Bunter, vielfältiger und diverser: So entwickelt sich unsere Gesellschaft. Die zunehmende Individualisierung unserer Gesellschaft, die globalisierte Welt und Migration, aber auch die politische Diversifizierung tragen dazu bei, dass sich unser Gemeinwesen immer dynamischer entwickelt. Das hat massive Auswirkungen auf unsere Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden. Denn so differenziert unsere Gesellschaft ist, so verschieden ist auch das Publikum.  

Die Geschwindigkeit der Veränderung schlägt somit direkt auf die Arbeitsweise der Kultur zurück. Selten war der Veränderungsdruck so hoch, weiterhin die Breite der Gesellschaft zu erreichen. Und genau hiervon leitet sich auch die gesellschaftliche Relevanz der Kulturträger ab. Somit wird die Anpassung an das sich ändernde Publikum auch ein Auftrag, den Stellenwert in unserer Gesellschaft zu bewahren und unter Umständen sogar zu steigern. Denn Kunst und Kultur können viel leisten: Identität spenden, Gemeinschaft herstellen, Werte vermitteln, Fragen aufwerfen. Doch für diesen Mehrwert müssen sie die Menschen erreichen. Was tun, sprach Zeus? 

Zunächst einmal muss das Angebot differenziert werden. Kulturinstitutionen müssen einen breiten Fächer von Angeboten bedienen. Klassische Angebote müssen mit modernen, zeitgenössischen Formen verbunden werden. Experimente gehören genauso dazu, wie bestehende Seh- und Hörgewohnheiten zu bedienen. Insbesondere der kulturellen Bildung kommt wachsender Stellenwert zu. Nicht nur Kinder und Jugendliche müssen an die Kunst, Kultur und ihre Institutionen herangeführt werden, auch Menschen, die bisher wenig Kontakt hatten, brauchen eine Begleitung beim Abenteuer Kultur. Dabei zeichnet sich ab, dass insbesondere dezentrale Angebote in der kulturellen Bildung von Erfolg gekrönt sind. Die Kulturinstitutionen müssen rausgehen und vor Ort im Quartier mit den Menschen arbeiten. 

Kooperationen kommt zunehmend mehr Bedeutung zu. Kultur braucht Bündnispartner in der Gesellschaft, um neue Zielgruppen anzusprechen. Einen Opernabend mit Bizets »Carmen« zusammen mit dem Frauenhaus zu gestalten, eine Podiumsdiskussion oder gemeinsame Stückbesprechungen anzubieten, eröffnet nicht nur neue Perspektiven, sondern kann weitere Personengruppen ansprechen, die nun auch im Theater ihre Heimat finden. Um hier nur ein Beispiel zu nennen. Schulen, gemeinwesensorientierte Akteure, soziale Träger und Initiativen sind dabei zentrale Ansprechpartnerinnen und -partner. 

Doch diese große Herausforderung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Unsere Kulturschaffenden und -institutionen leisten bereits viel. Doch kulturelle Bildungsprogramme, dezentrale Angebote und Kooperationen brauchen zusätzliche Ressourcen.  

Gelingt es, die Kulturinstitutionen zu öffnen, die Kulturschaffenden breiter aufzustellen, kann die Kultur eine entscheidende Rolle übernehmen. In einer Welt, die immer unübersichtlicher wird, kann sie Orientierung geben. Das brauchen wir heute mehr als je zuvor. 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2024.