Die Landeshauptstadt Saarbrücken steht in mancher Hinsicht vor ähnlichen kulturpolitischen Herausforderungen wie vergleichbare andere Großstädte, wozu unter anderem der Fachkräftemangel sowie Preissteigerungen von bis zu 40 Prozent für Kulturveranstaltungen gehören. Saarbrücken hat aber das Glück, dass sich Politik und Stadtverwaltung diesen Herausforderungen gemeinsam und engagiert stellen, auch wenn das für eine Haushaltsnotstandskommune bedeutet, erhebliche Mehrsummen in die Zukunft der Saarbrücker Leuchttürme wie das Filmfestival Max Ophüls Preis investieren zu müssen. Zahlreiche andere Formate verschiedenster Träger mit Strahlkraft in die Region warten noch auf zukunftsfähige Finanzierungen. Dem Anspruch »Kultur für alle« gerecht zu werden, begegnet Saarbrücken mit einer breiten Palette kostenfreier Angebote und einem alle Kultur- und Bildungsinstitutionen umfassenden »Netzwerk kulturelle Bildung«, das durch enge Kooperation und kurze Wege manche Finanzlücke kompensiert. Trotz Anstiegs des Kulturhaushalts in den letzten drei Jahren kann dringenden Notwendigkeiten wie z. B. einer auskömmlichen Förderung der freien Szenen oder einer klimagerechten Sanierung historischer Kulturimmobilien nicht immer zufriedenstellend entsprochen werden. Zukunftsorientierte Kulturpolitik in Saarbrücken erzwingt das Setzen von Prioritäten. Gelungen ist es beispielsweise, entscheidende Schritte in Richtung digitaler Langzeitarchivierung der Dokumente des Stadtarchivs zu gehen und hochwertige digitale Rechercheangebote wie ein jüdisches Gedenkbuch zu erarbeiten. Daneben werden gemeinsam mit Initiativen aus der Bevölkerung Erinnerungs- und Mahnmalprojekte umgesetzt, die nicht nur einem hohen künstlerischen Anspruch genügen, sondern auch dem Desiderat einer Beteiligung der Betroffenen folgen. Kulturpolitik in Saarbrücken ist dort besonders erfolgreich, wo sie sich mit bildungspolitischen Zielen verbinden und Modellprojekte umsetzen kann, wie das der »Bildungswerkstatt Kirchberg«, einem Quartiersbildungszentrum in einem Ankommensstadtteil. Dieses Zentrum ermöglicht es Bürgerinnen, Bürgern und Gruppen unterschiedlicher Communities, eigene transkulturelle Bildungsprojekte zu erproben. Höchstes Potenzial liegt in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Partnern in der Grande Region. Insbesondere deutsch-französische Kultur- und Bildungsprojekte sind herausfordernd und zeichnen sich durch eine starke Verschiedenheit von Strukturen und Denkweisen aus, bringen aber nicht selten nie Dagewesenes hervor. Unlängst finalisiert wurde eine mit dem Gemeindeverband Sarreguemines Confluences gemeinsam konzipierte bilinguale Crèche/Kinderkrippe, die auf den Fundamenten zweier frühkindlicher Bildungssysteme mit einem deutsch-französischen Team in puncto Pädagogik und Sprachförderung völlig neue Wege betritt. Ebenso gefördert mit Interreg-Mitteln fährt der BiBus, der vollelektrische Bücherbus der Stadtbibliothek und ihrer französischen Partner, die Grundschulen im Eurodistrikt SaarMoselle an. Die Intensivierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit als eine der wichtigsten kulturpolitischen Herausforderungen hat für Saarbrücken eine europäische gesellschaftspolitische Dimension: Die Alternativen, eine pulsierende Stadt in der Mitte Europas oder eine provinziell geprägte Stadt am Rande Deutschlands zu sein, sind auch abhängig von Wahlausgängen in Europa, die demokratische Akteure als künftige Kooperationspartner an den Start bringen.
29. April 2024