Diese aktuell so dynamischen Zeiten – auch wenn die Veränderungen in ihrer Schnelligkeit manch einen überfordern – sollten wir als Chance begreifen: für eine Bestandsaufnahme von Bestehendem, von Erneuerungen und von Neuem. Für mich als Kulturpolitiker und Kulturförderer heißt das, uns mutig zu positionieren, um eine nachhaltige gemeinwohlorientierte Kulturpolitik voranzubringen.
Wir alle spüren Verhärtungen im Umgang miteinander und in der Kommunikation, schnelle Polarisierungen von Meinungen, ganz gleich ob sie verifiziert sind oder nicht. Daher brauchen wir weiterhin Strukturen und Räume, physische und geistige, in Form von Kultureinrichtungen, Veranstaltungsräumen, öffentlichen Plätzen und Plattformen, die zum vertieften Austausch und Kennenlernen, zur offenen Auseinandersetzung und zum gemeinsamen Erleben und Reflektieren beitragen. Kunst und Kultur verfügen in besonderer Weise über dieses Potenzial. Daher sollten wir, in unserer Funktion als Förderer, gerade die Stimmen und Akteure besonders unterstützen, die diverse, teilhabeorientierte und offene Kulturarbeit für sich implementiert haben, die mutig gesellschaftliche und persönliche Themen künstlerisch aufgreifen und sich an Utopien wagen. Weiter bedeutet dies die Unterstützung von Wissenstransfer, Vernetzung und Qualifizierung von Kulturschaffenden, Künstlerinnen und Künstlern; Zuschüsse auch für prozesshafte, in der Entwicklung sich befindende Vorhaben und für ergebnisoffene Projekte. In Konsequenz heißt dies auch, dass bestehende Förderungen evaluiert werden sollten. Und dass Platz für Ideen und Bedarfe der jüngeren Generationen, also auch für Jugendkulturen, gewährt wird. Zuletzt sind haptische Räume zu halten, wie es der Stadt Freiburg dank einer Mäzenin mit dem Erwerb des Morat-Instituts, als renommiertem Ort für Kunst, aktuell gelungen ist.
Um in diesem Sinne aktiv Kulturpolitik zu betreiben, braucht es eine Haltung, eine Verständigung über Werte und über künstlerische und gesellschaftliche Ziele. Ende Februar hat der Gemeinderat Freiburg das Grundsatzpapier »Kunst- und Kulturförderung zukunftswirksam gestalten – Grundsätze und Perspektiven einer nachhaltigen Ausrichtung der kommunalen Kunst- und Kulturförderung in Freiburg« verabschiedet. Dieses Papier umfasst sieben Grundsätze und ist das Resultat eines mutigen partizipativen Prozesses von Kulturamt, Kulturszene, Wissenschaft und Politik, um die Ausrichtung der kommunalen Kulturpolitik gemeinsam neu festzuhalten. Für ein teilhabeorientiertes, ergebnisoffenes Vorgehen, das stets die kulturelle Praxis implizierte, wurde mit der Methode Reallabor gearbeitet. Ein neuer, erstmalig gewählter Ansatz in der kommunalen Kulturpolitik. Beim Reallabor ging es um die Ziele Austausch, Kennenlernen und Wissenstransfer, genauso wie um künstlerisches Experimentieren. Und somit um die offene Auseinandersetzung und Begegnung, die eine demokratische Gesellschaft ausmachen.