Fußgängerzonen, Handel, Plätze, Gastronomie, Kultur- und Freizeitstätten bilden traditionell die Mitte einer Stadt, in der die Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen. Ohne Stadtzentrum ziehen sich die Menschen in ihr jeweiliges Milieu zurück. Begegnung und Austausch gehen verloren. Es setzt ein Prozess der Segregation ein, und die Gemeinschaft zerfällt in ihre Teile – mit allen Gefahren für die Demokratie. 

Der Rückzug der Menschen wurde während der Pandemie weiter verstärkt und beschleunigte so eine Entwicklung, die vorher zwar absehbar war, nun aber mit voller Wucht durchschlägt und insbesondere in kleineren Großstädten wie Bremerhaven sichtbar wird: Die Stadtzentren alter Prägung funktionieren nicht mehr. Die Schließung von Kaufhäusern führt zu weiteren Leerständen. Die nachlassende Attraktivität der City und die Bequemlichkeit des Onlinehandels verstärken die Abwärtsspirale. Die Begegnung geht verloren, doch gleichzeitig erleben gerade die Mittelstädte einen immensen demografischen Wandel, der durch Zuwanderung und Flucht bedingt wird, durch die Rückkehr älterer Menschen aus dem ländlichen Raum und die Abwanderung junger Erwachsener in die Metropolen und Universitätszentren. Die Herausforderungen für die Gestaltung der Stadtgesellschaft werden folglich immer bedeutsamer. 

Aufgabe der Kultur ist es, Räume und Angebote der Begegnung zu schaffen. In Bremerhaven sind Stadttheater, Kunstmuseum, Stadtmuseum, Volkshochschule und Stadtbibliothek in der Innenstadt angesiedelt. Wir haben sie über diverse Haushaltskrisen hinwegretten können. Mit guten Konzepten und zusätzlicher Ausstattung sind sie in der Lage, die Menschen in die Mitte zurückzuholen, vor allem Kinder und Jugendliche, alte und von Einsamkeit betroffene Menschen, Geflüchtete und Zugewanderte. Räume für freie Künstlerinnen und Künstler, aber auch Angebote der kulturellen Bildung und soziokulturelle Treffpunkte können Keimzellen der Wiederbelebung sein.  

Eine Schlüsselrolle kommt der städtischen Bibliothek zu, denn sie verfügt über ein alle Gruppen, Schichten und Generationen umspannendes Potenzial. Ihr Ausbau kann – wie andernorts vielfach gelungen – zum Motor einer neuen Stadtentwicklung werden. 

Doch dafür braucht es Mittel, über die wir und vergleichbare Städte nicht verfügen. Ausgaben für Kita- und Schulbau, Sozialleistungen, Personal, allgemeine Infrastruktur und uns darüber hinaus zugewiesene Pflichtaufgaben lassen keinen Handlungsspielraum mehr. Diese Lastenverteilung ist nicht zukunftsfähig. 

Die Absicherung der kommunalen Orte einer offenen Gesellschaft bedeutet Demokratiesicherung. Ihr Schutz schützt uns vor der Zersetzung unserer demokratischen Werte. Bund und Länder dürfen die Gemeinden mit dieser gesellschaftlichen Zukunftsaufgabe nicht allein lassen, sonst zerfällt am Ende mehr als nur die Gemeinschaft vor Ort. 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2024.