projektleiter des im Rahmen von Neustart Kultur aufgelegten Programms DIS-TANZ-START im Dachverband Tanz. »Es gibt sehr unterschiedliche Institutionen mit sehr unterschiedlichen Tanzausbildungen, die auch unterschiedliche Arten von Tänzern ausbilden«, so Constanze Schellow, Sprecherin der AKT Ausbildungskonferenz Tanz. »Ein Studium ist etwas ganz anderes als eine Ausbildung entlang der grundständigen Schulausbildung.« An den Hochschulen wird für viele Bereiche des Tanzes ausgebildet, sodass sich – je nach Profil der Einrichtung – auch junge Menschen bewerben können, die keine klassische früh beginnende Ballettkarriere durchlaufen haben. Damit entfernt sich die Förderung im Tanz auch von der im Hochleistungssport. »Ein Talent, das Sechsjährigen zugeschrieben wird, ist eben immer auch eine Zuschreibung. Da ist ein ganzes soziales Umfeld beteiligt, das eine bestimmte Person für talentiert erklärt«, so Schellow. »Wenn jemand ein Studium beginnt mit einer bestimmten Idee und es entwickelt sich dann in eine andere Richtung, dann ist es wichtig herauszufinden, welche anderen Talente zutage treten und wie man diese unterstützen kann«, erklärt Susanne Triebel, ebenfalls Sprecherin der AKT Ausbildungskonferenz Tanz.
Der Dachverband Tanz beschäftigt sich mit dem Übergang vom Studium in den Beruf. Erstmals hat er Vertreter der Arbeitswelt, der Ausbildungswelt und die Tanzschaffenden an einen Tisch gebracht, um über notwendige Bedarfe zu diskutieren. Daraus will der Verband ein Modellprojekt entwickeln, damit, so Johannes Bergmann, »die Verantwortung für die jungen Absolventen erkannt wird und eine langfristige Struktur entwickelt werden kann«.
Talentförderung in der Kultur ist mit einer hohen Verantwortung verbunden. Die Wünsche von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Karriere im der Kunstbereich, die Hoffnungen und Erwartungen der Eltern sind stets mit dem tatsächlichen Potenzial und Leistungen abzugleichen. Eine besondere Herausforderung besteht darin, Talente und Begabungen zu fördern und gleichzeitig Perspektiven für andere Lebenswege offenzuhalten.