Das kulturelle Leben findet in den Kommunen statt. Hier leben die Künstlerinnen und Künstler, hier sind die Buchhandlungen, die Galerien, die Architektur- und Designstudios, hier arbeiten die Denkmalpflegerinnen und -pfleger, hier befinden sich die Theater, die Kinos, die Museen, die Bibliotheken, die Archive, die soziokulturellen Zentren, hier engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Kunstvereinen, in literarischen Gesellschaften, in Chören und Orchestern, hier finden Migrantinnen und Migranten sowie Exilierte ein neues Zuhause, hier werden Traditionen gepflegt und neue begründet und so weiter und so fort. Hier ist das Publikum. Zusammengefasst: Hier findet das kulturelle Leben statt. Doch wo drückt in den Kommunen tatsächlich der Schuh? Wo brennt’s? Welche heißen Eisen müssen angefasst werden und wo ist eher Gelassenheit gefragt?
Wenn über kommunale Kulturpolitik gesprochen oder geschrieben wird, stehen zumeist die Großstädte im Fokus. Sie gelten als Vorreiter für Entwicklungen. Doch stimmt das wirklich, sind tatsächlich die großen Städte die »Trendsetter« – oder gehen nicht vielmehr auch Impulse von kleineren Kommunen aus? Im letzten Jahr ging Politik & Kultur auf Kulturreise durch Deutschlands zehn größte Städte – und fragte bei den Kulturdezernentinnen und Kulturdezernenten nach, welche Themen sie auf ihre Agenda setzen und wo ihre Stadt nach der Coronapandemie steht. Nachgefragt wurde in Berlin, Frankfurt/Main, Essen, Düsseldorf, Stuttgart, Dortmund, Hamburg, Leipzig, Köln und München.
In dieser Ausgabe wird weiter in die Fläche gegangen; insgesamt 27 Städte – große und kleine, im Zentrum und an der Peripherie liegend, Grenzstädte und Städte mit viel Umland – wurden befragt. Jedes Bundesland ist mit mindestens einer Stadt vertreten.
Laut Kulturfinanzbericht 2022 des Statistischen Bundesamts haben die Kommunen im Jahr 2020 insgesamt 5,7 Milliarden Euro für Kultur ausgegeben. Das ist gegenüber dem Jahr 2010 ein Anstieg um stolze 37,4 Prozent. Die Kommunen sind die wichtigsten Kulturfinanzierer in Deutschland. Sie stemmen 39,1 Prozent der öffentlichen Kulturausgaben, auf die Länder entfallen 38,6 Prozent und auf den Bund 22,4 Prozent. Bereits seit Jahrzehnten tragen die Kommunen den größten Teil der Kulturfinanzierung, allerdings haben sich die Verhältnisse in den letzten Jahren etwas verschoben und der Finanzierungsanteil des Bundes ist gestiegen. Betrachtet man die kommunalen Kulturetats, so entfällt der Löwenanteil auf die Theater und die Musikpflege. Je nach Einwohnerzahl werden bis zu 56,5 Prozent des Kulturbudgets für Theater und Musikförderung aufgewandt. Für Museen wenden die Kommunen zwischen 12,3 und 19 Prozent und für Bibliotheken zwischen 16,7 bis 32,9 Prozent ihres Kulturbudgets auf. In der Tendenz kann festgehalten werden, dass, je größer die Stadt ist, umso mehr Geld in den Bereich Theater und Musik fließt, was aufgrund des erforderlichen Personalbudgets auch nicht verwunderlich ist.
Viele Kommunen stehen unter einem erheblichen Druck, was die Finanzlage betrifft. Einigen droht erneut die Haushaltssicherung, was zur Folge hat, dass der kommunale Haushalt von der Kommunalaufsicht, die je nach Land bei der Bezirksregierung oder dem Innenministerium liegt, genehmigt werden muss. Die Pflichtaufgaben, wie beispielsweise Sozialausgaben, haben in diesen Fällen Vorrang vor der Kulturförderung, die als sogenannte freiwillige Leistung gilt. Und selbst dort, wo Kommunen keiner Haushaltsicherung unterliegen, werden freiwillige Leistungen für entbehrliche Leistungen gehalten, obwohl das grundfalsch ist. Denn nur die freiwilligen Leistungen können die Kommunen in eigener Verantwortung steuern, sie sind die Königsdisziplin in den kommunalen Haushalten.
Egal, ob es sich um eine große oder eine kleine Kommune handelt, eine Aufgabe beschäftigt alle: Wie gelingt es, neue Publika zu gewinnen, ohne die treuen Besucherinnen und Besucher zu verlieren. Beide Gruppen sind gleichermaßen wichtig. Zur Kulturfinanzierung leisten alle, die die Angebote nutzen, einen finanziellen Beitrag, aber auch jene, die sie nicht nutzen. Deshalb muss die Frage, warum ein Kulturangebot von bestimmen Bevölkerungsgruppen nicht genutzt wird, immer kritisch reflektiert werden.
Zusätzlich zur schwierigen Finanzlage sind gerade in den Kommunen Investitionen in die kulturelle Infrastruktur dringend erforderlich. Viele Kultureinrichtungen bedürfen der Grundsanierung, sie weisen erhebliche bauliche Mängel auf, sie genügen aktuellen Anforderungen an den nachhaltigen Betrieb nicht und sie müssen dringend resilienter gegen Naturkatastrophen, aber auch gegen die Auswirkungen zum Beispiel eines Krieges gemacht werden.
Nicht zuletzt werden die vom Deutschen Kulturrat – wie ich finde absolut berechtigterweise – geforderten Honoraruntergrenzen für selbstständige Künstlerinnen und Künstler, die öffentliche Kulturförderung erhalten, auch bei den Städten und Gemeinden höhere Kulturetats verlangen.
Außerdem blicken viele Kulturverantwortliche mit Sorge auf die anstehenden Kommunalwahlen und befürchten leider zurecht, dass Vertreterinnen und Vertreter rechtsextremer Parteien in Verantwortung gewählt werden könnten. Sie wären dann die unmittelbaren Vorgesetzten beispielsweise von Leiterinnen und Leitern öffentlicher Bibliotheken oder kommunaler Musikschulen. Wie damit umgehen, was bedeutet dies für das Programm? Wird es Einflussnahme auf Veranstaltungen und das kulturelle Angebot geben und wenn ja, wie wird diese aussehen? Und welche Möglichkeiten gibt es, dagegenzuhalten? Kann eine offene Diskussionskultur aufrechterhalten bleiben? Schon jetzt berichten Künstlerinnen und Künstler, die im ländlichen Raum leben und arbeiten, dass sie von Rechtsextremen bedroht werden und wie viel Kraft es kostet, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Viele Herausforderungen für die Kulturverantwortlichen vor Ort. An manchen Orten brennt es schon, andere warten auf den Sturm. Aber die Kommunen sind und bleiben, bei aller Bedrohung, die wichtigsten Kulturorte in Deutschland. Für den gesamten Kulturbereich kann es deshalb nur heißen: Schützt unsere Dörfer und Städte!
PS: Ich bin in Limburg an der Lahn geboren.