Wenn es die Stadt Zwickau in die Schlagzeilen der überregionalen Presse schafft, dann hat das leider selten einen positiven Hintergrund. So auch im Juli 2023, als auf spiegel.de zu lesen war: »Theater Plauen-Zwickau wehrt sich gegen Genderverbot«. Vorangegangen war ein Antrag der AfD-Fraktion im Zwickauer Stadtrat, der den Unternehmen der Stadt − zu denen das Theater zählt − den Gebrauch geschlechtersensibler Sprache mit Binnen-I, Asterisken und Ähnlichem verbietet. Die Debatte im Stadtrat zu diesem Antrag, der sich explizit gegen eine entsprechende Praxis des Theaters richtete, war geprägt von den tiefen identitätspolitischen Gräben unserer Zeit. Schließlich fand sich eine breite Mehrheit für das sogenannte »Genderverbot«, die von rechtspopulistischen Kräften bis weit hinein in eine konservativ grundierte bürgerliche Mitte reichte.
Dieser Sachverhalt wirft zugleich ein Schlaglicht auf die kulturpolitische Lage in Sachsen. Eine sehr heterogene Mehrheit sowohl der politischen Akteure als auch der Bürgerinnen und Bürger empfindet kulturelle Experimente und Provokationen oftmals als »geschmacklos«. Kunst hat in dieser Wahrnehmung der »Mehrheitsgesellschaft« zu gefallen und nicht »Minderheitenpositionen« zu betonen. Diese politische Lage droht sich nach den Kommunalwahlen im Juni und der Landtagswahl im September noch zu verschärfen. Meinungsumfragen prognostizieren eine Mehrheit für eine rechts- und eine linkspopulistische Partei und damit eine Minderheitenposition für die Parteien der demokratischen Mitte. In dieser politisch schwierigen Lage treten nun die Kostensteigerungen insbesondere für das Personal sowie die Finanzierungslücken öffentlich geförderter Kultur in Sachsen auf die Agenda – dringender und drastischer als ohnehin schon. Es wird in den nächsten Monaten in Zwickau, in vielen anderen Städten und in Sachsen insgesamt über die öffentliche Finanzierung von Kultur zu diskutieren und zu entscheiden sein. Bei einigen politischen Akteuren stehen die Zeichen dabei ganz klar auf das »Defunding« einer als missliebig wahrgenommen Kunstszene.
Die wichtigste kulturpolitische Herausforderung der nächsten Jahre, über die hier zu schreiben ich eingeladen wurde, ist − so pathetisch es klingen mag − die Bewahrung der Kunstfreiheit.
Es kann an dieser Stelle hilfreich sein, an den Leitsatz des Mephisto-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1971 zu erinnern: »Sinn und Aufgabe des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist es vor allem, die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt freizuhalten.«
Zu einer freiheitlichen Gesellschaft gehört eine freie Kunst. Beides steht in Zwickau und in Sachsen in diesem Jahr 2024 auf dem Spiel.