Welchen Bezug haben Sie persönlich zum Sport?

Ich bin vor allem ein großer Fußball-Fan. Schon als junges Mädchen habe ich mit meinem Vater die Europa- und Weltmeisterschaften im Fernsehen angeschaut, auch die »Sportschau« war bei uns zuhause Pflichttermin. Mein Vater hat mich auch mit ins Stadion genommen, diese Besuche gehören zu meinen frühesten Erinnerungen. Noch heute gehe ich sehr gerne zu den Heimspielen meines Vereins, des FC Augsburg. Auch Spiele der Männer- und Frauen-Nationalmannschaft schaue ich mir sehr gerne im Stadion an, sofern das mein Terminkalender zulässt.

Ich bin aber nicht nur ein großer Fußball-Fan, sondern engagiere mich auch im Fußball auf verschiedene Weise – zum Beispiel in der DFB-Kulturstiftung, wo ich seit Gründung aktiv bin. Zudem bin ich Teil des Kuratoriums des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund. Darüber hinaus bin ich Mitglied des FC St. Pauli, des FC Augsburg und auch von dessen LGBT-Fanclub.

Die Fußball-EM ist für mich ganz klar ein Höhepunkt in diesem Jahr. Es ist für mich etwas ganz Besonderes, diese EM außerhalb der Stadien mitgestalten zu können: durch das Kulturprogramm, das mein Haus und ich konzipiert haben und das von der Stiftung Fußball & Kultur umgesetzt wird. Unser Ziel ist es, ein Bild von unserem Land in die Welt zu tragen: Wir zeigen ein buntes, weltoffenes, inklusives, demokratisches Deutschland.

Was verbindet aus Ihrer Sicht Kultur und Sport, und was trennt sie möglicherweise?

Sport und Kultur haben ein großes Identifikationspotenzial. Sie können die Identität einzelner Menschen und größerer Menschengruppen stark prägen. Darüber hinaus haben Sport und Kultur die Kraft, intensive Emotionen hervorzurufen und Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammenzubringen. Dadurch ergibt sich eine enorme Bindewirkung. Gerade jetzt, wo Demokratiefeinde unser Land spalten wollen, ist das überaus wichtig.

Sport und Kultur gelingt es aus all diesen Gründen in vielerlei Hinsicht, unsere Gesellschaft zusammen-zuhalten und Menschen zusammenzubringen, die ansonsten im Alltag nichts miteinander zu tun haben.

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Sport und Kultur ist das Thema Vielfalt – sie ist in beiden Bereichen ein wichtiges Erfolgsrezept. Das gilt ganz besonders für den Fußball. Unsere Nationalmannschaft ist wirklich ein Spiegel unserer vielfältigen und bunten Gesellschaft, in der viele Menschen eine Migrationsgeschichte haben. Darüber hinaus sind Spieler wie Kapitän İlkay Gündoğan auch wichtige Vorbilder, gerade für junge Menschen.

Was könnte der Sport von der Kultur, die Kultur vom Sport lernen?

Sport und Kultur haben viele Gemeinsamkeiten. Aber es gibt natürlich auch Unterschiede. Das betrifft unter anderem den Bereich der Teilhabe. Aktuell gelingt es in den meisten Sportarten sehr gut, Menschen aller gesellschaftlichen Schichten zusammenzubringen. Diesen Anspruch haben die Kultureinrichtungen auch – aber leider funktioniert das nicht immer. Gerade in manchen Museen, Theatern und Opernhäusern ist das Ziel »Kultur für alle« noch nicht Realität geworden. Nichtakademiker, People of Color und behinderte Menschen sind hier beispielsweise oftmals nicht angemessen vertreten. Hier besteht immer noch Nachholbedarf.

Zugleich kann der Sport aber auch etwas von der Kultur lernen. Ich denke da unter anderem an Toleranz gegenüber Minderheiten wie der LGBT*IQ-Community. Hier ist der Fußball als eine der letzten Bastionen der Homophobie wirklich ein Negativbeispiel. Es kann doch rein statistisch gesehen gar nicht sein, dass es in der Bundesliga noch immer keinen offen schwulen Fußballer gibt. Die Zeit ist dafür reif, mit dem Thema offen umzugehen. Das ist überfällig – und ich finde es erschreckend, dass das Klima im Fußball noch immer so homophob ist, dass sich die Spieler dazu nicht trauen. Hier kann sich die Fußballszene ein Beispiel an der Kulturszene nehmen, wo es schon seit Langem eine große Toleranz und Akzeptanz gegenüber Minderheiten gibt. Der Fußball könnte aufgrund seiner enormen medialen Breitenwirkung wirklich gesamtgesellschaftlich etwas verändern. Denn auch wenn viele das Gegenteil behaupten: Fußball und Sport finden genau wie Kunst und Kultur nicht in einem Vakuum statt, sie haben immer auch eine gesellschaftspolitische Dimension.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2024.