Finanzierung, kulturelle Infrastruktur und kontroverse Debatten sind Stichwörter, die kulturpolitische Herausforderungen in den Städten beschreiben. Debatten können in ihrer Spannungsfunktion Kultur aber auch lebendig machen.  

 

Barbara Haack: Was sind für die Städte, die der Deutsche Städtetag vertritt, die größten kulturpolitischen Herausforderungen?  

Daniela Schneckenburger: Die Herausforderungen sehe ich auf drei Ebenen. Die erste, das ist ja fast schon banal, ist die Finanzierung. Wir haben es mit enger werdenden Spielräumen in den Länderhaushalten und in den kommunalen Haushalten zu tun. Der Kulturbereich ist nicht überfinanziert; insofern können sich jegliche Einsparungen oder auch die Deckelung von Haushaltsansätzen spürbar auswirken.  

Damit verbunden ist ein Problem bei der kulturellen Infrastruktur. Viele Kulturbauten, sofern sie nicht historisch sind, sind nach 1945 neu entstanden, vor allem ab 1960. Diese baulich zu sanieren, ist ein wachsendes Thema, das Städte beschäftigt. In Einzelfällen gab es das ja schon immer. Jetzt zeigt es sich aber als Strukturproblem, gerade weil wir sie auch energetisch sanieren müssen: Wie machen wir uns klimaresilient und wie leisten wir als Kultur unseren Beitrag dazu, den CO2-Fußabdruck der Menschheit nicht weiter zu vergrößern?  

Das dritte Thema sind die kontroversen Debatten, die Suchbewegungen, die die Kultur wie die Gesellschaft insgesamt beschäftigen: Antikolonialismus, Antisemitismus, Rassismus. Das erfordert auch, Angebote für ein sich veränderndes Publikum zu entwickeln. Diese Suchbewegung beflügelt den Kulturbereich gleichzeitig auch. Das ist also eher ein inneres Spannungsverhältnis, das Kultur lebendig macht, das Herausforderung ist, Kulturpolitik immer wieder neu zu denken.  

 

Einige Kommunen weisen in ihrer Antwort auf das Problem hin, dass Kultur aus politischen Gründen eingegrenzt oder vereinnahmt wird. Erleben Sie das auch?  

Das Spannungsverhältnis zwischen Kultur und Politik war immer da. Es ging dabei immer um das Spannungsverhältnis zwischen Vereinnahmung der Kultur und der Wertehaltung des Kulturbereiches. Die beiden Sphären – Politik und Kultur – sind in ihren Ausdrucksformen unterschiedlich, auch in ihrer Aufstellung und Zielrichtung. Dass es da ein Spannungsverhältnis gibt, ist nichts Neues. Aber richtig ist auch: Die Kontroversen wachsen. Das können Diskussionen sein, die den Kulturbereich bereichern, sie können aber auch zu einer Beschränkung künstlerischer Freiheit führen – das muss man im Blick behalten. Positiv formuliert sind solche Debatten Teil der Frage, was Kultur zur Gesellschaft beiträgt und wie sich das Spannungsverhältnis zwischen Kultur und Gesellschaft gestaltet.  

 

Was passiert mit der Kultur, wenn wir es demnächst mit mehr rechten Kommunalregierungen zu tun haben? 

Das ist auf jeden Fall ein Thema, auf das wir hohe Aufmerksamkeit richten sollten. Ich glaube, wir wissen es bisher tatsächlich nicht. Die Frage wird sein, ob es den Versuch geben könnte, kulturelle Normen zu setzen, deren Einhaltung durchgesetzt werden soll, die kulturelle Ausdrucksformen begrenzen würden. Das wäre ein Angriff auf die Freiheit der Kultur. Das wäre dann eine Bewegung, die es so in der Kultur seit 1945 in Deutschland nicht gegeben hat. Denn: Kultur darf Grenzen verschieben, Öffnungen vorantreiben, Diskurse befördern, Konventionen aufbrechen. Wir sollten hochaufmerksam sein. 

 

Kulturelle Bildung verändert sich. Wie sehen Sie in den Städten die Entwicklung von kultureller Bildung und Teilhabe?  

Wir müssen uns sehr weit oben auf die Agenda schreiben, dass wir die Spaltung von Stadtgesellschaften in diejenigen, die teilhaben an Kultur, und diejenigen, die nicht teilhaben, nicht verstärken, sondern dass wir Teilhabe beflügeln. Kulturelle Bildung im frühkindlichen Bereich, im schulischen Bereich ist der entscheidende Schlüssel dafür, dass kulturelle Teilhabe in einer Stadtgesellschaft für alle gelingt. Die Frage, wie wir es schaffen, jungen Menschen ein Angebot, auch ein persönliches Entwicklungsangebot zu machen, ist eine Zukunftsfrage. Sie entscheidet auch darüber, in welche Richtung sich die kulturellen Angebote einer Stadt entwickeln. Und ob es gelingt, auch diejenigen miteinzubeziehen, die eine andere kulturelle Identität, Geschichte und Erfahrung haben.  

 

Ein Hindernis gerade in der kulturellen Bildung ist womöglich der Fachkräftemangel. 

Der Fachkräftemangel drückt uns an allen Stellen, im Kulturbereich genauso wie im Sozial- und Jugendbereich insgesamt. Ich glaube aber, dass der Fachkräftemangel nicht der Schlüssel ist, wenn es um kulturelle Zugänge geht. Da geht es um die Frage, ob es gelingt, im Bildungsbereich zu kooperieren, sich als Lerngemeinschaft zu verstehen. Um es konkreter zu machen: Wenn eine Schule eine Kooperation eingeht mit dem kommunalen Theater und das kommunale Theater in weiser Voraussicht seine Theaterpädagogik so aufstellt, dass eine Kooperation gelingt, dann schafft das Zugänge für junge Menschen, für die es keine zusätzlichen Fachkräfte braucht. Wenn es gelingt, die Kooperation zwischen Theaterpädagogik und Kindertageseinrichtungen zu stärken, gibt es wertvolle Ansätze, die dauerhaft wirken. Wenn sich die kommunalen Kulturangebote auf diese Zielgruppe junger Menschen ausrichten und die Angebotsstruktur immer wieder dahingehend überprüft wird, profitieren alle.  

 

Wie steht es im Kulturbereich mit der »Beziehung« zwischen Städten und Ländern? 

Es gerät manchmal aus dem Blick, dass die Kulturangebote in der Bundesrepublik sehr stark durch Kommunen verantwortet und getragen werden. Selbstverständlich spielen die Länder eine Rolle, auch als Fördermittelgeber. Aber das kommunale Engagement ist ganz entscheidend, sowohl was die Finanzierung als auch die Struktur anbelangt. Es ist wichtig, das im Blick zu behalten. Bund und Länder müssen die kommunale Seite stützen und in die Lage versetzen, diese Aufgabe, die wir freiwillig haben und die wir ausfüllen wollen, auch tatsächlich erfüllen zu können.  

 

Vielen Dank.  

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2024.