In Haushaltsberatungen wird Kultur oftmals den sogenannten freiwilligen Leistungen zugeordnet. Zu Pandemiezeiten spitzte es sich zu – Kultur- und Nice-to-have-Freizeitangebote rangierten auf dem gleichen Level. Hinter diesen Diskussionen steht die Frage nach dem Status von Kultur für die Politik, nach ihrer Bedeutung und Rolle für die Gesellschaft.  

In Frankfurt (Oder) haben Kulturszene, Lokalpolitik und Stadtverwaltung zusammen Antworten auf diese Statusfrage gefunden. Die Leitvision, die für die nächsten Jahre richtungsweisend ist, lautet: »eine stabile gemeinsame Kulturlandschaft, die grenzüberschreitend, generationenübergreifend, interkulturell, kreativ, mutig, selbstbewusst und inklusiv Kultur für ALLE bietet«. In Zeiten demografischen Wandels, desolater Haushaltslagen, Parteipolitikverdrossenheit und Dauerkrisenmodi handelt es sich hierbei zugegebenermaßen um eine ambitionierte sowie zugleich notwendige und lohnenswerte Aufgabe.  

Denn: 27,7 Prozent der Bevölkerung in Frankfurt (Oder) sind über 65 Jahre alt. Dies stellt spezifische Anforderungen an Kulturangebote insbesondere hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit. Gleichfalls stellt sich in diesem Kontext die »Nachwuchsfrage« – langjährige Leitungsverantwortliche scheiden aus, die Gestaltung der Strukturen ist keineswegs gesichert. Zum anderen ist die Frankfurter Bevölkerung in der vergangenen Dekade diverser geworden (der Ausländeranteil stieg von 6,3 Prozent in 2014 auf 16,5 Prozent in 2023). Damit nimmt Frankfurt (Oder) im Land den Spitzenplatz ein. Direkt an der deutsch-polnischen Grenze gelegen agieren wir gemeinsam mit unserer Nachbarstadt Słubice seit Jahren als Europäische Doppelstadt. Den neuerlichen Diversitätszuwachs gilt es, als Chance zu nutzen, Konzepte für Kulturangebote für die neue Zielgruppe zu entwickeln und Zugänge kultureller Teilhabe zu gestalten. Dieser Prozess des Perspektivwandels, der auch ein selbstkritisches Hinterfragen in den Kultureinrichtungen selbst impliziert, ist langwierig sowie facettenreich und wird die Anstrengung der gesamten Kulturszene wie auch städtischen Verwaltung und Kulturpolitik benötigen, um sich dem selbst gesteckten Ziel »Kultur für ALLE« anzunähern.  

Gleichzeitig manifestiert sich in diesem Kontext auch die Bedeutung von Kultur für das Zusammenleben und dessen Gestaltung. Kultur und kulturelle Bildung gehören über Partei- und Zugehörigkeitsgrenzen hinweg zu den wichtigsten Säulen demokratischer Aushandlungsprozesse. Bei der Angebotsgestaltung nehmen die Ermöglichung eines Dialogs, eines moderierten Meinungsaustausches bei der wichtigen Sicherung der Meinungsfreiheit (ohne anonyme Hass und Hetze) insbesondere in einer diversen Stadtgesellschaft eine zentrale Rolle ein.  

Status-Check Kultur: Die wichtigste kulturpolitische Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, Kultur und Bildung als feste Bestandteile der Daseinsvorsorge zu verankern, damit sie ihre Funktionen als Demokratiemotor, Dialogförderer und Teilhabeermöglicher bestmöglich zur Entfaltung bringen können. 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2024.